Geschichte
Weiße Bettlaken, brennende Akten: Acht Todesfälle sind in den Sterbebüchern der Stadt für den 11. April 1945 dokumentiert
Redaktion Veröffentlicht am 23.05.2025
Der Grabstein von Adolf Stöckmann steht auf dem Evangelischen Friedhof in Gifhorn. Der 14-Jährige starb am 11. April 1945.
Foto: Heike Klaus-Nelles/Stadtarchiv Gifhorn
Am 9./10. April 1945 erreichten die US-Truppen den Landkreis Gifhorn. Nach dem Frühzug nach Celle ruhte der gesamte Zugverkehr zwischen Celle und Gifhorn ab dem 9. April. Einen Tag später verbrannte die Parteidienststelle auf dem Gifhorner Rathaushof ihre Akten und die Hitler-Jugend vergrub Büromaterial neben ihrer Bürobaracke. Der Gifhorner NSDAP-Kreisleiter Ernst Lütge setzte sich nach Norden ab.
Am 11. April rückten die amerikanischen Truppen in Gifhorn ein. Die Bewohner warteten in ihren Häusern oder saßen in ihren Kellern, an Fenstern waren weiße Bettlaken als Zeichen der Kapitulation angebracht. US-Soldaten durchsuchten die Häuser nach Soldaten und Waffen. Schloss und Rathaus wurden besetzt, die amerikanische Flagge wurde gehisst, das Gifhorner Postamt gegen 9 Uhr besetzt. Die Ausgehzeit der Einwohnerinnen und Einwohner wurde auf 9 bis 12 Uhr beschränkt.
Todesopfer am 11. April 1945
Die Einnahme der Stadt erfolgte fast kampflos, dennoch starben an diesem Tag mehrere Menschen. In den Sterbebüchern der Stadt Gifhorn und der Gemeinde Gamsen sowie im Kirchenbuch der St. Nicolai-Kirche sind unter dem Datum 11. April 1945 insgesamt acht Todesfälle in Zusammenhang mit dem Einmarsch der Alliierten dokumentiert.
Am Bahnübergang an der Braunschweiger Straße wurde der Landwirt Wilhelm Wolter von einem US-Major in Selbstjustiz hingerichtet.
Der Feldwebel Jakob Wolf wurde gegen 7.30 Uhr am Heidesee erschossen. Er wurde nur 27 Jahre alt.
Der Kaufmann Karl Hülsmeyer aus Gamsen wollte mit dem Fahrrad fliehen und wurde von den Amerikanern am Cardenap erschossen.
Der 14-jährige Lehrling Adolf Stöckmann wurde in der Nähe der Cardenapsmühle erschossen. Die Amerikaner hielten ihn für einen flüchtenden Soldaten. Zeitzeuge Dietrich Jocubeit schilderte in Band 11 der von Heinz Gabriel und Günter Dröge herausgegebenen „Gifhorner Ansichten“ seine Erinnerungen an diesen Tag: „Es war geplant, dass mein Vater Hans Jocubeit seinen damals in der Lehre gewesenen Adolf nach Hause (Anm.: Wittingen) begleitet. Am 10. April 1945 wurden in der Südstadt aus dem Lager der Wehrmacht Kleider verschenkt. Hier bekam Adolf eine Fliegerjacke. Diese zog er am 11. April auch an. Mein Vater und Adolf fuhren schon früh am Morgen mit ihren Rädern und Anhänger in Richtung Wittingen. Gekommen sind sie aber nur bis zur Cardenapsmühle, da auf der Lüneburger Straße die ersten Panzer zu sehen waren. Plötzlich, so sagte mein Vater, lief Adolf in Richtung Thielemannsches Haus (heute: Am Schlossgarten). Es folgten Schüsse, die unseren Adolf trafen.“
Am selben Tag besetzten die Amerikaner Kästorf und Gamsen, einen Tag später folgte Wilsche. Auch bei der Besetzung von Gamsen und Kästorf gab es Todesopfer.
In Gamsen wurde Frau Metz (Vorname nicht vermerkt) am Dragen erschossen. Sie versuchte von Gifhorn kommend vor den Amerikanern zu fliehen, man hielt sie wohl für eine feindliche Person.
In Kästorf kamen der Leutnant Alfons Zückert und der Obergefreite Rudolf Hans Dehnst ums Leben. Sie wollten an einer Panzersperre mit Panzerfäusten den Vormarsch der US-Amerikaner aufhalten, dabei wurden sie von einer Panzerbesatzung erschossen. Als Todesursache ist im Sterbebuch „Gefallen im Gefecht“ beziehungsweise „An den Folgen einer Kampfhandlung verstorben“ vermerkt.
Beim Beschuss eines deutschen Wehrmachtsautos aus Richtung Uelzen kommend kamen zwei Wehrmachtssoldaten ums Leben, darunter der 22-jährige Anatol Leutloff aus Lübeck.
Dieser Bericht und die Chronik sind Teil der Ausstellung „80 Jahre Kriegsende in Gifhorn“:
Noch bis 13. Juni
Dienstags bis freitags von 10 bis 18 Uhr
Samstags von 10 bis 13 Uhr
Lesesaal der Stadtbücherei, Cardenap 1, Gifhorn