Haltloses Gifhorn: KURT-Kolumnistin Mia reflektiert die Schützenfest-Saison auf einem Karussell in Gifhorn

Schießbude, Bierwagen, Bratwurststand, Schießbude, Bierwagen, Bratwurststand, Schießbude, Bierwagen, Bratwurststand... Ich werde vom Blick hinab vom Karussell erschlagen. „Lächeln, Mia! Wir haben gerade Spaß“, ruft mir meine Begleitung zu. Ich erzwinge ein Grinsen, der Wind pflügt mir durch die Haare, die Malle-Hits knallen. Ich bekomme einen Drehwurm, mein Magen auch: zu viele Getränke, Schoki-Beeren sind keine Grundlage. Verdammt.

„Es geht drunter und drüber“, pflegt mein Kollege Malte zu sagen. So ist unsere Schützenfest-Saison. Und jetzt, hier auf dem Karussell auf dem – keine Ahnung wie vielten – Schützenfest, reflektiere ich.

Ich habe meine Brille verloren, bin in falschen Dörfern aufgewacht, hab nicht eine Scheibe gewonnen, mich in die Wahrenholzer Stramme Luise verliebt und bin nicht einen Abend nüchtern ins Bett. Wieder verdammt. Die einzigen Pausen finde ich beim Kinderschützenfest in Gifhorn – da ist Nüchternheit Pflicht. Ein Stück weit bin ich gefangen im Karussell. Es macht mega Spaß, ich habe eine gute Zeit – aber im Magen wird‘s langsam flau. Und die teuren Preise brennen ein Loch ins Portemonnaie.

Ich werde in meinem Sitz hin und her geschaukelt. „Gleich mehr Schnaps“, brüllt meine Begleitung überzeugt. „Ich kann nicht mehr“, höre ich jemanden nach Erlösung vom Schützenfest-Wahnsinn bettelnd über den Platz kreischen. Ich verstehe ihn gut. Wer kann schon wochenlang jedes Wochenende durchhalten, teilweise tagelang?

Ich meistere das nicht schlecht, doch merk‘ ich auch, wie ausgelaugt ich bin. Der Weg zur Arbeit nach den harten Wochenenden wird schwerer, in meiner Freizeit will ich nur noch schlafen und für meinen Haushalt hab ich weder Zeit noch Lust. Es muss ein Halten geben – auch in unserer fünften Jahreszeit.

Aber das Schützenfest-Karussell stoppt eben nicht, wenn man einfach darum bittet. Es fährt weiter. In kurzen Pausen hat man die Chance auf oder ab zu springen – fahr ich mit oder heißt‘s Stopp? Verpasse ich diese Fahrt? Diesen Song, diese Leute, diese Geschichte, diesen Schnaps...

Meine Begleitung guckt immer noch fragend. Also brülle ich bestätigend zurück: „Dringend mehr Schnaps!“

Denn wir fahren immer weiter und weiter und weiter: Mehr Schoki-Beeren genießen, kunterbunte Schnäpse trinken zwischen Bier und starken Mischen, den nächsten überteuerten Crêpe will ich wieder loswerden, 20 Blumen muss ich noch schießen, die Uniform sollte ordentlich bleiben, die Leute nicht – und „Augen rechts“, ruft der Major in Gifhorn.

Das Karussell hält. Ich bin haltlos. Wir sehen uns beim nächsten Schützenfest im Landkreis Gifhorn. Prost.