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Vereinsarbeit kann Glück und Utopie sein: Unser Autor Malte Schönfeld unterstützt die Finanzierung des Queeren Netzwerks

Malte Schönfeld Veröffentlicht am 21.01.2024
Vereinsarbeit kann Glück und Utopie sein: Unser Autor Malte Schönfeld unterstützt die Finanzierung des Queeren Netzwerks

Auf dem ersten Gifhorner Christopher-Street-Day im Sommer des vergangenen Jahres war der Jubel groß – auch von vielen Politikerinnen und Politikern. Trotzdem stand die Finanzierung des Queeren Netzwerks für 2024 auf der Kippe.

Foto: KURT Media via Dall-E

„Spektrum bleibt, Spektrum bleibt“ – hätte es die Vereinsmitglieder des Queeren Netzwerks für wochenlange Demonstrationen auf die Gifhorner Straßen getrieben, um ihr geliebtes Vereinszentrum zu retten, wäre das wohl der Schlachtruf gewesen. Doch so weit musste es gar nicht kommen. Nachdem es Anfang Dezember noch danach aussah, als würde der Kreistag dem Queeren Netzwerk keine Finanzierung für 2024 genehmigen, was das Aus des Spektrums bedeutet hätte, einigten sich Grüne, SPD, Die PARTEI, Linke, B.I.G. Sassenburg und CDU doch noch auf eine Verlängerung der Unterstützung. Noch mal dem Vereinstod von der Schippe gesprungen.

Von den 26.000 beantragten Euro sind es nun 15.000 geworden. 15.000 Euro haben – oder nicht haben. Das entscheidet über viel. Manchmal über alles. Welcher Verein hat schon etwas auf der hohen Kante, in Reserve, wenn die meisten Kaffeekassen nur mit Pfandbons gefüllt sind? Die Pandemie und ihre Folgen, auch die politischen Fehlentscheidungen, ließen viele Vereine ausbluten. Denn wie damit umgehen, wenn zahlreiche Mitglieder den schnellen Austritt der Geduld vorziehen?

Denn eines darf man ja nicht vergessen: Während einige Politikerinnen und Politiker sich gerne mit fremden Federn schmücken, bei Paraden lustig winken und jovial supporten, ist das Pendant die Gruppe der Emsigen, der Eifrigen, der Ehrenamtlichen. Die gehen die Extra-Mile, nur ohne den Applaus. „Ohne das Ehrenamt geht es nicht“, heißt es dann bei den Jahreshauptversammlungen der Vereine, und alle nicken und klopfen mit den Knöchelchen auf den Bierbanktischen, wohl wissend, dass es nie so schwierig war, Menschen für Vereinsarbeit zu begeistern.

Das Leben wandelt sich schneller denn je. Die Hebel der Technologie sind gigantisch. Ein Instagram-Filter hat unbeabsichtigt die Kraft, die Welt zu verändern. Online-Plattformen richten digitale Konzerte aus. Spiele wie Roblox haben Hunderte Millionen Nutzer, ohne dass man davon weiß. Vereine konkurrieren mit einer Welt, die sie nicht kennen. Das ist fatal.

Umso wichtiger ist, dass die Politik Vereinsarbeit unterstützt. Und finanziert. Geld – oder: fehlendes Geld – sollte nie das Top-Argument sein, um über das Dichtmachen eines Vereins zu entscheiden. Denn großen Konzernen mit ihren tollen Marketingstrategien wird das Geld nicht fehlen. Die buhlen um die Aufmerksamkeit gerade der jungen Menschen mit dicken Bündeln. Wenn Geld fehlt, sollte man sich nicht als erstes überlegen, wo man anderswo Geld kürzt, sondern warum die Politik sich nicht traut, mehr Geld bereitzustellen.

Es ist unerheblich, ob man das Queere Netzwerk Gifhorn ideologisch unterstützt. Darum geht es nicht. Es geht darum, dass ein Verein ein Rückzugsort sein kann, ein unbeschwerter Ort, dem man Utopisches zuspricht.

Vereine übernehmen Verantwortung, wo Politik manchmal auch versagt. Sie entwickeln Einfluss auf ein hegemoniales Ist-so, sie rütteln an Strukturen. Das gilt für Schützenvereine, Sportvereine, Kulturvereine. Und wohl die größte Stärke und Schwäche zugleich: Das private Glück der Engagierten hängt mit drin. Man sollte dieses Glück nicht mit Füßen treten. Denn aus Enttäuschung wird schnell Ablehnung.


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