Kopfüber

Über Brustquetscher: Unser Kolumnist betritt zum ersten Mal aus eigenem Antrieb ein Fitnessstudio

Malte Schönfeld Veröffentlicht am 09.03.2023
Über Brustquetscher: Unser Kolumnist betritt zum ersten Mal aus eigenem Antrieb ein Fitnessstudio

Acker jeden Tag – zumindest fast. KURT-Kolumnist Malte Schönfeld hat sich zum ersten Mal freiwillig in ein Fitnessstudio begeben.

Foto: Privat

Kalte Luft steht im Raum. Fast kann ich meinen Atem sehen. Hinter den dunklen Fensterscheiben verschwimmen die Lichter der Straßenlaternen. Tropfen laufen abwärts. Meine Hand liegt auf dem kühlen, glatten Empfangstresen, die andere umklammert die Sporttasche. Ich kann es gar nicht glauben, doch gleich betrete ich erstmals aus eigenem Antrieb ein Fitnessstudio. Die junge Mitarbeiterin reicht mir meine Karte, von vorne dröhnen die Bässe.

Es ist Februar, und ich bin tatsächlich Schwimmer. Zwei- bis dreimal pro Woche schaffe ich es, meine Bahnen im Hallenbad zu ziehen. Zwischenfazit: besserer Schlaf, Mental Health in der Balance, leeres Portemonnaie, trockene Haut. Halb-halb, würde ich sagen. Eine neue Technik habe ich noch nicht gelernt. Doch ich schaue immer ganz schülerhaft nach links und rechts. Freimütig gebe ich zu: Mit dem Schwimmadel, der so schöne Rückenmuskeln und Badekappen trägt, abtaucht und gleitet wie ein Delphin, kann ich noch nicht mithalten.

Doch ich habe mich da in etwas reinlabern lassen – so wie man plötzlich einen Oxfam- oder WWF-Spendenvertrag am Hals hat, wenn man in der Fußgängerzone nicht höllisch aufpasst. Meine Freundin möchte ihrerseits fit werden. Da kam das Angebot des Fitnessstudios zur rechten Zeit. Sie sagte zu. Wie machen die das nur? Das Geschäft am Ego. Man müsste das Rainer Schaller, den McFit-Gründer, mal fragen. Doch der ist ja tot. Jedenfalls erlaubt es der Vertrag meiner Freundin, am Wochenende eine weitere Person mitzunehmen – for free. Mir gehen die Argumente aus.

In meiner Sporttasche befinden sich ein Paar Hallenschuhe, das noch beim letzten Tragen vorn drückte, eine Trainingshose, ein atmungsaktives Langarm-Shirt, Deocreme, Scham. In der Umkleidekabine eine Rotte Männer.

Wer sich fertig umgezogen hat, stellt sich vor den Spiegel. Manche drücken und pressen an ihren Brüsten rum. Die Gesichter bubihaft, aber die Körper wie Walrosse. Wer frisiert, der siegt. Daneben ich und meine engen Schuhe.

Im Fitnessbereich herrscht eine kalte, cleane Atmosphäre wie in der Gerichtsmedizin, so als würde man sich im Kopf von Patrick Bateman befinden. Anfangen aufm Stepper, ich krieg‘ die Steigung nicht eingestellt. Nach dem Gebrauch muss man alles desinfizieren, Hygiene ist Pflicht, was mir gefällt. Nun Reverse Butterfly, Latzugmaschine, Beinpresse – das macht alles überhaupt keinen Spaß, es ist nicht mal Sport, eigentlich nicht mal Bewegung, meine Muskeln beginnen zu zittern.

Wenn man gerade nicht damit beschäftigt ist, sich zu vergleichen, fallen einem die Bildschirme auf. Allerorts hängen sie von der Decke. Im Programm wirbt die Influencerin für ihren Fitness-Kanal. Es hat etwas zutiefst Trauriges, und sie sieht so aus wie ein energisches Mädchen, das ganz von alleine eine Aufgabe gelöst hat, doch die Eltern applaudieren nicht. Unter dem Fernseher steht ein Kühlschrank, aus dem man unappetitliche Qi²-Proteinriegel greifen kann.

Nach eineinhalb Stunden ist Sense. Wir folgen dem schwarzen Laminat in den hintersten Raum, der Freihantel-Bereich. Der Beyoncé-Dancepop des Geräteraums weicht bollerndem Darkroom-Techno, Grüppchen von Typen feuern sich gegenseitig wie bei einem Boxkampf an und treiben sich bis an den Punkt des totalen Muskelschmerzes. Hier produzieren sogar die Frauen übermäßig Testosteron.

Schwach schlurfe ich in die Umkleidekabine zurück. Aus die engen Schuhe und das enge Shirt. Ich strecke meinen Oberkörper und gucke über meine Schulter. Ich kann‘s nicht glauben, aber da steht schon wieder ein Typ und quetscht an seiner einen Titte rum.

KURT-Kolumnist Malte Schönfeld schreibt die monatliche Kolumne „Kopfüber“. Leserbriefe gern an redaktion@kurt-gifhorn.de.


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