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Ich hatte schon immer weibliche Vorbilder: Der Brechtorfer Nic Salo macht Deutsch-Pop auch mit queeren Themen

Matthias Bosenick Veröffentlicht am 04.04.2024
Ich hatte schon immer weibliche Vorbilder: Der Brechtorfer Nic Salo macht Deutsch-Pop auch mit queeren Themen

Deutsch-Pop aus dem Osten des Landkreises: Der Brechtorfer Nic Salo produziert seine Songs selbst und fungiert auch als Sänger auf seinen Songs.

Foto: Katy Brand

„Licht aus“ lautet der Titel der nächsten Single des Deutsch-Pop-Künstlers Nic Salo, dabei geht für den vor 27 Jahren als Nicolas Domogalla geborenen Brechtorfer das Licht gerade erst so richtig an: Ausgelöst von seinem Studium zum Tontechniker, gründete er sein eigenes Label Boxhall, rief einen YouTube-Kanal und den Podcast „Laberinth“ ins Leben, begann, für sich selbst und für regionale Musiker Songs und Videos zu produzieren, und steht jetzt mit dem Wunsch parat, seine Lieder auch live umzusetzen. Bei aller Radio- oder Partytauglichkeit soll sein Pop auch polarisieren: „Ich haue gern meine Meinung raus.“ Etwa über seine Erfahrung, als queerer Mensch gemobbt zu werden, und warum er die gegenwärtigen Anti-AfD-Demos für so wichtig hält.

Eigentlich liegt der Startschuss für Nics Umtriebigkeit in seinem Studium zum Audio Engineer, das er vor einigen Jahren am SAE Institut in Hannover absolvierte. Doch setzte das ja nur auf einer alten Tatsache auf. „Ich habe mein Leben lang gern gesungen“, lacht er. Und trotzdem musste erst ein Dozent in ihm den Funken zünden, der ihn dorthin brachte, wo er jetzt steht: Gemeinsam produzierten sie nämlich eine Cover-Version des Hits „Blinding Lights“ von The Weeknd und veröffentlichten sie auf YouTube. „Es gab ein gutes Feedback“, berichtet Nic, „da habe ich gesagt: Das mache ich auch.“ Und genau so kam es 2020: Boxhall Audio- und Medienproduktion war aus der Taufe gehoben.

Zunächst konzentrierte sich Nic auf seinem YouTube-Kanal darauf, Coverversionen und eigene Sessions hochzuladen, die im Verbund mit unzähligen Musizierenden und an wechselnden Locations rund um Wolfsburg entstanden. „Ich arbeite supergern mit regionalen Künstlern zusammen“, betont er. Seine Region umfasst Wolfsburg, Braunschweig, Hannover und Magdeburg, unter den Künstlern sind Brandy Krause, Bianca Tordino, Colored Surge, Melli Loba, Laura Nahr, Laura Kensy, Es Bedarf An Helden oder Maniax, um nur wenige zu nennen. Marina Tartarini, Teilnehmerin an der brasilianischen TV-Casting-Show „The Voice“, hatte aus ihrem Heimatland noch den weitesten Weg. Nic sagt: „Ich finde, dass Wolfsburg und Gifhorn unterrepräsentiert sind – man verbindet sie nicht mit Musik.“ Und das wolle er eben ändern.

In diesen Coverversionen legte Nic zudem schon einen weiteren Aspekt an, der ihm wichtig ist: Die Originale stammen aus verschiedenen Genres. Bis hin zum morbiden Indie-Rock: „Where The Wild Roses Grow“ von Nick Cave And The Bad Seeds im Duett mit Kylie Minogue findet sich darunter. Allerdings mit einem bewussten Kniff: Nic und seine Duett-Partnerin Carolin Eistet-
ter vertauschten die Rollen des Originals. Dieser Clip unterstreicht zudem einen dritten für Nic wichtigen Aspekt: „Ich wollte zeigen, dass ich auch mit Instrumentalisten zusammenarbeite.“ Hier mit seinem Gitarre spielenden Dozenten Guitar Niss und der Geigerin Ceyda Irem. Bereits an seiner ersten eigenen Single, dem unter dem Alias Klanginstanz veröffentlichten Song „Monster in Dir“, war sein Bruder als Gitarrist beteiligt.

Boxhall vollführte mit der Zeit eine inhaltliche Wandlung. „Ursprünglich sollte es nur mein Portfolio darstellen – mich gibt es und ich produziere“, stellt Nic fest. „Heute ist es: Mich gibt es und ich singe.“ Aus dem vergangenen Jahr etwa liegt eine mit dem befreundeten Beatbastler Derlieder erstellte Single-Trilogie vor, bestehend aus den Songs „Geil!“, „Auf Laut“ und „Umlaufbahn“. Dazu kam das Weihnachtslied „Another Christmas Song“. „Die drei Singles sind partytauglich“, beschreibt Nic sie als tanzmäßige Popsongs. Ist „Geil!“ dabei noch ein lupenreiner Party-Song, wagt „Auf Laut“ schon den Blick hinter die Fassade, denn darin geht es darum, seinen Problemen auch mal damit zu begegnen, dass man Musik eben auf laut dreht.

In „Umlaufbahn“ geht es um Erfahrungen im queeren Online-Dating. Dabei sei er „seit neun Jahren mit meinem Partner zusammen“. Bevor sich Nic geoutet hatte, sei es schwierig gewesen, im echten Leben einen Partner zu finden: „Da war Online-Dating wichtig“ – da gab es dann auch keine Missverständnisse. „Meinen Freund habe ich aber in echt kennengelernt.“ Doch er weiß von der bisweilen großen Kluft zwischen dem Bild, das der Suchtreffer von sich vermittelt, dem Bild, was man sich selbst von ihm macht, und dem Bild, was er in Natura abgibt: „Aussehen und Charakter sind ganz anders.“ Den Partner im echten Leben kennenzulernen, findet Nic daher besser, doch: „Ich verstehe, dass das nicht jeder kann.“

Die nächsten drei Singles hat Nic bereits in Planung. „Licht aus“, das er mit Joe Hannsen aus Braunschweig produziert hat, „ist ein EDM-Song über Fake-Freundschaften“, verrät er. EDM ist kurz für Electronic Dance Music: Man wird zu Nics Klage über vermeintliche neue Freunde, die einen hängenlassen, wenn man sie wirklich braucht, oder sich in Konflikten plötzlich unsozial verhalten, dancen können. Seine Klage formuliert Nic außerdem im Sprechgesang: „Es wird tanzbar mit Rap, es wird Pop mit Hip Hop.“ Die Veröffentlichung mit Musikvideo ist für April oder Mai vorgesehen.

Komm, da geht noch mehr: Im Musikvideo zu „Auf Laut“ zeigt der Brechtorfer Nic Salo, dass man Musik manchmal ganz laut hören muss, um das volle Potential auszuschöpfen.

Foto: Katy Brand

Für zwei weitere Songs bastelte Nic selbst die Beats. „Ich verarbeite darin meine Vergangenheit“, sagt er. Das umfasst „spaßige und traurige Sachen, die nicht nur die Party, sondern das ganze Leben abdecken“, umreißt er grob. Und gewährt damit nebenbei einen Einblick in seine Arbeitsweise, denn seine Rhythmen erstellt er nicht immer selbst: „Ich habe zum Glück viele Freunde, die Beats machen.“ Sobald ihm etwas gefällt, strickt er seinen Text drumherum. Ganz gegenteilig läuft es bei seinen eigenen Kompositionen, da sind immer die Texte die Ausgangsbasis, um die er am MIDI-Keyboard die Songs komponiert: „Ich habe eine Melodie im Kopf, die spiele ich ein und bearbeite sie mit einem Programm.“ Zuletzt programmiert er die Drums dazu. So richtig der Instrumentalist ist Nic nämlich eigentlich gar nicht: „Ich habe immer gesungen, nie ein Instrument gespielt.“

Aber nicht nur neue Songs stehen auf Nics Agenda: „Ich plane Live-Auftritte – das war bislang nicht so mein großes Ding.“ Zwar nicht mit Band, sondern mit Musik vom Band, aber mit echter Backgroundsängerin, das ist seine Vorstellung. Den ersten Auftritt hatte Nic in Rühen im Rahmen des Lebendigen Adventskalenders: „Vor Publikum aufzutreten ist cool, man hat direkte Resonanz.“

Danach fiel es ihm leichter, sich bei einem Casting für die UFA-Talentbase in der Wolfsburger City-Galerie anzumelden, bei dem potentielle Teilnehmer für TV-Talentshows erfasst werden. „So etwas habe ich schon immer gern geguckt“, sagt Nic. Der Moderator fragte, wer singen wolle: „Ich habe mich gemeldet, und er sagt: Du bist der Erste!“, erzählt Nic. Der war darauf gar nicht vorbereitet und hatte die Tonspuren seiner Songs daher auch nicht dabei. Also entschied er sich für Cover-Songs. „Die ganze City-Galerie guckt zu, wie man singt und bewertet wird“, sagt Nic ehrfürchtig.
Direkt um die Teilnahme an einer konkreten Sendung sei es nicht gegangen, aber: „Ich bin in einer Kartei gelandet“, freut er sich. „Ich bin mächtig stolz“, sagt er, denn Bühnenerfahrung hatte er ja noch nicht hinreichend. Dafür aber den Mut! Gegen die Teilnahme an einer Show hätte er nichts einzuwenden: „Ich wäre offen dafür, wenn etwas kommt – vielleicht ist das eine Chance.“

Dann könnte Nic mit seinem Deutsch-Pop einen größeren Bekanntheitsgrad erreichen. Da er gern mit seinen Songs polarisiert, verneigt er sich auch vor solchen Genre-Vorbildern, die ihrerseits polarisieren. Und die sind vornehmlich weiblich. Früher begeisterte er sich etwa für LaFee: „Die hat Schimpfwörter in ihren Songs benutzt – das fand ich cool, dass sie die rausgehauen hat, würde es aber selbst nicht machen.“ Außerdem nennt er Luxuslärm, die alten Sachen von Nena oder aktuell Katja Krasavice. „Ich hatte schon immer meist weibliche Vorbilder. Ich mag, wofür sie einstehen“, sinniert Nic. Und zieht noch eine andere Schlussfolgerung: „Ich kann hoch singen – ich habe ja auch nur Frauen gehört.“ Obschon er Songs in tieferer Stimmlage ebenfalls veröffentlichte, etwa seine Single „Phönix“: „Die Leute sagen, die klingt wie Unheilig – das war gar nicht so geplant.“

Etwas, das Nic im Zusammenhang mit seinen Texten – auch in Bezug auf seinen Audio-Podcast – immer wieder erwähnt, ist, dass sie „persönliche Themen“ beinhalten. „Ich habe Mobbing erlebt, gerade als Kind“, erläutert er. „Jetzt ist es aufgelockerter“, stellt er erleichtert fest, und gibt exemplarisch zu bedenken: „Vor zehn Jahren durften homosexuelle Paare noch nicht heiraten.“

Mit 16, 17 Jahren outete er sich. „Ich habe mich vorher nicht wohlgefühlt, ich wollte mich freimachen“, erzählt er. „Es war ein Thema, das mich belastet hat.“ Danach hatte das Verstecken ein Ende. Umso erschreckender findet er daher die zurzeit wieder aufkommende Queer-Feindlichkeit: „Jetzt mit der AfD mache ich mir Sorgen.“ Diese Sorge machte er längst auch öffentlich: „Ich bin auf den Anti-AfD-Demos und poste in Social Media: Ich bin gegen Rechts!“ Ebenso möchte er auch unbehelligt zeigen können, dass er schwul ist: „Ich traue mich, und privat weiß essowieso jeder.“

Obwohl für Nic die Kindheit aufgrund von Mobbing nicht immer einfach war, denkt er gern an seine Zeit in Brechtorf zurück. „Ich bin da 20 Jahre aufgewachsen“, erzählt er. Im Video zu „Umlaufbahn“ kommt sein Heimatdorf zentral vor, und zwar „wo ich als Kind gerne war, in der Natur“. Dahin zieht es ihn immer noch, auch an seinem neuen Wohnort, der gar nicht so weit weg gelegen ist, nämlich in Vorsfelde, mit dem Rücken zum Drömling. „In Vorsfelde bin ich schon in die Realschule gegangen, das hat mir gut gefallen“, sagt er. Er mag das Naturbelassene am Drömling: „Ich gehe da gern spazieren, am Kanal.“ Sofern er nicht in seinem Studio sitzt und an neuen Songs bastelt.

Instagram: @nic_salo_music sowie @boxhall_music
YouTube: @nicsalo_music sowie @boxhall_audio
boxhall-audio.com


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