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Wie ihr Sturz sie mental noch viel stärker machte: Die Gifhornerin Martinique Gemballa erzählt, wie sie ihre Blockade beim Springreiten überwinden konnte

Redaktion Veröffentlicht am 06.03.2024
Wie ihr Sturz sie mental noch viel stärker machte: Die Gifhornerin Martinique Gemballa erzählt, wie sie ihre Blockade beim Springreiten überwinden konnte

Martinique Gemballa reitet, seitdem sie ein Kind ist. Auch heute noch ist die 17-Jährige am liebsten bei den Pferden auf dem Platz.

Foto: Sebastian Priebe

Martinique Gemballa aus Gifhorn liebt das Springreiten. Schon als Kind war sie fasziniert von Pferden. Trotz eines schweren Sturzes in der jüngeren Vergangenheit geht sie ihrer Leidenschaft weiter nach – und das sehr erfolgreich: Ende August 2023 nahm sie an den Deutschen Meisterschaften im Springreiten in München teil. Woher kommt die Faszination fürs Springreiten? Wie geht man als so junge Frau mit sportlichen Rückschlägen um? Und wer und was steckt abseits des Springparcours hinter diesem Sport, der so viel Organisation und Training benötigt? Sport KURT hat Martinique und ihre Familie während eines Trainings auf ihrem Gestüt Neu-Waldhof bei Winkel besucht.

Die Anfänge

Auf dem Weg zum Gestüt Neu-Waldhof, das Familie Gemballa etwas außerhalb des Gifhorner Ortsteils Winkel betreibt, denkt man kurzzeitig, man wäre falsch abgebogen. Aus der Straße wird ein Feldweg, der Wald wird immer dichter, aber das Navi sagt: „Bitte fahren Sie weiter geradeaus“, bis plötzlich ein wunderschönes Fachwerkhaus auf der rechten Straßenseite erscheint, an das ein riesiger Hof angrenzt.

Vor einem Jahr haben Frank-Peter und Martina Gemballa das Gestüt gekauft und hier die besten Voraussetzungen für das Training ihrer Tochter geschaffen. Die Ställe wurden renoviert, die Dressurhalle modernisiert und der Springparcours um einige Sicherheitsmaßnahmen erweitert. Aktuell stehen neben den eigenen Pferden noch sechs weitere in den Stallungen von Neu-Waldhof, alle von Profireitern.

Die Liebe zu Pferden ist in jeder Ecke des Gestüts spürbar und scheint Martinique in die Wiege gelegt worden zu sein. Schon als kleines Kind war die Springreiterin fasziniert von Pferden. „Die Begeisterung für den Reitsport habe ich wohl an sie weitergegeben“, berichtet Vater Frank-Peter schmunzelnd, der als Kind auch mit Pferden aufgewachsen ist. Martinique fügt hinzu: „Das Reiten war für mich schon immer das Wichtigste. Wenn meine Freunde sich nachmittags getroffen haben, war ich meistens im Stall oder beim Training. Ich wollte schon immer reiten und meine Eltern haben mich dabei von Anfang an unterstützt. Dafür bin ich ihnen sehr dankbar.“

Die Erfolge

Mit fünf Jahren erhält Martinique Gemballa ihr erstes eigenes Pony. Auf Diabolo nimmt die Gifhornerin an Wettbewerben im Führzügel und Springreiten teil. Darauf folgen weitere Stationen bis hin zur Teilnahme an den Deutschen Jugendhallenmeisterschaften mit 13 Jahren in Aachen.

Nach einem kurzen Ausflug ins Dressurreiten kehrt die Gifhornerin schnell wieder zurück zu ihrer Lieblingsdisziplin und bleibt dieser treu. „Das Springreiten war schon immer mein Favorit. Es ist fairer als andere Reitsportarten, da nur das Sportliche zählt. Am Ende eines Parcours steht die Zeit und ob ein Hindernis gefallen ist oder nicht. Alles andere ist egal“, fasst die junge Sportlerin zusammen.

Die jüngsten Erfolge bei Landesmeisterschaften und internationalen Turnieren feiert Martinique mit dem Schimmel Burlington: „Er ist mein absolutes Erfolgs- und Herzenspferd. Es ist ein tolles Gefühl, wenn man merkt, wie ein Pferd für einen kämpft. Wir haben eine besondere Verbindung zueinander und streben bald das erste S***-Springen an. Darauf freue ich mich sehr.“

Sie sind unzertrennlich und äußerst erfolgreich: Martinique Gemballa und ihr Schimmel Burlington. Zusammen nehmen sie an Turnieren teil.

Foto: Sebastian Priebe

Die Ausbildung

Die Liebe zum Pferdesport bestimmt auch Martiniques beruflichen Werdegang. Nach Abschluss der zwölften Klasse hat sie eine Ausbildung zur Pferdewirtin auf dem elterlichen Hof begonnen. Betreut wird sie in den zwei Jahren von der Reitmeisterin Sissi. Danach soll es aber noch weitergehen. „Mein Traum ist es in den Bereich Mentaltraining oder Reittherapie zu gehen. Ich fand die Verbindung von Sport und Psychologie schon immer spannend, denn die mentale Verfassung eines Sportlers ist enorm wichtig und wird des Öfteren vernachlässigt“, weiß Martinique. Sie spricht aus Erfahrung.

Der Sturz und der Weg zurück

Während eines Trainings im Mai 2022 stürzt Martinique mit ihrem Pferd Simona. Bei einem Sprung über eine zweifache Kombination bleibt das Pferd mit dem Huf am Vorderzeug hängen, so dass es beim Landen nicht aufsetzen kann und sich überschlägt. Bei dem Sturz zieht sich die talentierte Springreiterin mehrere schwere Prellungen zu. Erst im Laufe der Zeit wird deutlich, dass auch die Psyche in Mitleidenschaft gezogen wurde. „Ich habe mich immer wieder gefragt, ob ich an dem Sturz Schuld bin und was ich hätte anders machen können. Das ging so weit, dass mein Körper irgendwann nicht mehr wollte und völlig blockiert hat, wenn ich zum Sprung angesetzt habe“, berichtet Martinique von dieser Zeit. „Noch heute habe ich ein komiches Gefühl, wenn ich auf ein rotes Hindernis zureite.“

Mit Hilfe ihrer Schwester, einer Sportpsychologin, kann Martinique die Blockaden überwinden. „Darüber zu reden hat mir sehr geholfen und mir bewusst gemacht, wie viel unterdrückte Angst sich aufgestaut hatte. Reiterinnen und Reiter, die über psychologische Hilfe sprechen sind immer noch in der Unterzahl. Dabei ist es so wichtig sich Unterstützung zu suchen, wenn man diese benötigt. Nicht nur im Falle eines Sturzes, sondern auch bei sportlichen Misserfolgen oder zu großem Druck. Ich bin seitdem mental stärker und habe mich im Sattel noch mehr unter Kontrolle“, sagt die angehende Pferdewirtin.

Auch mit anderen Reiterinnen und Reitern spricht Martinique offen über ihren Sturz und die psychologische Behandlung: „Je offener man mit dem Thema umgeht, desto normaler wird es irgendwann. Im Reitsport ist momentan ein Umdenken zu spüren“, berichtet sie. „Auf Turnieren und Messen werden immer mehr Fortbildungen zu den Themen Sportpsychologie und Mental Coaching angeboten. Das ist eine gute Entwicklung.“

Das Familienunternehmen

Hinter den Erfolgen der jungen Springreiterin steht ein gut organisiertes Familienunternehmen. Vater Frank-Peter fungiert als Heimtrainer und Sponsor und Mutter Martina kümmert sich um alles andere drumherum. Mit dem Kauf des Gestüts Neu-Waldhof hat sich die Familie einen Herzenswunsch erfüllt. „Ich bin auf einem Bauernhof groß geworden und fühle mich hier auf dem Gestüt meinen Wurzeln sehr nahe. Außerdem haben wir schon immer die meiste Zeit des Tages bei den Pferden verbracht. So haben wir zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen“, erklärt Frank Peter Gemballa den Umzug nach Gifhorn.

Ein erfolgreiches Familienunternehmen: Mutter Martina (links), Springreiterin und Tochter Martinique und Vater Frank-Peter Gemballa.

Foto: Sebastian Priebe

Nicht nur die Reiterinnen und Reiter finden perfekte Trainingsmöglichkeiten vor. Der Familie Gemballa ist es wichtig, dass sich auch die Pferde wohl fühlen. „Wir machen unser eigenes Heu, damit wir wissen, welche Inhaltsstoffe es hat. Und es hat sich bewährt, dass die Pferde nicht nur im Stall, sondern auch auf der 13 Hektar großen Wiese stehen“, so Frank-Peter über die Arbeit auf dem Hof.

Zu Wettkämpfen reist die Familie immer gemeinsam. Lange Reisen, zum Beispiel zu Turnieren nach Valencia oder Lier zum Azelhof, werden mit dem familieneigenen Wohnmobil mit integriertem Pferdeanhänger zurückgelegt.

Die Ziele

In den vergangenen Wochen hat sich Martinique täglich mit ihren Trainerinnen auf die Deutsche Meisterschaft im Springreiten in München vorbereitet. Und die Auswahl wird dabei etwas anders als in anderen Sportarten getroffen: Für die Deutsche Meisterschaft werden Reiterinnen und Reiter vom Landesverband, ein Gremium aus sechs Personen, nominiert. Die Vorraussetzung für eine Nominierung ist ein Platz im Landeskader und die Teilnahme an vorgegebenen Turnieren.

In München konnte sie am ersten Tag mit einer tollen Runde mit null Fehlern im S*-Springen überzeugen. Am zweiten Tag unterliefen der jungen Sportlerin zwei Fehler, damit war das Turnier für sie beendet. „Es war trotzdem eine tolle Erfahrung und ich bin dankbar, dass ich dabei sein durfte“, so Martinique.

Nun geht es zurück ins Training. Und der Trainingsplan ist für Reiterin und Pferd individuell abgestimmt, erklärt Vater Frank-Peter: „Planung und Management sind Teil des Erfolgs. Am Anfang des Jahres entscheidet sich, an welchen Turnieren Martinique teilnimmt, entsprechend planen wir die Trainingseinheiten, die ärztliche Versorgung der Pferde und die Ruhephasen.“

Martinique selbst denkt aber bereits weit über das nächste anstehende Turnier hinaus, denn im kommenden Jahr wird sie 18 Jahre alt und wechselt in die Wertungsklasse „Junge Reiterin“. „Das bedeutet, dass ich auf Turnieren zukünftig bis 1,50 Meter hohe Hindernisse überspringen muss. Darauf arbeite ich bis zum Ende des Jahres hin und freue mich auf die Herausforderung.“

Frauen in der Historie des Springreitens

Erst 1952 durften bei den Olympischen Spielen in Helsinki Frauen mitreiten, vorerst nur in der Dressur. Springen und Vielseitigkeit galten nach wie vor als viel zu gefährlich. Es dauerte nochmal vier Jahre bis zu den Spielen in Stockholm 1956, bis die erste Frau in den olympischen Parcours ritt. Die Britin Pat Smythe auf Flanagan trug zur Bronze-
medaille ihres Teams bei.

Die Ausrüstung

Bei der Auswahl aller Ausrüstungsgegenstände wird besonders auf Sicherheit, Zweckmäßigkeit und Bequemlichkeit geachtet.

Reithelm: Die geforderte Sicherheit bietet ein Helm der Europäischen Norm EN 1384. Der Helm sitzt auch ohne Befestigung sicher auf dem Kopf.

Reithose: Eine Reithose liegt eng an und wirft keine Falten. So wird verhindert, dass es an den Innenseiten der Beine zu schmerzhaften Hautverletzungen durch Reibung am Sattel kommt.

Reitstiefel/Stiefeletten: Festes Schuhwerk ist zum Reiten unerlässlich. Dieses muss mindestens knöchelhoch sein, um das Fußgelenk zu stabilisieren, und über einen kleinen Absatz verfügen, um zu verhindern, dass der Fuß durch den Steigbügel rutscht. Auf einem Turnier sind übrigens nur dunkle Farben zulässig, also dunkelbraun, dunkelblau oder schwarz.
Reithandschuhe: Sie schützen die empfindlichen Hände vor Verletzungen durch den Zügel. Sie sind aus rutschfestem Material gefertigt und liegen eng genug an, so dass ein gutes Gefühl für die Zügelführung möglich ist. Verstärkungen zwischen Daumen und Zeigefinger sowie kleinem und Ringfinger sind sinnvoll.

Springreiten als Turniersport

Das Springreiten ist eine Disziplin im Reitsport, bei der es darum geht, einen Parcours aus Sprüngen und Hindernissen möglichst stilistisch, schnell und dabei fehlerfrei zu überwinden. Abhängig vom Schwierigkeitsgrad variiert die Anzahl, Art und Höhe der Hindernisse innerhalb des Parcours.

Unterschieden werden grundsätzlich drei Prüfungsformen: Stilspringprüfung, Springpferdeprüfung und Springprüfung.

Stilpringen: Beim Stilspringen achten die Richter in erster Linie auf den Reiter und seine Einwirkung auf das Pferd. Kriterien für die Bewertung des Stils sind dabei der Sitz des Reiters, die Einwirkung des Reiters und die Gleichmäßigkeit des Rittes.

Springpferdeprüfung: Wie der Name schon sagt, liegt der Fokus der Richter in einer Springpferdeprüfung hauptsächlich auf dem Springpferd. Beurteilt werden dabei die Manier des Pferdes am und über dem Sprung, die Rittigkeit, der altersgemäße Ausbildungsstand sowie die Übersicht des Pferdes.

Springprüfung: Alle weiteren Springprüfungen können nach verschiedenen Richtverfahren ausgetragen werden. Hierbei richtet sich das Ergebnis je nach Ausschreibung nach Hindernisfehlern, der gebrauchten Zeit oder einer Kombination aus beidem. Die meisten Springprüfungen werden nach Fehlern und der gebrauchten Zeit entschieden. Pro gefallener Stange beziehungsweise Verweigerung gibt es Fehlerpunkte. Am Ende gewinnt das Reiter-Pferd-Paar, das den Parcours mit den wenigsten Fehlern und dabei der schnellsten Zeit überwunden hat.

In allen drei Prüfungsformen des Springreitens wird der Schwierigkeitsgrad des Parcours nach der Linienführung des Parcours, der Höhe und Art der Sprünge sowie der Anzahl der Sprünge bemessen.


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