Stolpersteine

Wie ein banales Gutachten ein Leben angreift: Willi Hassenpflug, Bewohner der Kästorfer Anstalten, wurde zwangssterilisiert

Katharina Gries Veröffentlicht am 26.10.2024
Wie ein banales Gutachten ein Leben angreift: Willi Hassenpflug, Bewohner der Kästorfer Anstalten, wurde zwangssterilisiert

Die Tischlerei der Kästorfer Arbeiterkolonie: Der Recherche nach dürfte das Foto um das Jahr 1931 entstanden sein, also noch vor der Machtübernahme der Nazis.

Foto: Sammlung Archiv der Dachstiftung Diakonie/Kolorierung: KURT Media via Photoshop Neural Filters

Millionen Menschen litten unter den Gräueltaten der Nationalsozialisten. Allein in Gifhorn ist die Zahl der Opfer mindestens dreistellig. Minderheiten und politische Gegner sahen sich Denunziation, Verfolgungen und willkürlichen Festnahmen ausgesetzt, die häufig in Ermordungen endeten. Für einige Opfer von ihnen wurden Stolpersteine in unserer Stadt verlegt. Ihre Biographien stellt KURT in einer Serie vor. Diesmal berichtet Katharina Gries von der Historischen Kommunikation der Dachstiftung Diakonie in einem Gastbeitrag über Willi Hassenpflug, der von den Nazis zwangssterilisiert wurde.

Heinrich Friedrich Wilhelm Hassenpflug, Willi genannt, wurde an Heiligabend 1906 als Sohn des Lokomotivführers Willi Hassenpflug und dessen Frau Meta in Neuölsburg bei Peine geboren. Am 3. September 1935 kam er als Wanderarbeiter in die Arbeiterkolonie Kästorf. Über sein frühes Leben vor seiner Zeit in Kästorf ist nichts bekannt.

Am 11. September 1935 fanden in den damaligen Kästorfer Anstalten psychiatrische Untersuchungen durch Landesmedizinalrat Dr. Walter Gerson statt. Gerson beschrieb Wilhelm Hassenpflug in seinem Gutachten als „misstrauisch“ und „abweisend“ und notierte, dass er oft antriebslos wirkte. Darauf basierend diagnostizierte er bei Hassenpflug „angeborenen Schwachsinn“, woraufhin seine Unfruchtbarmachung beim Amtsarzt in Gifhorn angezeigt und beim Erbgesundheitsgericht Hildesheim beantragt wurde.

Seit Oktober 2023 findet sich auf dem Gelände der Kästorfer Diakonie ein Stolperstein für Heinrich Friedrich Wilhelm Hassenpflug.

Foto: Mel Rangel

Schon zwei Monate später, am 11. November 1935, beschloss das Erbgesundheitsgericht Wilhelm Hassenpflugs Unfruchtbarmachung. Wieder einen Monat später, am 12. Dezember, wurde die Zwangssterilisation durchgeführt. Nach seiner Entlassung aus dem Krankenhaus kehrte Wilhelm Hassenpflug in die Arbeiterkolonie zurück, ging aber im September 1937 fort. Im Herbst 1939 kehrte er noch einmal zurück und blieb mit Unterbrechungen weitere vier Jahre, bevor er Kästorf im September 1943 endgültig verließ.Hier verliert sich seine Spur für einige Jahre.

In der zweiten Hälfte der 1940er Jahre lebte Hassenpflug in der Heil- und Pflegeanstalt Wunstorf, einer psychiatrischen Einrichtung in der Region Hannover. Dort wurde er am 12. Dezember 1946 aufgenommen. Am 24. Juli 1947 wurde Wilhelm Hassenpflug von Wunstorf in die damaligen Wahrendorffschen Krankenanstalten in Ilten, ebenfalls in der Region Hannover, überwiesen. Hier im Klinikum Wahrendorff lebte Wilhelm Hassenpflug bis zu seinem Tod am 28. Juni 1978. Zum Zeitpunkt seines Todes bewohnte er eine eigene Wohnung auf dem Gelände des Standorts Köthenwald. Angehörige sind nicht bekannt.

Dieser Text ist Teil der Broschüre „Stolpersteine in der Diakonie Kästorf“, kostenfrei erhältlich im Stadtarchiv, in der Stadtbücherei und bei der Diakonie in Kästorf.

Die Forschung zu Opfern des Nationalsozialismus geht weiter. Hinweise sammelt das Kulturbüro:
Tel. 05371-88226
kultur@stadt-gifhorn.de


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