Stolpersteine
Er suchte Schutz und wurde doch misshandelt: Albert Schüren, Arbeiter in der Kästorfer Kolonie, wurde angebliche Schizophrenie diagnostiziert
Steffen Meyer Veröffentlicht am 10.12.2024Die menschenverachtende Politik der Nazis tötete zwischen 1933 und 1945 Millionen Menschen und zerstörte die Leben von unzähligen Opfern. Allein in Gifhorn ist die Zahl der Opfer mindestens dreistellig. Für einige Opfer von ihnen wurden Stolpersteine in unserer Stadt verlegt. Ihre Biographien stellt KURT in einer Serie vor. Diesmal berichtet Dr. Steffen Meyer von der Historischen Kommunikation der Dachstiftung Diakonie in einem Gastbeitrag von Johann Caspar Heinrich Albert Schüren, der in der Kästorfer Arbeiterkolonie lebte und zwangssterilisiert wurde.
Johann Caspar Heinrich Albert Schüren wurde am 30. Juni 1896 in Linderhausen geboren, über seine Kindheit und Jugend ist nichts bekannt.
Schüren war Ende der 1920er Jahre wohnungslos und kam 1930 zum ersten Mal nach Kästorf, wo er einige Wochen in der Arbeiterkolonie lebte. Auf der Suche nach einem festen Arbeitsplatz verließ er die Einrichtung wieder, offenbar ohne festes Ziel.
Fünf Jahre später, am 25. Februar 1935, traf Albert Schüren ein zweites Mal in Kästorf ein. Zuvor hielt sich der unverheiratete und kinderlose Arbeiter, dessen Eltern in Linderhausen lebten, in der 1899 gegründeten Betheler Zweiganstalt Freistaat auf, die wie die Kästorfer Anstalten arbeits- und wohnungslose Männer aufnahm.
Am 15. oder 16. Mai 1935 wurde Schüren zusammen mit einigen anderen Koloniebewohnern von Landesmedizinalrat Dr. Walter Gerson psychiatrisch untersucht. Gerson diagnostizierte bei dem damals 38-jährigen Mann Schizophrenie und erstellte ein Sterilisationsgutachten. Er bezeichnete Schüren als „verschroben, gehemmt, affektarm“. Danach ging alles sehr schnell. Bereits am 19. Juni beschloss das Erbgesundheitsgericht Hildesheim in einer nur wenige Minuten dauernden Sitzung die Unfruchtbarmachung von Albert Schüren. Die Operation fand am 16. Juli statt, in welchem Krankenhaus ist nicht bekannt.
Schüren kehrte anschließend in die Arbeiterkolonie Kästorf zurück, die er am 15. August 1935 aber schon wieder verließ, um sich erneut auf Wanderschaft zu begeben. Danach verliert sich für die nächsten Jahre seine Spur.
Nach 1945 lebte Albert Schüren laut eines Melderegistereintrages als Bergmann in Eickelborn. Von dort zog er am 10. November 1966 nach Gelsenkirchen-Buer. Schüren, der nie verheiratet war, starb am 17. Juli 1980 in Gelsenkirchen im Alter von 84 Jahren. Angehörige sind nicht bekannt.
Dieser Text ist Teil der Broschüre „Stolpersteine in der Diakonie Kästorf“, kostenfrei erhältlich im Stadtarchiv, in der Stadtbücherei und bei der Diakonie in Kästorf.
Die Forschung zu Opfern des Nationalsozialismus geht weiter. Hinweise sammelt das Kulturbüro:
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