Musik

Unsere Texte begleiten Dich durch den Alltag: Oliver Pohl aus Rühen ist Drummer und Kopf der Band Die Müller-Verschwörung

Matthias Bosenick Veröffentlicht am 02.03.2025
Unsere Texte begleiten Dich durch den Alltag: Oliver Pohl aus Rühen ist Drummer und Kopf der Band Die Müller-Verschwörung

Bossanova mit einer Portion progressiver Rockmusik – das ist das Gemisch, was die Müller-Verschwörung so dynamisch macht. Der Rühener Oliver Pohl (2. von rechts) übernimmt die Drums und die Vision.

Foto: Tom Stach

Mit dem Pleonasmus „Oxymoron und Paradoxie“ legt die Müller-Verschwörung das Filetstück ihrer EP-Trilogie „Versuch und Irrtum“ vor – vier Songs auf Vinyl, die dem für dieses Quartett so charakteristischen Bossanova eine erweiterte Portion Rockmusik hinzufügen. Dafür ist nicht zuletzt auch der Hintermann dieser Band zuständig, denn Schlagzeuger Oliver „Olli“ Pohl gibt seit fünf Jahren die Vision vor. Wie es dazu kam, warum er für zehn lange Jahre eine Abstinenz vom Spielen einlegte und wohin die Reise mit dem dritten EP-Teil gehen soll, hat der Rühener KURT verraten.

Das Scheitern als Chance steht als inhaltlicher Bogen über den vier Songs dieser EP, die Musik dazu ist so vielseitig, wie es die textliche Annäherung an das Thema ist: Funk und Disco, Indie-Pop-Rock, langsamer Bar-Swing und jazziger Space-Rock. Das passt tatsächlich alles unter einen Hut, und den hat Bandkopf Tobias „Bo“ Müller auf, der die meisten Kompositionen beisteuert und die Gitarre spielt. Den Gesang überlässt er Roland Kremer, der nebenbei gelegentlich auch noch stapelweise anderer Instrumente bedient. Für den überlebensgroßen Bass zeichnet Chrisz Meier verantwortlich – und Olli Pohl eben für die den Groove befeuernden Drums.

In dieser Besetzung erarbeitet die Müller-Verschwörung also eine langfristig angelegte Konzept-Trilogie. Der erste Teil der EP-Reihe, „Alles auf Plan B“, erschien im Februar 2023, der zweite Teil ist noch pressfrisch und auch die dritte EP steht inzwischen. „Die vier Songs sind noch im Rohbaustadium, aber aktuell sind wir dabei, das Dach zu decken und die Fassade zu putzen“, verrät Olli Pohl. „Die Songs werden noch mal ein anderes Gesicht von uns zeigen – die Reise geht weiter, seitdem ich dabei bin.“

Genauer bedeutet das: „Ein anderer Einfluss ist reingekommen, es wird ein Bisschen rockiger, auch progressiver, was nicht heißt, dass wir den Pfad des Bossanova ganz verlassen werden.“ Sondern, dass sich die Musik innerhalb der Trilogie steigert: „Von EP zu EP wird sie kräftiger.“ Er sinniert: „Es ist eine interessante Reise mit den Jungs – das war vorher gar nicht so meine Musikrichtung.“

Um das zu verstehen, sind einige Rückblicke erforderlich. Zunächst auf die Geschichte der Müller-Verschwörung: Die existiert erst seit rund fünf Jahren und ist die Nachfolge-Band zu Müller & die Platemeiercombo, die wiederum 2002 auf das extrem einflussreiche Velpker Trio Die Trottelkacker folgte. Mit der Platemeiercombo etablierte Müller die Mischung aus süd- und lateinamerikanischen Rhythmen und Rockriffs zu humoristischen und philosophischen Themen. Diese Band erforderte jedoch eine Umstrukturierung, als deren Schlagzeuger, mit dem Bo Müller parallel auch bei der psychedelischen Space-Rock-Band Grass Harp spielt, einer seiner Nebentätigkeiten mehr Gewicht verleihen musste. Andreas Plate wurde nämlich Leiter des Kulturzentrums Hallenbad in Wolfsburg. Den Umbruch von der Platemeiercombo zur Verschwörung nutzte Bo für eine weitere Änderung: Er trat vom Mikro zurück, um sich ganz der Gitarre zu widmen, und wies den Platz dem vertrauten Weggefährten Roland zu.

„Die Jungs kenne ich lange, insbesondere Bo, aus der Wolfsburger Musikszene, und Andy Plate ist lange ein guter Freund“, setzt Olli an. Jener Andy rief Olli vor fünf Jahren an und sagte: „Müller hat ein Problem.“ Der Ersatz-Schlagzeuger für Andy war nämlich während der Aufnahmen zur Doppel-10“ „Artfremd an verschiedenen Orten“ ausgestiegen, und Andy fragte Olli: „Haste Bock?“ Er zuckt mit den Schultern: „Habe ich ‚ja‘ gesagt.“ Also schleppte er sein Schlagzeug ins Studio in Wolfsburg.

„Vorher habe ich nie mit denen gespielt, aber es hat Spaß gehabt“, erzählt der Rühener. Satte zehn Jahre lang war er bis dahin „musikalisch abstinent“ gewesen, und das setzte den Grundstein für die zweite Brücke in die Vergangenheit. Doch zunächst weiter mit der Müller-Verschwörung: „In der Pause kam Bo zu mir und sagte: ‚Übrigens, Du bist jetzt in der Band.‘“ Olli strahlt: „Das habe ich nicht zu träumen gewagt und mich sehr gefreut!“ Er fühlte sich aus seiner Pause gerettet.

Jetzt also der zweite Blick in die Vergangenheit: Olli wurde in Wolfsburg geboren und wuchs in Westhagen auf, zog dann vor 23 Jahren nach Ehra und vor 18 Jahren weiter nach Rühen. Seine erste Band gründete er 1989, Desparate People, „das war komplett aus dem Dunstkreis im Kaschpa“, erzählt Olli, also aus dem Kulturzentrum, aus dem später das Hallenbad wurde. Die Band nahm ein Tape auf und spielte „in Wolfsburg und Umgebung, auch in Gifhorn“, erzählt Olli, doch verliefen sich die Desparate People früh.

Zum folgenden Engagement gelangte Olli, weil er im kirchlichen Jugendtreff Thing in Fallersleben viel gejammt hatte. Er lacht: „Daraus hat sich ergeben, dass ich in einer Deutschrockband eingestiegen bin.“ Netto hieß die Band, später dann Phantom. „Wir hatten auch Musiker aus Gifhorn“, berichtet Olli und zählt Bassistin Maren sowie Sänger und Gitarrist Christian Wührmann auf. Kurios: Die Nachbarin des Sängers Christian „fand unsere Musik toll. Sie hat uns eingeladen zum Kaffeetrinken und gesagt: Ich mache einen Plattenvertrag, wir nehmen eine CD auf, ich bringe Euch groß raus“. Für die Aufnahmen fuhr die Band nach Braunschweig, sechs Songs entstanden da. „Meine erste richtige Studio-Erfahrung. Ich habe viel gelernt“, sagt Olli, doch: „Die Geschichte mit der Nachbarin wurde immer skurriler und verrückter und dann hat sich das wieder zerschlagen.“ Er zuckt mit den Schultern: „Wir hatten einen einzigen Auftritt als Phantom in Gifhorn auf dem Altstadtfest – der Erfolg ist ausgeblieben, das Album wurde nie veröffentlicht, aber ich höre mir die Aufnahmen immer noch gerne an.“ Und kurze Zeit später löste sich auch diese Band auf.

Eigentlich standen für Olli Pohl und die Band Three Sided Life die Sterne nicht schlecht, doch der große Durchbruch wurde es doch nicht.

Foto: Privat

Mit einem seiner Ex-Phantome gründete Olli daraufhin Three Sided Life, eine progressivere Rockband, die sich an Bands wie Creed, Nickelback und Incubus orientierte. Auch die Absichten stiegen: „Wir haben ein bisschen mehr Gas gegeben.“ So gelangten Three Sided Life zweimal in den Vorentscheid des Radio-ffn-Wettbewerbs „New Sensation“, wenn auch ohne die nächste Etappe zu erreichen. „Wir hatten eine kleine Deutschlandtournee und eine Platte aufgenommen“, fährt Olli fort. Sie spielten ebenfalls auf dem Wob Open sowie in Clausthal-Zellerfeld, Wolfsburg und Gifhorn; auch mit Grass Harp teilten sie sich die Bühne. „Das war das erste Mal“, schwärmt Olli, „dass ich eine Band hatte und dachte: Die könnte erfolgreich werden. Es gab ein gutes Niveau, wir haben viel Zeit investiert.“ Den Verlust des Sängers kompensierte die Band mit einer jungen Sängerin, schöpfte weitere Zuversicht, begann neue Albumaufnahmen und spielte als Support von Die Happy bei der Eröffnung des Hallenbads – jedoch „unseren allerletzten Auftritt“.

Danach zog Olli die Reißleine. Er baute in Rühen und sagte den Bandmitgliedern: „Jungs, ich brauche eine Pause.“ Die sollte nur ein Jahr dauern, doch hatten zwei Bandfreunde inzwischen als Ultrnx ein erfolgreiches Electro-Projekt gestartet, mit dem sie sogar in Moskau auftraten. „Wir haben festgestellt, das hat keinen Zweck mehr“, schließt Olli das Kapitel Die Happy ab und fügt süffisant an: „Mein erstes Jahr von zehn Jahren Abstinenz war rum.“

Also trommelte Olli zu Hause vor sich hin und sagte zu sich: „Du brauchst eine Band.“ Bis Andy anrief, noch drei Jahre vor der Müller-Sache, und mit ähnlichem Auftrag an ihn herantrat, denn Müllers Grass-Harp- und früherer Trottelkacker-Mitmusiker Michael Krüger nahm gerade sein Album „Unbemerkt verschwinden“ auf und suchte einen Schlagzeuger, weil sein Live-Drummer fürs Studio nicht zur Verfügung stand. „Das hat mich ziemlich angefixt und den Wunsch extrem verstärkt“, insbesondere, als Olli sich die Songs mit dem anderen Drummer live ansah: „Da habe ich traurig geguckt.“ Auch das nächste Krüger-Album „Der Masterplan“ entstand mit Olli am Schlagzeug, doch in eine feste Band gelangte der Rühener dadurch nicht. Doch dann kam Müller.

Nebenbei nahm Olli aber noch Schlagzeugunterricht an der Musikschule Wolfsburg, nahm an einem Salsa-Projekt für lateinamerikanische Musik teil, lernte Percussion, Konga, Bongo, Marimbaphon – und bringt genau diese Kenntnisse heute bei der Müller-Verschwörung ein, schließlich legte Andy bei den alten Songs gerade diese Rhythmen zugrunde. Deshalb ist es für Olli auch kein Problem, sich dessen Songs anzueignen: „Ich habe sowieso immer nach Gehör gespielt“, verrät er. Zwar könne er Noten lesen, doch prägen sich ihm Songs besser ein, wenn er sie einige Male „mit dem MP3-Player auf den Ohren“ parallel trommelt oder im Auto hört: „Dann kann ich mir Songstrukturen und Grooves reinziehen – das Auto ist der Ort, wo ich ungestört laut hören kann, dann nehme ich die Songs auseinander und arbeite mich rein.“

Oliver Pohl spielte schon in vielen Bands. Äußerst produktiv ist er gerade mit dem Projekt „Die Müller-Verschwörung.“

Foto: Falk von Cederstolpe

So verfuhr Olli teilweise auch mit den Songs und Alben, die ihn als Schlagzeuger prägten. „Yes fand ich cool, ‚Owner Of A Lonely Heart‘ kann ich auswendig“, erzählt er. Und gesteht: „Ich höre eine relativ kleine Musikauswahl, dafür einzelne Songs unheimlich oft.“ Aktuell etwa von der Band Klone das Album „Indelible“, zuletzt auch Musik von Bands wie Snarky Puppy, Karivool, Go Go Penguin oder Sirintip. Auch hat er Schlagzeuger-Vorbilder: „Früher Dennis Chambers, unter anderem Schlagzeuger von John Scofield.“ Sein großes Idol ist aber jemand anders: „Dave Weckl von der Chick Corea Electric Band, ein Hammer-Typ.“ Und aktuell feiert er den YouTuber El Estepario Siberiano: „Der spielt Thrash-Metal mit einer Hand und trinkt dabei Kaffee.“ An Musik hört er sich durch alle Genres, er lacht: „Am liebsten abgepfiffener Jazz Rock, wo kein Takt gerade ist.“

Mit den Songs der Müller-Verschwörung dürfte ihm das nicht passieren. Mit der Zugehörigkeit zu dieser Band ist Olli glücklich: „Bo ist eine Ideenquelle“, schwärmt er. Obwohl auch Chrisz einige Songs schrieb: „Bei ihm sind die dann immer komplett fertig, er sagt allen, was sie spielen sollen, wir spielen es zweimal, dann ist alles klar – wenn er Songs raushaut, haben die es in sich.“ Anders Bo, sobald der sprudelt, schickt er seine Song-Ideen herum und die Band arbeitet sie ab. Olli staunt: „In was für einer kurzen Zeit der Ideen produziert…“ Und dann noch so nachhaltige: „Seine Songtexte begleiten einen im Alltag – ‚Die Verwirrung anderer Leute‘, das ist das Leben, das wir besingen“, sagt Olli. „Das hatte ich vorher nie so in den Bands, vorher waren Texte Nebensache – es gefällt mir gut, etwas zu sagen.“

Versuch und Irrtum Vol. II: Oxymoron und Paradoxie
4 Songs,
17:05 Minuten
diemuellerverschwoerung.bandcamp.com/


Coole Leute gesucht – wir stellen ein!

Informiere Dich über Jobs in unserem Medienhaus! Wir sind auf der Suche nach tollen Menschen, die bei uns einsteigen möchten.

Mehr erfahren