Engagement
Ein Leben lang auf der Suche nach Impulsen: Ingrid Pahlmann aus Wilsche wurde mit dem Gifhorner Hut ausgezeichnet
Malte Schönfeld Veröffentlicht am 25.12.2025
Ingrid Pahlmann wurde für ihr vielfältiges ehrenamtliches Engagement mit dem Gifhorner Hut ausgezeichnet und ist somit jetzt Teil einer illustren Runde von Hutträgern.
Foto: Michael Uhmeyer
Wie viel Heimat in einem steckt, das ist unmöglich zu beziffern. Woran macht man das fest? An der Zeit, die man im Landkreis verbracht hat? An der Zahl der Dorfbewohner und Städter, mit denen man zu tun hat? Vielleicht ist es auch daran zu bemessen, wie engagiert eine Person ist, um den eigenen Kreis zu beleben und Ideen in die Gesellschaft einzubringen. Die Trägerin des Gifhorner Huts 2025 jedenfalls steckt voller Heimat, das kann man wohl sagen. Ingrid Pahlmann (68) – Politikerin, Hauswirtschaftsleiterin und stets ehrenamtlich engagiert – wurde nun mit dieser Auszeichnung des Uniformierten Schützenkorps für besondere Traditions- und Brauchtumspflege bedacht. Ein KURT-Porträt.
„Ich brauche immer etwas, was mich anregt“, sagt Ingrid Pahlmann – und das gilt für das farbenfrohe Ehrenamt genauso wie für ihre politischen Bemühungen. Für die meisten Gifhornerinnen und Gifhorner ist sie wohl als Bundestagsabgeordnete in Erscheinung getreten, die zwar in Berlin ihr Büro führte, immer aber auch lokalpolitisch verankert geblieben ist. Von 2013 bis 2017 sowie 2019 bis 2021 und 2024 bis 2025 vertrat Ingrid Pahlmann die Gifhorner Bürgerinnen und Bürger in der Hauptstadt – erst rückte sie 2019 für Ursula von der Leyen nach, als diese zur EU-Kommissionspräsidentin gewählt wurde, später dann für André Berghegger, der den Posten als Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes vorzog. „Eine Faszination für Berlin ist da, das war eine Horizonterweiterung, aber ich ziehe das Landleben dann doch vor.“
Gifhorn steckt tief in Ingrid Pahlmann. 1957 geboren, wächst sie im ländlichen Wilsche auf. „Buden bauen, toben im Wald und Rollschuhfahren – wir Kinder hatten draußen immer Spielmöglichkeiten. Es war eine behütete Kindheit.“ Das elterliche Tiefbauunternehmen nimmt logischerweise viel Zeit in Anspruch. „Ich konnte aber immer zu Freunden oder Nachbarn gehen. Woran wir uns aber halten mussten: Wenn‘s dunkel wurde, geht‘s nach Hause.“
Nach dem Wirtschaftsgymnasium möchte Ingrid Pahlmann eigentlich Wasserwirtschaft studieren, um in das Tiefbauunternehmen der Eltern einzusteigen. Doch dann kommt ihr Mann Heinrich ins Spiel und gemeinsam überlegen sie, was vielleicht mehr Sinn ergibt, um seine Landwirtschaft fortzusetzen. Sie absolviert eine Hauswirtschaft-Ausbildung und führt diese Laufbahn so weit, dass sie Ausbilderin und Prüferin für ländliche Hauswirtschaft und Meisterprüfungen wird. „Ich habe dadurch ganz gut gelernt zu managen. Und ich würde heute noch sagen, dass für viele so ein Schnupperkurs wichtig wäre, um zu wissen, wie man vernünftig einen Pullover wäscht, sparsam kocht oder sich gesund ernährt. Trotzdem gab‘s auch Tage, in denen ich von morgens bis abends auf dem Kartoffelroder saß.“
Engagiert ist Ingrid Pahlmann heute vor allem in der Hospizarbeit Gifhorn, deren Vereinsvorsitzende sie ist.
Foto: Michael Uhmeyer

Auf dem eigenen Hof sind deswegen viele Auszubildende im Einsatz, schließlich bildet Heinrich auch aus, sogar ungarische Praktikanten aus einem Uni-Austauschprogramm schauen in Wilsche vorbei. Und die eigenen Kinder, zwei Söhne und eine Tochter, bringen fleißig Freunde nach Hause. „Es war immer was los, die Türen standen immer offen. Bei uns wurden sogar Feten und Abi-Partys veranstaltet“, erinnert sich Ingrid Pahlmann schmunzelnd.
Diese soziale Ader verstärkt sich noch im eigenen Ehrenamt. Früh tritt sie in die Landfrauen Gifhorn ein, um später auch Vorsitzende zu werden. „Dabei habe ich versucht, mit dem Jahresprogramm über den Tellerrand hinauszuschauen: Nicht nur Bastelsachen, nicht nur Vorträge über Bräuche oder ähnliches, sondern auch politische und Wirtschaftsthemen.“ Es bildet sich ein Arbeitskreis Hauswirtschaft, der etwa Studienfahrten nach Schweden unternimmt und kulturellen Austausch pflegt.
Ganz nebenbei, als wäre das alles nicht schon kalenderfüllend genug, interessiert sich Ingrid Pahlmann hinzufügend in Rechtsfragen. Als Landwirtschaftsrichterin am Amtsgericht Gifhorn unterstützt sie fachspezifisch, auch als ehrenamtliche Richterin am Verwaltungsgericht in Braunschweig ist sie aktiv. „Das ist wirklich spannend gewesen und etwas, was ich einfach mitnehmen musste, als sich die Chance bot“, die Wilscherin. Und dann ist da noch Ingrid Pahlmann, die Politikerin. Ihr Wunsch, gesellschaftlich Verantwortung zu übernehmen, wuchs aus praktischer Problemlösung im Alltag. Und weil ihr Mann Heinrich, selbst im Ortsrat, Stadtrat und Kreistag vertreten, kürzer treten wollte, drohte auch nicht, in denselben Gremien sitzen zu müssen. „Außerdem suchte die CDU Anfang der 2000er gezielt Frauen, deswegen dachte ich: Probiere ich‘s doch einfach mal.“ Selbstbewusst forderte sie entgegen manchem Skeptiker die Teilnahme in den großen Ausschüssen Finanzen, Planung, Umwelt ein und wurde zur Vorsitzenden des Planungsausschusses und später zur Fraktionsvorsitzenden. Ingrid Pahlmanns politisches Leitmotiv ist pragmatisch: Miteinander, Bürgernähe und lösungsorientierte Sachpolitik.
Kommunalpolitik ist der Kern ihrer politischen Identität. Sie meint: „Die wirkliche Politik findet vor Ort statt.“ Als ein Kandidat für den Bundestagswahlkampf gesucht wird, ermuntert sie einer ihrer Söhne, wie Ingrid Pahlmann lachend erzählt: „Er sagte: Mama, warum denn nicht? Jammer uns dann aber nicht drei Jahre lang vor, dass Du es ja mal hättest versuchen können.“ Und es klappt. Die familiäre Rückendeckung macht den Wechsel in den Bundestag möglich. „Mein Mann sagte: „Mach einfach, wir kriegen das schon irgendwie hin.“
Ist es als Frau schwieriger gewesen, politisch ernst genommen zu werden? Ingrid Pahlmann verneint: „Grundsätzlich habe ich das so nicht erlebt.“ Allgemein gelte: Man muss nicht ständig reden, aber man muss wissen, wann man etwas sagt. Das politische Berlin ist herausfordernd, gewöhnlich gehen die Arbeitstage zwischen 22 und 23 Uhr zuende. Viel ist da nicht mit dem Lockmittel der Weltstadt. Schöne Ecken erkundet sie mit Ehemann oder Freunden wenn dann am Wochenende; fast allen der acht Enkelkinder schafft sie aber, ihre Arbeit im Parlamentsviertel zu zeigen.
Die Wilscherin entscheidet aber für die zurückliegende Bundestagswahl, sich nicht mehr aufstellen zu lassen. „Ich bin an eine Altersgrenze gekommen, wo eine andere Generation übernehmen sollte. Das ist in der Kommunalpolitik genauso. Andererseits bin ich noch fit und habe Lust – noch überlege ich, mich 2026 wieder aufstellen zu lassen.“
Als Hauswirtschaftsleiterin mit eigenem Hof in Wilsche weiß Ingrid Pahlmann eigentlich auf jedes Problem eine Lösung zu finden.
Foto: Michael Uhmeyer

Genug zu tun bleibt aber, unter anderem als Vorsitzende der Gifhorner Hospizarbeit. „Es ist schon anspruchsvoll, doch wir haben ein super Team zusammen. Man denkt das vielleicht nicht, aber es ist auch viel Fröhlichkeit dabei, das muss ich sagen. Die letzten Tage seines Lebens sollte man schön verbringen, das möchten wir möglich machen.“
Wie steht es denn eigentlich mit Gott, Frau Pahlmann? „Ich habe eine kirchliche Einstellung. Ich glaube an eine höhere Macht, für mich ist das der Gott der christlichen Kirche“, erläutert sie. „Die Regeln der Kirche machen das zwischenmenschliche Leben einfacher, meine ich: Rücksichtnahme, das Geltenlassen anderer Meinungen. Ich gehe gerne in den Gottesdienst, wenn die Predigten Spaß machen.“ Der Glaube habe aber nie Einfluss auf ihre politische Arbeit gehabt, Fanatismus gehe zu weit. „Bei der Hospizarbeit achten wir darauf, dass keine religiösen Eiferer in unsere Reihen kommen.“ Ingrid Pahlmann findet: Jeder habe seinen Glauben – oder eben auch nicht. „Da bin ich offen.“
Tiefe Verbundenheit spürt sie auch, wenn sie an Gifhorn denkt, an Wilsche, an die Region. „Ich bin stolz auf Gifhorn, es hat sich super entwickelt. Tolle Stadthalle, ein tolles Schwimmbad, wenn man sieht, wie grün Gifhorn ist, ein großes Angebot an Vereinen, alle Kinder bekommen einen Kindergartenplatz – das ist doch lebenswert“, zählt Ingrid Pahlmann auf. „Gifhorn hat einen unendlichen Charme.“
Umso mehr wiegt da wohl die Freude über den Gifhorner Hut, mit dem sie jetzt ausgezeichnet wurde – der Wittinger Heimatforscher Kurt-Ulrich Blomberg, der den Hut im Vorjahr bekam, hielt die Laudatio. „Es ist eine besondere Ehre. Eine Tradition, die sich lohnt weiterzuführen. Auch hier sehe ich spannende Menschen, die neue Impulse setzen“, berichtet Ingrid Pahlmann. Und das ist dann wohl der Grund, weshalb sie so heimatverbunden ist: Die nie endende Begeisterung für unser Gifhorn und die immerwährende Neugier.