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Extremismus, Kinderpornos, Rassismus – EU-Abgeordnete Lena Düpont hakt bei Gifhorns Polizei nach

Marieke Eichner Veröffentlicht am 20.07.2020
Extremismus, Kinderpornos, Rassismus – EU-Abgeordnete Lena Düpont hakt bei Gifhorns Polizei nach

Gifhorns Polizeichef Thomas Bodendiek (rechts) erläutert vor versammelter Mannschaft die aktuelle Lage in unserem Landkreis – die Gifhorner EU-Abgeordnete Lena Düpont (2. von rechts) folgt interessiert.

Foto: Çağla Canıdar

Wie steht es um den politischen Extremismus in unserem beschaulichen Gifhorn? Gibt es auch bei uns Fälle von Kinderpornografie? Und wie sieht die Präventionsarbeit der Gifhorner Polizei aus? Das hat sich die Gifhorner Abgeordnete im Europäischen Parlament Lena Düpont (CDU) auch gefragt – bei ihrem Besuch der Polizeiinspektion Gifhorn am heutigen Montag gaben Polizeichef Thomas Bodendiek und seine Mannschaft Auskunft. Angesichts der aktuellen „Black-Lives-Matter“-Bewegung in den USA und auch Vorwürfen gegen deutsche Polizisten ging’s dabei auch um Rassismus.

Die Debatte über strukturellen Rassismus in Deutschland geht auch an der Gifhorner Polizei nicht vorüber. Diesen Schuh will sich Thomas Bodendiek, Leiter der Polizeiinspektion Gifhorn, jedoch nicht anziehen. „Wir sind aufrechte Demokraten, wir sprechen Dinge an. Für uns ist dieser Vorwurf nicht zutreffend“, betont er. Die Art und Weise der Diskussion finde er, darüber hinaus, irritierend.

Lena Düpont stimmt zu und verweist auf die völlig anders organsierten Polizeistrukturen in den USA. Rassismus gebe es in Deutschland „in der Gesamtgesellschaft – und damit auch in bürokratischen Strukturen“. Und mit Blick auf Polizeiausbildung und Waffengesetze konstatiert Thomas Bodendiek: „Das ist rübergeschwappt – aber nicht vergleichbar.“

Ortstermin bei der Gifhorner Polizeiinspektion: Polizeichef Thomas Bodendiek (von links), Alexandra Wölk aus dem Einsatz- und Streifendienst, EU-Abgeordnete Lena Düpont, Kripo-Chefin Christin Bartels und Christian Engel, Leiter des Einsatz- und Streifendienstes.

Foto: Çağla Canıdar

Nachdem in den vergangenen Wochen Strukturen organisierter Kinderpornografie aufflogen, ist dieses Thema im öffentlichen Diskurs ebenso präsent – auch in Gifhorn. „Die Menge an Datenvolumen potenziert sich“, berichtet Kripo-Chefin Christin Bartels. „Durch das Internet ist es einfacher geworden, an solche Dateien heranzukommen.“ Die Polizei mache Fortschritte im Bereich der künstlichen Intelligenz, aber man benötige trotzdem Menschen, die bereit seien, sich das Material anzuschauen – und das ist „psychisch extrem belastend“.

Polizeichef Bodendiek stellt klar: „Es ist das abscheulichste, was man als Aufgabe bekommen kann.“

Gibt es denn solche Fälle auch in Gifhorn? Christin Bartels bejaht: „Derzeit haben wir in Gifhorn fünf bis sieben Kollegen, die auch derartige Fälle bearbeiten.“ Es gehe dabei um Dateien, die örtlich aus Gifhorn kämen, um Menschen, die hier ansässig seien. Laut der Gifhorner Kripo-Chefin brauche es eine Gesetzesinitiative, die es ermögliche, früher Beweise zu sichern – durch Vorratsdatenspeicherung und Online-Durchsuchungen.

Da stimmt die EU-Abgeordnete Düpont zu: „Bei dem Thema gibt es Bewegung auf europäischer Ebene. Wir könnten deutlich intensiver Kinder schützen und identifizieren“ – etwa mit europaweiter Vorratsdatenspeicherung. Und weiter: „Ja, Grundwerte müssen untereinander abgewogen werden – aber der Kinderschutz sollte dem vorstehen.“ Die Kinder könnten Grenzüberschreitungen häufig nicht selbst artikulieren – gerade deshalb sei auch die Prävention so wichtig.

Christin Bartels (links) berichtete über den Umgang mit kinderpornografischem Beweismaterial.

Foto: Çağla Canıdar

Das ist das Stichwort für Polizeioberkommissar Klaus Ahne, Mitglied im Präventionsteam: „Landesweite Konzepte zur Bekämpfung von Kinderpornografie gibt es leider nicht – aber wir in Gifhorn sind gut aufgestellt.“ Seine Kollegin Liane Jäger beginnt schon in dritten und vierten Klassen mit der Aufklärung. Dabei geht es dann nicht nur um Kinderpornografie, auch über das Cyber-Grooming (sexuelle Belästigung via Internet mit dem Ziel des sexuellen Missbrauchs), Sexting (Verschicken sexualisierter Nachrichten) und Cyber-Mobbing (Verleumdung, Belästigung, Bedrängung, Nötigung via Internet) wird informiert.

„Wir haben uns über die Jahre ein Netzwerk aufgebaut“, berichtet Klaus Ahne von Kontakten zu Sportvereinen, Schulen und religiösen Institutionen. „Ein Netzwerk mit vielen, vielen Akteuren, die auch die Kinder schützen.“

Mit Blick auf die sogenannten Hygiene-Demos, bei denen auch antisemitistische Parolen und Bilder öffentlich wurden, zeigte sich Lena Düpont besorgt über das gesamtgesellschaftliche Klima. „Mir machen die nächsten Wochen und Monate Sorgen“, gibt sie zu.

Auch im Landkreis Gifhorn gebe es große Demonstrationen, wenn auch zu anderen Themen, verweist Thomas Bodendiek auf die jüngste Motorrad-Demo – die friedlich verlief und zu der rund 1000 Biker kamen. „Wir haben die Aufgabe, dafür zu sorgen, dass jeder zu seinem Recht kommt“, erklärt der Gifhorner Polizei-Chef. „Die Corona-Regeln wurden nicht zu 100 Prozent eingehalten – in der Bewertung haben wir es aber so laufen lassen.“

Lena Düpont informierte sich bei Gifhorns Polizei über politischen Extremismus, Kinderpornografie und Rassismus im Landkreis Gifhorn.

Foto: Çağla Canıdar

Beim Thema Extremismus kann Peter Maschur – als Leiter des Fachkommissariats 4 zuständig für Staatsschutzangelegenheiten – eine sachte Entwarnung geben: „Wir können uns in Gifhorn als recht ländlicher Bereich momentan sehr glücklich schätzen.“ Keine Auseinandersetzungen zwischen Antifa und Studentenverbindungen und „eine überschaubare Gruppierung von Rechten“, die „motivationsbedingt und durch persönliche Umstände“ nicht mehr in Erscheinung treten.

Bei der politisch extremistischen Gewalt sei aufgrund von Corona sogar ein Rückgang zu verzeichnen: „Es ist weniger Alkohol geflossen und die Leute sind ruhiger geworden“, erklärt Gifhorns oberster Staatsschützer. Aber: „Vor allem die Rassismusdiskussion ist instrumentalisiert worden. Gewisse Interessensgemeinschaften stülpen dieses Thema über die Polizei“, so Peter Maschur. Das gesamte aktuelle Demonstrationsgeschehen sieht er kritisch und prognostiziert: „Die Polizei wird es härter treffen.“

Lena Düpont bot Unterstützung für die Polizei an – doch Thomas Bodendiek kann entwarnen: Ausreichend Personal sei vorhanden.

Foto: Çağla Canıdar

Thomas Bodendiek gibt mit Blick auf die jüngsten Ausschreitungen in Frankfurt und Stuttgart zu: „Solche Lagen sind Neuland für uns.“ Welche Unterstützung er von der Politik bräuchte, fragt die Gifhorner EU-Abgeordnete Düpont nach. „Das hört sich komisch an, aber Sie können nicht helfen“, meint Thomas Bodendiek entschuldigend.

„Die Schwierigkeit besteht darin, auf Knopfdruck genug Leute zu haben. Die Ausrüstung ist da“, erklärt der Gifhorner Polizeichef. Ausreichend Polizeinachwuchs werde zurzeit ausgebildet – und „wenn es so weitergeht, wäre ich zufrieden“. Für mögliche Ausschreitungen in Gifhorn sagt er zu: „Es ist sichergestellt, dass genügend Kollegen da wären.“


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