Kopfüber

Über Hogwarts und Würfel: In seiner Kolumne blickt unser Autor Malte Schönfeld auf Brettspiel-Traditionen an Heiligabend

Malte Schönfeld Veröffentlicht am 20.12.2025
Über Hogwarts und Würfel: In seiner Kolumne blickt unser Autor Malte Schönfeld auf Brettspiel-Traditionen an Heiligabend

Die eine Seite zürnt, die andere feiert – und im nächsten Spiel sind die Freunde von eben plötzlich bittere Feinde. KURTs Redaktionsleiter Malte Schönfeld freut sich jedenfalls auf die Spielezeit an den Feiertagen.

Foto: KURT Media via Dall-E

Ich verrate etwas: Heiligabend bei Schönfelds in Gifhorn ist Game-Time. Am langen Holztisch wird dann gesessen, jeder an seinem Platz und mit dem favorisierten Drink in der Hand. Leise gleitet der Deckel, den man in beiden Händen hält, vom miefigen Spielekarton, so dass ein windiger, trompetenartiger Sound ertönt wie bei einem Schiffshorn zur Abreise. Alte Rechnungen sollen beglichen werden, neue geschrieben.

Brandheiße Angebote soll man ja bekanntlich feiern wie sie fallen – das gilt für den Aperol wie für Mediamarkt. Weil ich ja auch nicht aus meiner Haut kann, fiel ich doch bei vollem Bewusstsein und gut gelaunt auf das Black-Week-Angebot zur PlayStation 5 herein. Wie für viele andere gehört auch zu meiner Weihnachtszeit, zumindest die ersten Filme des „Harry-Potter“-Universums zu schauen. Und so erkunde ich abends auch noch mit dem Controller in der Hand die Welt rund um „Hogwarts Legacy“. Was hat es mit dem fiesen Kobold Ranrok auf sich? Welcher Schal passt am besten zur Ravenclaw-Uniform? Und wie lässt sich das Rätsel des verborgenen Korridors im Kräuterhaus lösen?

Zurück zu Heiligabend. Mischen, raten und knobeln, würfeln, feilschen und punkten – bis in die Nacht hocken wir zusammen, die Stirn in Falten gelegt, und wo zuvor das Raclette stand, liegt nun das „Spiel des Wissens“. Unsere Odyssee zum Planeten Galaxia. Einfaches Prinzip: Wer was weiß oder gut rät, darf vorwärts. Ohne Ehrgeiz beim Spiel ist der Spaß gleich ungemein kleiner. Grüppchenbildung gehört dazu. Fehden auch. Den Unglücklichen zu triezen und reizen, das ist doch einmalig. Man sagt: In jedem Mensch steckt ein Killer. Steckt in jedem auch ein Spieler? Gibt es den Homo ludens nach Huizinga wirklich?

Im Spiel herrscht ein eigenes Regelwerk, das es zu studieren und für sich zu nutzen gilt. Es zählt die Übereinkunft, dass manche Gesetzmäßigkeiten aus der echten Welt als scheinbar aufgehoben gelten. Egoistisch handeln – unbedingt. Selbstjustiz üben – kann man mal machen. Was es mir besonders angetan hat: Spiele, in denen man lügen muss, etwa „Secret Hitler“. Wie genial ist das denn? Ziel des Spiels ist es, dass die Demokraten Hitler enttarnen oder töten – und die Faschos wollen ihn an die Macht bringen. Das spiele ich natürlich nicht mit den Eltern. Aber: So lernt man schnell, dass der beste Freund auch einfach Nazi sein kann, obwohl er Dich mit süßen Worten umgarnt. Erstaunlich auch, wie sich Spiel und Realität inzwischen wieder auf Augenhöhe befinden.

Brett- und Kartenspiele, Gewürfel und Gezocke holen zudem ein Stück Theaterbühne ins eigene Wohnzimmer. Man darf so tun als ob und so tun als könnte man. Einige treiben es förmlich auf die Spitze und begeben sich in einem Pen-&-Paper-Rollenspiel gleich komplett in eigens ausgedachte Rollen, nur logisch ist dann, dass es auch noch die passende Verkleidung gibt. Jeder, der an einem Krimidinner teilgenommen hat, weiß, wie extravagant, farbenfroh und dramatisch so ein Abend verlaufen kann.

Für diesen Heiligabend nehme ich mir jedenfalls wieder vieles vor. Tod oder Gladiolen, Paradies oder der Untergang. Sollte ich an Galaxia scheitern, wäre das nur schwer zu verkraften. Diese Niederlage würde mit Nachtisch aufgewogen.


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