Häusliche und sexualisierte Gewalt - Neue Beratungsstelle für Kinder und Jugendliche in Gifhorn

Für Kinder und Jugendliche, die Opfer von sexualisierter Gewalt geworden sind, gibt es jetzt eine neue Beratungsstelle im Landkreis Gifhorn: Caroline Wenk und Julia Hüffmeyer empfangen ihre Besucher im Kirchweg 7 in Gifhorn. Am Dienstag wurde die Außenstelle des Wolfsburger Vereins „Dialog“ offiziell eröffnet – getragen wird sie vom Landkreis Gifhorn, vom Caritasverband Gifhorn, vom DRK-Kreisverband Gifhorn und von der Egon-Gmyrek-Stiftung.

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„Keineswegs jedes Kind kann seine Kindheit unversehrt und unbeschwert erleben“, erläuterte Sozialpädagogin Caroline Wenk: „Die Auswirkungen sexualisierter Gewalt im Kindesalter sind meistens ein Leben lang zu spüren.“ Und ihre Kollegin, die Sozialarbeiterin Julia Hüffmeyer, ergänzte: „Ich wünsche mir im Grunde, dass es so einen Job, den wir jetzt machen, gar nicht geben müsste.“

Die beiden Mitarbeiterinnen des Vereins „Dialog“ beraten fortan in Gifhorn nicht nur Kinder und Jugendliche, die selbst Opfer häuslicher oder sexualisierter Gewalt geworden sind – „sie fungieren auch als Ansprechpartner für Pädagogen und Fachkräfte, die sich eine zweite Meinung einholen möchten, und auch all für all jene anderen, die meinen, dass da in ihrem Umfeld etwas womöglich nicht stimmen könnte“, erklärte Christine Cordes, pädagogische Mitarbeiterin der Egon-Gmyrek-Stiftung, bei der Eröffnungsfeier, die wegen der Corona-Auflagen in den Tagungsräumen der St. Altfrid-Gemeinde am Pommernring stattfand. Dort konnten alle Teilnehmer den nötigen Abstand wahren. Mund-Nase-Schutz war für all jene, die nicht gerade sprachen, verpflichtend. Und das Rednerpult wurde nach jedem Wortbeitrag desinfiziert.

„Leistungsdruck, Konsum und Egoismus haben unsere Gesellschaft erheblich verändert“, stellte Klaus Gmyrek, Stiftungsrat der Egon-Gmyrek-Stiftung, fest. „Die Familie bildet heute nicht mehr den stabilen Kern der Gesellschaft. Jedes vierte Kind ist von Gewalt bedroht – unglaublich!“ Hilfe, die ankommt, ist ihm ein Herzensanliegen – den Kinderschutz hat sich die Egon-Gmyrek-Stiftung zur zentralen Aufgabe gemacht. Das neue Projekt „Kinderschutz im Landkreis Gifhorn“ in Kooperation mit Landkreis Gifhorn, Caritasverband und DRK solle ein „Leuchtturmprojekt“ werden, so Klaus Gmyrek. Die neue Beratungsstelle ist ein Baustein davon.

Täglich würden im Durchschnitt 43 Kinder in Deutschland Opfer von sexualisierter Gewalt, erklärte Stiftungs-Mitarbeiterin Christine Cordes: „Statistisch sind das ein bis zwei Kinder pro Schulklasse, die sexualisierte Gewalt erfahren.“ Weitere Gewalttaten oder drohende Gewalt sind da noch nicht mal mitgezählt. „Wir müssen uns bewusst machen, dass all das auch im Umfeld und im Alltag der uns bekannten Kinder vorkommen kann“, appellierte sie an mehr Wachsamkeit. Und: „Wir müssen den Kinderschutz in der Öffentlichkeit mehr thematisieren.“

Die neue Beratungsstelle von „Dialog“ arbeitet unabhängig, erläuterte Christine Cordes. Sie bietet Beratung und Unterstützung – und die beiden neuen Mitarbeiterinnen Caroline Wenk und Julia Hüffmeyer kümmern sich auch um Aufklärungsarbeit in Kitas, Schulen und Vereinen. Beraten werden Kinder zwischen 5 und 18 Jahren, „manchmal auch ab viereinhalb Jahren, je nach Entwicklungsstand“, erklärte Sozialpädagogin Mareike Wagenführer, Mitarbeiterin der „Dialog“-Hauptstelle in Wolfsburg. Und: „Für jüngere Kinder gibt es Unterstützung für und mit Eltern oder Erziehungsberechtigten.“ Die Dauer einer Beratung hängt vom individuellen Fall ab – „vom kurzen Info-Gespräch bis zur langfristigen Begleitung und Beratung über ein oder sogar zwei Jahre“.

„Ich unterstütze dieses neue Angebot aus ganzem Herzen“, sagte Gifhorns Landrat Andreas Ebel vorab zur Einführung. Artikel 1 unseres Grundgesetzes besagt zwar, dass die Würde des Menschen unantastbar ist – diverse Fälle in Vergangenheit und Gegenwart hätten aber gezeigt, dass „trotz aller gesetzlichen Regelungen einiges im Argen ist“, so Andreas Ebel. Zumal dieses Grundrecht insbesondere auch für alle jene gilt, „die ihr Recht nicht einfordern können, so wie Pflegebedürftige, Demente und auch Kinder“. Aus diesem Grund dankte er Klaus Gmyrek für seine Initiative, „ohne die diese Beratungsstelle nicht entstanden wäre“. Ebenso richtete Andreas Ebel seinen Dank an Karin Single, Fachbereichsleitung für Kinder, Jugend und Familie beim DRK-Kreisverband Gifhorn, sowie Martin Wrasmann vom Caritasverband und „Dialog“-Geschäftsführerin Daniela Çevik.

Der Wolfsburger Verein ist übrigens schon seit seiner Gründung als Beratungsstelle auch für Kinder und Jugendliche aus dem Landkreis Gifhorn zuständig. Pro Jahr sind es bisher um die 100 Kinder und Jugendliche aus der Stadt Wolfsburg, die in Einzelfallberatung aufgenommen werden, sowie 35 bis 40 Kinder und Jugendliche aus dem Landkreis Gifhorn. Die räumliche Distanz jedoch könnte manche und manchen davon abgehalten haben, die Beratung in Anspruch zu nehmen – umso wichtiger, dass es nun eine eigene Beratungsstelle in Gifhorn gibt.