Geschichte

Seen entstehen, Wälder brennen, Gifhorn wächst: Vortrag von Ex-Bürgermeister Manfred Birth in der Geschichtswerkstatt am 29. April

Redaktion Veröffentlicht am 26.04.2025
Seen entstehen, Wälder brennen, Gifhorn wächst: Vortrag von Ex-Bürgermeister Manfred Birth in der Geschichtswerkstatt am 29. April

Mühlensee und Schlosssee wurden in den 70ern angelegt, um Überflutungen zu verhindern – gleichzeitig entstand ein pittoreskes Fleckchen.

Foto: Privat

Die Geschichtswerkstatt der Kavalierhaus-Stiftung öffnet Ende April wieder ihr Gedächtnis: Ehrenbürger Manfred Birth nimmt das Publikum mit in eine Zeit, in der aus sumpfigen Wiesen der Schlosssee entstand, eine 18-Jährige das Schützenwesen aufmischte – und Gifhorn in dichten Rauch gehüllt war. Die Jahre 1973 bis 1976 waren bewegt, hitzig, wegweisend. Und mittendrin: eine Stadt im Wandel.

Schlosssee und Mühlensee: Vom Sumpfland zum Freizeitidyll

Wo früher feuchte, kaum ertragreiche Wiesen lagen und im Winter Schlittschuhläufer ihre Bahnen zogen, glitzern heute der Schlosssee und der Mühlensee – zwei grüne Oasen inmitten unserer Stadt.

Im Allerurstromtal im Nordosten Gifhorns staute sich das Wasser von Aller und Ise, die Niederung war häufig vom Herbst bis ins Frühjahr komplett überschwemmt. „Im Winter bildete sich eine riesige Eisfläche, die sich bis nach Gamsen ausdehnte“, erinnert sich Manfred Birth.

„Dort vergnügten sich gerne die Schlittschuhläufer – und in früheren Zeiten wurden dort sogar Eisblöcke herausgeschnitten, die in Eiskellern gelagert wurden und zur Kühlung von Speisen und Getränken bis in den folgenden Sommer dienten.“

Definitiv keine Arbeit von Wochen: der Bau des Gifhorner Mühlensees.

Foto: Privat

So wie auch in jenem alten Eiskeller zwischen Lindenstraße und Schleusendamm, in dem heutige die Gifhorner Geschichtswerkstatt tagt.

Mit dem Ziel, Überschwemmungen zu verhindern und gleichzeitig neue Freizeitmöglichkeiten für Sportfischer und Segler zu schaffen, plante der Aller-Ohre-Verband im September 1970 ein Rückhaltebecken von 35 Hektar Größe: der Schlosssee. Er entstand ab 1972 und war 1975 fertiggestellt. 1977 und 1978 folgte der Mühlensee, durch den seitdem die Ise fließt.

Zwei künstliche Seen, die aus einem Problemgebiet eine beliebte Erholungslandschaft gemacht haben.

Die Stadt wächst über sich hinaus

Die kommunale Gebietsreform veränderte Anfang der 70er Jahre ganz Niedersachsen – und auch Gifhorn blieb nicht unberührt. Ortsteile wurden eingemeindet, Stadtgrenzen neu gezogen, Zuständigkeiten neu geordnet. Gleichzeitig kämpften Verantwortliche für den Fortbestand des Landkreises Gifhorn – eine Phase intensiver politischer Debatten.
Den Landkreis gibt‘s bis heute, die Stadt wuchs.

Rita Pohl – Eine junge Frau schreibt Schützengeschichte

1974 sorgte das Gifhorner Schützenfest für eine kleine Sensation: „Erstmals hatte eine Frau den besten Schuss auf die Königsscheibe abgegeben“, so Manfred Birth. Problem nur – in der Schützenordnung der Stadt Gifhorn war eine Frau an dieser Stelle schlicht nicht vorgesehen. Und das Mindestalter für die Königswürde hatte die 18-jährige Rita Pohl ebenfalls noch nicht erreicht. Der Stadtrat reagierte mit einer Übergangslösung: „Rita Pohl wurde zur 1. Andermännin erklärt“, so Manfred Birth. „Kurz darauf wurde die Satzung geändert – seither schießen die Gifhorner Schützendamen ihre eigene Königin aus.“

Neue Schulformen, neue Räume

Mit der niedersachsenweiten Einführung der Orientierungsstufe im Jahr 1976 brauchte das Schulwesen in Gifhorn ein neues Raumkonzept. Die Fritz-Reuter-Realschule zog ins alte Gymnasium an der Konrad-Adenauer-Straße, während die Erich-Kästner-Schule die freigewordenen Räume als neue Orientierungsstufe im Westen der Stadt übernahm.

Zwischen Lehmweg und Pommernring wurde in den 70ern ein neues Schulzentrum für Orientierungsstufe und Förderschule errichtet.

Foto: Privat

„Für die Orientierungsstufe im Osten und die Pestalozzi-Förderschule wurde ein neues Schulzentrum zwischen Lehmweg und Pommernring gebaut“, berichtet Manfred Birth. Ein deutliches Signal für Investitionen in Bildung.

Neue Straßen für eine dynamische Region

Der zunehmende Verkehr zwischen Gifhorn und Wolfsburg stellte die Planer vor Herausforderungen. Wer pendelte, fuhr bis in die 70er Jahre über die B 188 oder durch Isenbüttel und Calberlah. Die Lösung: eine neue Trasse durch den Barnbruch – heute bekannt als Osttangente (K 114).

Der erste Abschnitt bis zur Wolfsburger Straße wurde im November 1974 freigegeben. „Die neue Straße sollte nicht nur Pendler entlasten“, so Manfred Birth, „sondern auch die wirtschaftliche Entwicklung durch neue Industrieansiedlung in Gifhorn fördern.“

Weihnachten für alle

In seinem Vortrag möchte Manfred Birth auch über die Spielzeugsammlung für Kinder aus Familien mit wenig Geld berichten. Sieben Jahre lang sammelte er gemeinsam mit Mitgliedern der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft Spielsachen, um sie zu reparieren und hübsch zu verpacken.

Zusammen mit Mitgliedern der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft sammelte Manfred Birth (links) Spielzeugspenden für Kinder.

Foto: Privat

„Bis zu 200 Kinder kamen jedes Jahr zur Weihnachtsfeier ins Gemeindehaus der Paulus-Kirchengemeinde – mit Kakao, Kuchen und strahlenden Gesichtern“, erinnert sich Manfred Birth.

Die große Katastrophe von 1975: Als der Himmel über Gifhorn brannte

Der Sommer 1975 war heiß, trocken – und gefährlich. Am 8. August brach bei den Grußendorfer Klärteichen ein Brand aus. „Um 14.57 Uhr wurde der Großalarm für alle Feuerwehren im gesamten Landkreis Gifhorn ausgelöst“, so Manfred Birth.

Innerhalb kürzester Zeit entwickelte sich eine lodernde Feuerwand, die sogar den noch nicht mit Wasser gefluteten Elbeseitenkanal übersprang. Die Flammen wüteten im Moorgebiet bei Neudorf-Platendorf, während Feuerwehr, Bundeswehr und Bundesgrenzschutz versuchten, das Inferno einzudämmen. Panzer schlugen Schneisen, Hubschrauber warfen Wasser ab – ein dramatischer Kampf gegen das Feuer. Selbst die Tagesschau berichtete.

Nur zwei Tage später, am 10. August, kam es zwischen Leiferde und Meinersen zu einem weiteren Großbrand. Dabei ereignete sich ein tragisches Unglück: Sechs Feuerwehrleute – fünf aus Fallersleben, einer aus Peine – wurden von einer plötzlichen Winddrehung überrascht, eingeschlossen und kamen in den Flammen ums Leben. Ein Schock für die ganze Region – und ein Ereignis, das bis heute nachwirkt.

Vortrag von Manfred Birth in der Gifhorner Geschichtswerkstatt:
„Gifhorn von 1973 bis 1976“
Dienstag, 29. April
19 Uhr, Eiskeller
Lindenstraße 21, Gifhorn
Zugang über Schleusendamm
Eintritt frei, Spenden erwünscht


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