Musik
Was im Flax begann, feiert Wiederauferstehung: Die Punkband E-Egal mit Gifhorner Wurzeln erobert mit neuem Bock die Bühne
Matthias Bosenick Veröffentlicht am 11.10.2025
Aus dem städtischen Park auf die Bühne, in die Schaffenspause und zurück auf die Bühne: Die Band E-Egal feierte vor Kurzem ihre Auferstehung.
Foto: Privat
Alles begann vor 20 Jahren im Park. Aus der Spaßaktion, zu zweit in kommunalen Grünanlagen zu musizieren, wurde schnell ein Quartett, das sich auf Straßenmusik verlegte, und kurz darauf die Band wie man sie heute kennt: das Quintett E-Egal, das nach eigener Angabe depressiven Funpunk macht. In den zurückliegenden zehn Jahren wurde es allerdings ruhig um die Band mit starken Gifhorner Wurzeln – bis ein Auftrittsangebot von Freunden die Fünf wieder zusammenbrachte. Der in Bremen lebende Sänger Nils Bauer, gebürtiger Gifhorner, erzählt von wilden Konzerten, Straßengigs in der Schweiz und der Zukunft der Band – welche die Musiker vielleicht mit etwas Glück auch wieder nach Gifhorn zurückführen könnte.
Die Auferstehung von E-Egal ist keine Reunion. „All die Jahre haben wir uns nicht aufgelöst“, betont Nils Bauer und setzt nach: „Aus Faulheit.“ Zu dieser Auferstehung nun kam es in Meuchefitz im Landkreis Lüchow-Dannenberg. Der dortige Gasthof beging Ende August seinen 45. Geburtstag – was auch der Grund war, warum die eigentliche Einladung kurz vorher abgesagt wurde. Denn das Kulturzentrum Raum2 im wenige Kilometer weiter gelegenen Neu Tramm, mit E-Egal seit diversen Aktionen zu Castor-Transporten eng befreundet, hatte die Band exklusiv für die Feiern zu seinem 25. Geburtstag zur Zusammenkunft aufgerufen, doch aus heiterem Himmel das ganze Event abgesagt, als ihm der Paralleltermin in Meuchefitz klarwurde. Da standen E-Egal schon in den Startlöchern. Doch Glück im Unglück: Als Nils als Solo-Musiker Plautzenotto kurz darauf im benachbarten Kreis Salzwedel auftrat und jemandem aus Meuchefitz die Geschichte erzählte, schlug der kurzerhand vor: „Spielt doch bei uns!“ Und so kam es: E-Egal wieder zusammen auf der Bühne. „Es hat allen Beteiligten Spaß gemacht“, erzählt Nils, und noch viel besser: „Es fühlte sich gut an.“
Für E-Egal selbst ist es der ungefähr 20. Geburtstag. Ungefähr, weil die Anfänge irgendwo im Jahre 2004 liegen, als Nils mit Jensen alias Jens Topp an der Abendschule in Braunschweig den Realschulabschluss machte. „Da haben wir uns kennengelernt“, beginnt Nils. „Wir waren im Park, er am Akustikbass, ich habe dazu gesungen – das war der Ursprung von E-Egal.“ Über Jensen kam bald Paul Schuchardt dazu, bis heute der Gitarrist, sowie nach einiger Zeit Rüdiger Brede als Percussionist.
In dieser Besetzung ging es bereits raus aus dem Park, aber noch nicht auf Bühnen. „Wir waren am Anfang mehr auf Straßenmusik ausgelegt“, berichtet Nils. Die Band reiste mit diesem Vorhaben für gut 20 Tage in die Schweiz. Den Anlass dafür bezeichnet Nils grinsend als „hippiemäßig“, denn Jensen hatte auf La Gomera Kontakte zu Eidgenossen geknüpft, die die Band zu sich einluden. „Da sind wir hin, sind bei denen untergekommen, haben im Garten gezeltet, uns ein Auto geliehen und die Städte abgeklappert – und das auch schon als E-Egal.“
Nils Bauer ist der geborene Frontmann: charismatisch, humorvoll, raketenhaft. So ist er bei E-Egal nicht wegzudenken.
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Die Reise in die Schweiz brachte allerdings ein erstes Opfer mit sich: Der Percussionist Rüdiger verließ die Band hinterher. Für die nun aber feststand, dass sie auf einen Taktgeber nicht mehr verzichten wollte. Jemand namens Natias – der Klarname lässt sich nicht mehr rekonstruieren – brachte nun also das Schlagzeug mit. Mit diesem Zuwachs trat die nächste entscheidende Veränderung ein: „Ab da haben wir verstärkt gespielt.“ Weg von akustischer Musik, hin zur Stromgitarre. Auch Gründungsbassist Jensen musste bald die Segel streichen, für ihn fanden sich einige Nachfolger, darunter Henning Isensee und – ebenfalls aus Gifhorn – Bernward Schönteich, bis 2010 mit Daniel Wischnewksi der bis heute treue Bassist einstieg. Auch Natias hatte da seinen Spind längst geräumt, für ihn war der ebenfalls immer noch aktuelle Kristoffer Klement nachgerückt, noch ein Gifhorner. Außerdem fanden E-Egal mit Thomas Kleinert einen zweiten Gitarristen, abermals in Gifhorn.
Wir befinden uns jetzt ungefähr im Jahr 2006, das erste Demo-Tape mit den zwei Gitarristen sowie Eggi am Schlagzeug entstand. Moment, Eggi? Nils lacht und erklärt: „Kristoffer sah aus wie Kurt Cobain. Den haben wir immer Kört genannt, und einmal hat jemand über die Straße gerufen: Ey, Kört. Daraus wurde Eckhard, dann Eggi.“
Jedenfalls etablierte sich bei E-Egal als bevorzugte Musikrichtung ein Deutschpunk mit Ska-Elementen. „Ska, ich glaube, das kam auch aus unseren Ursprüngen“, sinniert Nils. „Straßenmusik funktioniert unglaublich gut mit Offbeat, auch mit akustischer Musik funktioniert das am besten“, erklärt er. „Ansonsten sind wir im Punk verhaftet. Das alles haben wir dann zusammengetragen.“ Bis 2015 nahmen E-Egal vier Alben auf: „Never Mind The Arbeitsamt... Here Is Fuckin‘ E-Egal“, „Mich peitscht der Ekel“, „Ich hab noch Licht gesehn“ und „Ich hätt gern Pommes zu der Wahrheit“, letzteres sogar auf Vinyl. Alle vier gibt es übrigens immer noch digital zu hören.
Und doch sollte die Schallplatte die Ruhephase einläuten. „Da war ein bisschen der Lack ab“, bedauert Nils. „Wir haben eine Release-Tour gemacht und ab da nur noch ganz sporadisch gespielt.“ Zudem wohnten alle fünf inzwischen in verschiedenen Städten, was das gemeinsame Proben erschwerte. „Und jeder hatte irgendwelche Verpflichtungen, Kinder oder andere Projekte“, erzählt Nils. Entsprechend schwierig gestaltet es sich auch jetzt, wieder zusammenzukommen, übrigens nach wie vor im Übungsraum im Nexus in Braunschweig. „Daniel sagt, er habe acht Jahre den Bass nicht angefasst“, verdeutlicht Nils, ist aber gleichzeitig nach ersten gemeinsamen Sessions zuversichtlich: „Es funktioniert noch!“
Da wären wir dann bei den anderen Projekten: Nils selbst tritt als Plautzenotto in Erscheinung und hob zudem das Label Tutti Frutti Igitt Records aus der Taufe. Daniel verbringt seine Zeit mit Tontechnik. Thomas betreibt mit seinem Zwillingsbruder Timo das international renommierte Duo Kackschlacht, von dem dieser Tage neue Musik ins Haus steht. Ebenso von Lisa Bouvier, der Band, bei der Kristoffer trommelt. Paul spielt bei der Band Karl Heinz. Aber nun kommt ja bei allen E-Egal wieder auf die Agenda, nach diesem Live-Auftakt. „Wir haben Bock, in Zukunft ein paar Konzerte zu spielen“, stellt Nils in Aussicht.
Und live gibt‘s mit E-Egal immer haarsträubende Erlebnisse. „Eines unserer ersten Konzerte haben wir im Flax organisiert“, beginnt Nils. „Das war ein ganz wildes Konzert, weil so viele Menschen da waren wie früher Silvester im Flax auf dem Schillerplatz – es war proppevoll.“ Was auch an der guten Werbung lag, die die Band – unter Beteiligung des heutigen KURT-Herausgebers – bis in die ganzen Dörfer im Umkreis verteilt hatte. Als Support buchten E-Egal die Ska-Band Employee Of The Month, nahmen nur wenig Eintritt und erhielten nach dem Gig die dringende Aufforderung, so etwas um Gottes Willen bitte immer wieder zu machen. Was auch erfolgte: „Wir haben da einige Flax-Konzerte gegeben, auch mal mit Ronny Mono.“
Wer E-Egal verstehen möchte, der sollte den „depressiven Funpunk“ unbedingt live erleben. Legendär ist ihr Auftritt 2008 beim Castor-Transport der Atommüllzüge kurz vor Gorleben.
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Für die Flax-Zentrierung gab es einen handfesten Grund, wie Nils erklärt: „Da ich aus Gifhorn komme, waren die Konzerte entweder in Gifhorn oder in Braunschweig, im Nexus oder auch im FBZ Grille.“ Er grinst: „Wir haben bei allen Konzerten irgendwelche Anekdoten, von Volltrunkenheit bis keine Ahnung.“ Etwa die Geschichte, als ausgerechnet Paul, der Ruhigste der Band, während eines Auftritts aus heiterem Himmel die Contenance verlor und ein Schlagzeug demolierte. „Es gehörte der anderen Band“, bedauert Nils. „Die war nicht so begeistert.“ Oder auch: „Wir haben in Strausberg gespielt, mit dem Rock Steady Orchestra und Feine Sahne Fischfilet, da waren die noch gar nicht bekannt“, erzählt Nils von einer Anekdote aus Brandenburg. Als das Konzert vorbei war, stürmten E-Egal die Bühne: „Jeder hat sich ein Instrument gegriffen, das er gar nicht beherrscht, und hat Krach gemacht – bis alle rausgegangen sind.“ Die genannten Bands inbegriffen.
Auch aus Meuchefitz und Neu Tramm gibt es hinreichend zu berichten. „Im Raum2 gab es mal ein Konzert von uns, und als wir an der Reihe waren, war ich betrunken“, beginnt Nils. „Ich habe zweieinhalb Lieder durchgehalten.“ Zu einem Song sang er den Text von einem anderen, dann „bin ich einfach von der Bühne gegangen und habe mich in den Backstage verdrückt – da stand die Band da ohne Sänger“. Doch Glück im Unglück: „Der Mischer kannte unsere Lieder, der hat meinen Part übernommen und vom Mischpult aus meine Sachen gesungen.“ Bis zum letzten Song „Game Over Boy“, „was thematisch passt“, wie Nils feststellt, „da soll ich wieder auf die Bühne gekommen und gleich wieder verschwunden sein“. Er lacht: „Das sah so aus wie geplant, war es aber nicht.“
Dafür war der Gig in Meuchefitz ja so etwas in der Art wie geplant. Und setzte den Grundstein für mehr: „Zwei bis drei Konzerte im Jahr sollten schon drin sein“, lässt Nils wissen. „Zum Beispiel auf dem Nexus-Sommerfest in Braunschweig, vielleicht auch wieder in Gifhorn – mal gucken.“