Krisenmanagement

Vertrauensbruch! Heftige Kritik an Gifhorns Landrat Andreas Ebel von DRK, Diakonie, Notfunkdienst und weiteren Trägern der Altenhilfe

Redaktion Veröffentlicht am 13.01.2021
Vertrauensbruch! Heftige Kritik an Gifhorns Landrat Andreas Ebel von DRK, Diakonie, Notfunkdienst und weiteren Trägern der Altenhilfe

Sechs Träger von Alten- und Pflegeheimen im Landkreis Gifhorn fordern Landrat Andreas Ebel dazu auf, die geplante Task Force zurückzunehmen. Sie stelle die Mitarbeiter unter falschen Verdacht und dringe in die Privatsphäre der Bewohner ein.

Foto: Pixabay (Symbolfoto)

Deutlicher hätten sie ihren offenen Brief nicht formulieren können: Sechs Träger von Alten- und Pflegeheimen im Landkreis Gifhorn fordern Landrat Andreas Ebel auf, die von ihm angekündigten Maßnahmen zurückzunehmen. Die Task Force für Alten- und Pflegeheime sei ein Schlag ins Gesicht aller Beschäftigten, der Einsatz der Polizei ein unangemessener Eingriff in die Privatsphäre von Heimbewohnerinnen und Heimbewohnern – und das drohende nahezu totale Kontaktverbot erschwere die Arbeit nur noch mehr. Stattdessen solle sich der Landkreis lieber selbst an die vereinbarten Regeln halten. Unterzeichnet wurde dieser Brief von den Vorständen des DRK-Kreisverbandes Gifhorn, der Dachstiftung Diakonie und der Diakonischen Altenhilfe Kästorf. Mitinitiatoren ohne Unterschrift sind die Seniorenresidenz Wesendorf, der Notfunkdienst Gifhorn und das Alten- und Pflegeheim Rama. Das Schreiben vom heutigen Mittwoch richtet sich an Landrat Andreas Ebel und ging in Kopie an die niedersächsische Sozialministerin Carola Reimann. Im Nachfolgenden dokumentieren wir den offenen Brief im Wortlaut:

Sehr geehrter Herr Landrat Dr. Ebel,

wir sind bestürzt über die im Landkreis Gifhorn von Ihnen verkündeten Maßnahmen im Rahmen der Pressekonferenz am 11.01.2021. Aus unserer Sicht sind sie nicht verhältnismäßig und gehen weit über das hinaus, was im Blick auf den Infektionsschutz sich bisher als wirksam erwiesen hat. Dies bezieht sich besonders auf die von Ihnen angekündigte Task Force für Alten- und Pflegeheime unter Beteiligung der Polizei, wie Sie in der Pressekonferenz erläuterten, wie auch das von Ihnen ggf. zum 18.01.2021 geplante Kontaktverbot für den privaten Bereich.

Darum fordern wir Sie auf: Nehmen Sie diese Maßnahmen zurück. Sorgen Sie stattdessen dafür, dass die Behörden des Landkreises die in der Pandemie vereinbarten Regeln und Unterstützungsleistungen selbst einhalten und in ausreichendem Maß zur Verfügung stellen: schnelle Tests, schnelle Impfungen, eine umfassende und respektvolle Kommunikation mit der Bevölkerung, die diese Pandemie in einer erstaunlichen Geduld und Kooperationsfähigkeit bewältigt.

  1. Sie gehen über die aktuell geltende Landesverordnung bewusst hinaus. Sie verletzen mit diesen Maßnahmen den von Ihnen selbst formulierten Grundsatz: „Dazu zählt, ob eine Maßnahme verhältnismäßig ist, ob sie angemessen und geeignet ist.“ Dies wird zudem in einer obrigkeitsstaatlichen Haltung verkündet mit einem rechtlichen Verständnis, dass gerade hinsichtlich des von Ihnen formulierten Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit und Angemessenheit von unserer Seite nicht gesehen wird.

  2. Sie tun dies einseitig ohne vorhergehende Erörterung mit wesentlichen Akteuren im Landkreis und kündigen damit die vertrauensvolle Kommunikation in der Öffentlichkeit auf. Von Beginn der Pandemie bis heute arbeiten Vertreter der ambulanten und stationären Pflege im Landkreis Gifhorn intensiv mit Vertretern der Heimaufsicht, des Gesundheitsamtes, des Katastrophenschutzes und des Helios-Klinikums zusammen.

  3. Schon die Tatsache dieser Task Force reagiert auf eine nicht bewiesene Unterstellung, nach der die Infektionen in den Pflegeheimen auf ein schuldhaftes Verhalten der Mitarbeitenden zurückzuführen wäre, das nun durch den Eingriff einer solchen Task Force aufgedeckt und geahndet werden müsste. Die AlltagsheldInnen von gestern werden von Ihnen heute zu TäterInnen gemacht.

Zu Ziff. 1:
Überhaupt nicht im Blick scheint, dass Pflegeeinrichtungen dem Heimgesetz unterliegen und damit einer besonderen staatlichen Prüfung unterzogen, dass sie aber gleichzeitig das Zuhause ihrer BewohnerInnen darstellen, in dem sie ein Recht auf Rücksicht und Respekt gegenüber ihrer Privatsphäre haben. Während öffentlich bekundet wird, dass staatliche Behörden nicht ohne Anlass in Wohnungen eindringen wollen um Coronaregeln zu überprüfen, wollen Sie hier durchaus ohne Anlass und prophylaktisch staatliche Behörden mit Polizei in das persönliche Umfeld der HeimbewohnerInnen schicken. Das ist unverhältnismäßig und verletzt die Persönlichkeitsrechte der BewohnerInnen eklatant.

In der Pressekonferenz wurde zudem seitens des Landkreises ausgeführt, dass das Infektionsgeschehen mit rund 60 Prozent mehr im privaten Bereich weiter getragen wird, nicht in den Unternehmen bzw. Einrichtungen. Die Träger von Pflege- und Altenheimen haben sämtliche Maßnahmen bzgl. Corona mit der Heimaufsicht und dem Gesundheitsamt des Landkreises einvernehmlich abgestimmt bzw. z.B. Hygiene-, Test- und Impfkonzepte sind genehmigt und in punktuellen Vor-Ort-Prüfungen kontrolliert worden. Da das Gesundheitsamt seinen Testverpflichtungen aufgrund der hohen Belastungen nicht mehr zeitnah nachkommen kann, haben die Einrichtungen die dadurch notwendig werdenden zusätzlichen Schnelltestbelastungen mitgetragen und zudem in den vergangenen 14 Tagen auf freiwilliger Basis zusätzliche Testangebote bei einzelnen Trägern eingerichtet.

Inwieweit dann auch noch ein von Ihnen geplantes Kontaktverbot für den privaten Bereich bei weitgehend geschlossenen Schulen und Kindergärten einen funktionierenden Betrieb in den als systemrelevant anerkannten Pflegeeinrichtungen und Krankenhäusern zulassen sollen, ist mehr als anzuzweifeln, zumal der derzeitige Betrieb gerade auch wegen fehlender Mitarbei- terInnen immer mehr eingeschränkt wird.

Zu Ziff. 2:
Bisher wurden solche Maßnahmen mit den Hauptakteuren wie der Klinik, den Trägern von ambulanten und stationären Pflegeeinrichtungen, der Heimaufsicht, dem Gesundheitsamt u.a. wichtigen Akteuren im Vorfeld in einer regelmäßig unter Leitung des Landkreises tagenden Arbeitsgruppe sachlich und offen besprochen. Dies ist bzgl. dieser Maßnahmen nicht geschehen wiewohl der Ort und die Zeit dazu gegeben waren.

Zu Ziff. 3:
Pflegeheime und Pflegekräfte können mit der Infektionsgefahr umgehen. Das ist ihr Alltag. Jeder Beschäftigte in der Pflege weiß, dass schon das Norovirus für Hochbetagte eine große Gefahr darstellt. Sie haben die erheblich größere Infektionsgefahr des Coronavirus längst verstanden und wissen, was getan werden kann und muss, um eine Ansteckung und die Ausbreitung auch in einem Pflegeheim zu verhindern. Gute Handlungsempfehlungen und Hygienekonzepte (Quarantäne, Aufspaltung der Teams, geschützte Zugänge etc.) werden angenommen und umgesetzt. Die Wertschätzung gegenüber Pflegekräften und Pflegeeinrichtungen drückt sich auch darin aus, dass die Professionalität der Pflegekräfte gesehen und ihr vertraut wird. Zudem sind die Befugnisse der Polizei mehr als fragwürdig. Es ist nicht erkennbar, aus welchem Grund eine Prüfung durch die Heimaufsicht nicht ausreichend ist.

Unsere Beschäftigten die tagtäglich bis zur Erschöpfung mit der Bewältigung der Pandemie und dem Schutz der Pflegebedürftigen zu schaffen haben, brauchen jetzt Ermutigung und Unterstützung. Was sie nicht brauchen sind Verdächtigungen und Polizeikontrollen.

Wir fordern Sie daher auf, die Task Force für Alten- und Pflegeheime unter Beteiligung der Polizei unverzüglich einzustellen wie auch das von Ihnen ggf. zum 18.01.2021 geplante Kontaktverbot für den privaten Bereich zu überdenken.

Mit freundlichen Grüßen

Sandro Pietrantoni
Deutsches Rotes Kreuz Gifhorn

Hans-Peter Daub und Dr. Jens Rannenberg
Dachstiftung Diakonie

Christian Grösche und Renate Geruschkat-Grundmann
Diakonische Altenhilfe Kästorf GmbH (DiAK)

Mitinitiatoren ohne Signatur sind:

Seniorenresidenz Wesendorf Betriebs GmbH

Notfunkdienst Gifhorn e. V.

Alten- und Pflegeheim Rama


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