KURT-Interview

99,9 Prozent aller Gifhorner beweisen Zusammenhalt - Bürgermeister Matthias Nerlich lobt Einsatz und Engagement im Interview

Malte Schönfeld Veröffentlicht am 27.12.2020
99,9 Prozent aller Gifhorner beweisen Zusammenhalt - Bürgermeister Matthias Nerlich lobt Einsatz und Engagement im Interview

Wie hat sich unser Gifhorn in der Corona-Pandemie verändert? Und was wird uns 2021 bringen? Diesen Fragen stellte sich Bürgermeister Matthias Nerlich im Interview. Hinweis: Das Foto entstand, als in Gifhorns Innenstadt keine Maskenpflicht galt.

Foto: Çağla Canıdar

Das Jahr ist dem Ende nah. Ein Jahr voller Anstrengungen, Veränderungen, noch mehr Sorgen und Hoffnungen. Gifhorns Bürgermeister Matthias Nerlich blickt im Interview mit KURT-Mitarbeiter Malte Schönfeld auf 2020 zurück. Welche Herausforderungen brachte die Corona-Pandemie mit sich, wie hat sich unsere Zickenstadt verändert? Was hat der Bürgermeister in dieser Zeit über sich selbst gelernt? Und vor allem: Welche Wünsche stehen ganz oben auf der Liste für das kommende Jahr 2021?

Es liegt ein hartes und anstrengendes Jahr hinter uns. Wem möchten Sie Ihren Dank aussprechen?

Einerseits sind es die Pflegekräfte und Ärzte oder die Beschäftigten im Einzelhandel, um nur einige zu nennen. Andererseits möchte ich allen Ehrenamtlichen danken, die sich unter diesen Bedingungen enorm kreativ verhalten haben. Viele neue Ideen wurden geboren, um das Vereinsleben aufrecht zu erhalten. In diesem Jahr hätte eigentlich die Ehrenamtsgala „Stunde der stillen Stars“ stattfinden sollen. Im kommenden Jahr werden wir sie auf zwei Tage verlängern. Den ersten Tag widmen wir den Ehrenamtlichen, am zweiten Tag stehen die im Mittelpunkt, die als Hauptamtliche Großes geleistet haben.

Waren die Corona-Pandemie und die zahlreichen politischen Maßnahmen Ihre größte Herausforderung als Bürgermeister?

Ja. Gegenüber Corona waren alle vorherigen Herausforderungen kaum der Rede wert. Es gab dafür ja kein Muster und keinen Plan. Deswegen bin ich meinen Kolleginnen und Kollegen im Rat und in der Verwaltung sehr dankbar, dass sie alles nötige verantwortungsbewusst zum Laufen gebracht haben. Schnell mussten Hilfsprogramme für Vereine, Geschäfte, Unternehmen und Menschen auf den Weg gebracht werden.

Oft wird die deutsche Verwaltung als steif und starr gescholten...

Das stimmt. Wir haben aber gerade im Frühjahr bewiesen, dass es anders geht. Um es mit den Worten unseres Gesundheitsministers Jens Spahn zu sagen: Wir müssen Entscheidungen treffen, um vorankommen zu können. Das haben wir in Gifhorn getan.

Sind Sie rückblickend betrachtet zufrieden damit, wie Gifhorn bisher mit Corona umgegangen ist?

Ich bin top zufrieden. 99,9 Prozent der Gifhornerinnen und Gifhorner verhalten sich super. Trotzdem – und das muss ich anfügen – erschreckt mich, welche Vergleiche eine kleine Minderheit in Bezug auf die Corona-Maßnahmen anstellt.

Sie spielen auf die sogenannte „Querdenker“-Bewegung und die Corona-Leugner an.

Wir haben in Gifhorn viel in Geschichtsprojekte investiert. Wenn sich Leute auf Demos mit Sophie Scholl – einem Opfer der Nationalsozialisten – vergleichen und der Meinung sind, wir würden in einer Diktatur leben, zeigt das, dass diese Projekte notwendig sind.

Was haben Sie – vielleicht auch persönlich – gelernt?

Ich habe gelernt, meine Zeit für mich sinnvoller zu nutzen. Wenn man nicht mehr wie gewohnt ausgehen oder Freunde treffen kann, beschäftigt man sich mehr mit sich selbst. In meinem Urlaub bin ich sonst immer gerne an die Ostsee gefahren. Diesmal habe ich viele Spaziergänge um den Tankumsee gemacht, habe ein Eis gegessen und bin Fahrrad gefahren. Ich habe viel gelesen, zum Beispiel das Buch von Peter Prange „Eine Familie in Deutschland“, eine spannende Familiensaga aus der Gründerzeit von VW. Ich denke, viele Menschen haben erkannt, dass die bedeutsamen und schönen Dinge auch unmittelbar um uns herum passieren. Und mir ist bewusst geworden, wie sehr wir doch aufeinander angewiesen sind, wie sehr wir vom Austausch miteinander, vom gegenseitigen Vertrauen leben.

Also können Sie dem Jahr auch etwas Positives abgewinnen?

Ich hatte Begegnungen mit Bürgerinnen und Bürgern, die sich für die Arbeit der Verwaltung bedankt haben. „Toll, wie Sie und Ihre Kolleginnen und Kollegen das machen!“, haben sie gesagt. Unsere Leistung stand in einem ganz neuen Licht und die Wertschätzung der Verwaltung hat uns sehr gestärkt. Zweitens haben wir in Gifhorn festgestellt, dass es alles zu kaufen oder über die Einzelhändler zu bestellen gibt. Der Trend „buy local“ hat zugenommen, die Leute haben eben nicht nur bei Amazon gekauft. Das ist auch ein Appell meinerseits, dies auch nach der Weihnachtszeit beizubehalten. Drittens – und das führt mich wieder zurück zu den Vereinen – haben wir viel Kreativität, großen Zusammenhalt und soziales Engagement gesehen.

Blicken wir auf 2021: Was bereitet Ihnen Sorgen? Und worauf freuen Sie sich?

Sorgen mache ich mir um die vielen tollen Unternehmerinnen und Unternehmer. Je länger die aktuelle Situation dauert, desto mehr wird es für sie zum Problem. Das gilt auch für die Vereine, die Mitglieder verlieren, weil keine Aktivitäten stattfinden. Deshalb würde ich mir wünschen, dass gewisse Angebote wieder möglich wären. Ein Altstadtfest 2021 wäre wirklich ein kleiner Traum, schließlich feiern wir 825 Jahre Gifhorn. Aber das ist nach heutigem Stand wohl eher Traum als Wirklichkeit. Ich freue mich über mehrere hunderttausend Euro Fördermittel für den Schlosssee und darüber, dass wir bei der IT-Ausstattung der Schulen Gas geben werden.


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