Kopfüber-Kolumne

Über das Warten - Hättest Du auch mal eher schreiben können, Du dumme Sau

Malte Schönfeld Veröffentlicht am 12.10.2020
Über das Warten - Hättest Du auch mal eher schreiben können, Du dumme Sau

Man wartet immer unterschiedlich – an der Ampel, in der Supermarkt-Schlange, auf die große Liebe. Aber ist das Warten wirklich so schlimm?

Foto: Çağla Canıdar

So wie ich diese Zeilen hier schreibe, machen meine Kolleginnen und Kollegen lange Gesichter und warten. Warten darauf, dass dieser Text hier endlich fertig wird. Damit der in die Korrektur und das Heft in den Druck kann. Die Augenringe werden tiefer und dunkler. Ich lese an ihren Mienen ab: Hättest Du auch mal eher schreiben können, Du dumme Sau.

Gewartet haben wir in den vergangenen Monaten viel. Auf gute Nachrichten im Hinblick auf Corona zum Beispiel. Menschen, deren Leben davon abhängt, dass es wieder losgeht, dass das Leben wieder losgeht. Ist Wartezeit also verlorene Zeit?

Im Wartezimmer bin ich sehr unregelmäßig, aber gerne. Da liegt dann immer der Spiegel, und Sascha Lobo redet von Robotern. Blättert man ja sonst nicht drin. Der Lesezirkel grundsätzlich eine tolle Sache. Wenn man nicht gerade auf die Zeitung warten muss, die einem gefällt. Dann wartet man nämlich in Ungeduld.

Ungeduldige Leute können selten gut warten. Nichts kann ihnen schnell genug gehen. Leute, die mit dem Fuß tippeln, sind ganz schlimm. Noch schlimmer sind Leute, die ihre Nervosität vor sich herpfeifen. Sie denken, die Welt dreht sich um sie. Klappt etwas nicht nach ihren Vorstellungen, sehen sie das als Angriff auf ihre Person. Sie sagen Sätze wie: „Typisch, dass das mir passiert.“ Oder: „Ich kenne ja mein Glück.“ Unruhige Leute haben Lidflattern, und die Uhr am Handgelenk ist zehn Minuten vorgestellt.

Geduldige Leute können meist sehr gut warten. Sie sind Stoiker, die rational einschätzen können, was hier gerade vor sich geht und warum. Sie wissen, dass sich die Welt um die Sonne dreht und die Sonne egal sein kann, solange sie nur strahlt. Sie sagen Sätze wie: „Mhm.“ Oder: „Ahja.“ Sie haben einen wachen Blick, und der Schlaf lebt von seinen wachen Phasen.

Wir warten auf die Post, damit unser Amazon-Paket mit der super Käsereibe aus China ankommt. Der Postbote wartet darauf, dass seine Schicht endlich vorbei sein möge. Der Typ, der in China diese Käsereibe zusammengebaut hat, wartet nicht, weil er arbeiten muss.

In der Schlange im Supermarkt zu warten, macht manche Menschen so wahnsinnig, dass sie mit sich selber reden. Leute, die mit sich selber reden und nicht anders können, warten darauf, dass doch bitte bald alles wie früher oder eben vorbei sein möge.

Gerade warte ich darauf, dass mir noch ein Satz einfällt. Ich googele: „Welche Tiere warten am längsten in ihrem Leben?“ Keine vernünftigen Treffer.

Es gibt Menschen, die warten auf die große Liebe. Andere wollen sie erzwingen, was natürlich besonders süß ist.

Es gibt auch Menschen, die warten jahrelang darauf, sich endlich ein Tattoo stechen zu lassen. Und wenig später wünschten sie, sie hätten länger gewartet. Denn manchmal kommt mit dem Warten auch die Erkenntnis, das ist dann ein besonders seltener Moment. In der Ordnung einen Gedanken zu finden, der bis dato verborgen war, ist etwas Schönes. Das hat das Warten mit der Langeweile gemein, da passiert das auch ab und an.

Im Urlaub habe ich einmal versucht, bewusst zu warten. Da habe ich auf einen See in Mecklenburg-Vorpommern geguckt und geschaut, was so mit einem, also mir, passiert. So was wie Meditation, nur ohne das ganze Chichi und die Klangschalen und die Heilerde und so. Dann habe ich eine Instagram-Story vom See gemacht und die Leute damit zu Tode gelangweilt.

Warten Sie auf den Tod?
Warten Sie auf das Leben?

Danke, dass Sie so lange mit mir gewartet haben. In der nächsten Ausgabe kommt wieder irgendwas gegen Nazis oder so.


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