Musik

Tausche Aktentasche gegen E-Gitarre - So schaffte es Marc Beierstedt vom Betriebswirt zum Bühnenstar

Matthias Bosenick Veröffentlicht am 26.10.2020
Tausche Aktentasche  gegen E-Gitarre - So schaffte es Marc Beierstedt vom Betriebswirt zum Bühnenstar

Marc Beierstedt ist gebürtiger Wolfsburger, studierter Betriebswirt und Lehrer an der Musikschule des Kultbahnhofs in Gifhorn. Aber in erster Linie ist Marc vor allem leidenschaftlicher Vollblutmusiker.

Foto: Kommodere Johnson

Vom Betriebswirt zum Bühnenstar: Marc Beierstedt absolvierte ein BWL-Studium, probierte sich in diversen kaufmännischen Jobs aus – und war erst dann wirklich glücklich, als er die Musik endgültig vom Hobby zum Hauptberuf machte. Das nämlich nicht nur als Gitarrenlehrer an der Musikschule im Gifhorner Kultbahnhof, sondern auch als Musiker: So ist er Mitglied der Band Brenner – und der Rock-Cover-Gruppe The Plagiats, die im Winter ihr zehnjähriges Bestehen feiert. Auf dem Weg zum Berufsmucker erlebte der 40-Jährige Kuriositäten wie eine Band namens Lecker Nudelsalat, italienische Schlager und ein Jazz-Konzert auf einem Hamburger Hafenkutter.

Die erste Kuriosität betrifft gleich den Bandnamen der Plagiats, dem zwar ein The vorangeht, den es als englischen Begriff so aber gar nicht gibt, weshalb er nach dem englischen Artikel deutsch ausgesprochen wird, wie Marc Beierstedt lachend erklärt: „Das haben sich Kumpels von uns ausgedacht, wir fanden das gut, egal, ob es falsch ist.“ Eigentlich hätten sie sich dann nämlich The Plagiarisms nennen müssen, aber dann wären sie wohl nicht in einer Internetliste mit den besten Namen für Coverbands aufgetaucht, was sie selbst sogar erst zwei, drei Jahre später erfuhren: „Lustig.“

Ursprünglich waren The Plagiats ein Projekt aus Marcs Freundeskreis, noch mit einem anderen Schlagzeuger, Max Herlyn: „Wir hatten Lust, Musik zusammen zu machen“, so Marc. Zunächst akustisch und mit Max als Gitarrist, weil es unkomplizierter war, und mit Michael Voigt und Tanjana „Tanny“ Achilles, die The Plagiats zum Quartett machten.

Seit nunmehr zehn Jahren covert Marc Beierstedt (links) bei The Plagiats gemeinsam mit seinen Band-Kollegen Marek Gluszczynski, Michael Voigt und Tanjana „Tanny“ Achilles Rock-Hits aus den vergangenen 60 Jahren.

Foto: Privat

Tanny sang zunächst, und als sich The Plagiats dann doch noch elektrifizierten, lernte sie den Bass zu spielen und Max kehrte ans Schlagzeug zurück. Bis er aus beruflichen Gründen seinen Schemel räumte – für nicht nur einen Nachfolger: „Wir haben fünf verschiedene Schlagzeuger gehabt“, erzählt Marc. Häufig waren vom Musikerleben abweichende Lebensplanungen der Ausstiegsgrund. Seit Anfang 2020 trommelt Marek Gluszczynski bei The Plagiats: „Es fühlt sich gut an, wir sind happy darüber“, freut sich Marc. Die Band probt mit ihm einmal pro Woche, auch zu Coronazeiten, „mit sehr strengen Auflagen“, wie Marc betont. Der Proberaum befindet sich in der Musikschule Wolfsburg, in deren Nähe alle vier Musiker auch leben: „Das ist ein sehr cooler Proberaum.“

Marc ist Wolfsburger, nur für sein Studium verlegte er seinen Wohnsitz temporär nach Lüneburg. Sein Arbeitsort ist aber Gifhorn – und das kam, weil ihn Volker Schlag vor sieben Jahren fragte, ob er bei ihm im Kultbahnhof Gitarre unterrichten und außerdem aushilfsweise in dessen Band Gitarre spielen könne. Daraus wurde ein Dauerengagement, auch wenn Volker Schlags Band zurzeit pausiert: Mit der trat der Kultbahnhof-Chef nämlich bundesweit auf Altstadtfesten und vergleichbaren Veranstaltungen auf. „Ich bin happy, dabei gewesen zu sein, das hat super Spaß gemacht“, strahlt Marc. „So hatte ich die Gelegenheit, beim Altstadtfest auf der Rathaus-Bühne zu spielen – das war eine andere Größenordnung als alles, was ich vorher gemacht habe.“

Und das war nicht eben wenig. Mit 23 Jahren war Marc zum Studieren nach Lüneburg gezogen und 2009 nach Wolfsburg zurückgekehrt. Bereits im Studium war er als Gitarrist aktiv: „Ich habe die ganze Zeit nebenbei Musik gemacht“, erzählt Marc. Und doch war sein Plan: Nach Wolfsburg zurück und eine Arbeit suchen. „Das hat sich ziemlich schwer gestaltet“, blickt der Betriebswirt zurück.
„Fünf, sechs Jahre lang wechselte ich von Job zu Job – und wollte doch immer Musik machen.“ Erschwerend hinzu kam, dass während der Finanzkrise 2008/2009 kaufmännische Jobs rar gesät waren, sogar in Wolfsburg. Selbst ein Auslandspraktikum in Dublin verbesserte Marcs Chancen nicht. Und Kostenrechnung vor Klampfe: Das konnte für ihn nicht lang gutgehen.

Während dieser Zeit hatte Marc einige Gigs mit einer Partyband, die oftmals um die sechs Stunden dauerten, bisweilen sogar noch viel länger. Und bald schon stellte er fest, dass er sich in seinen Brotjobs nicht besonders wohlfühlte und die Möglichkeit sah, mit dem Musikmachen – wenn auch mit Abstrichen – einen Teil seines Lebensunterhaltes zu verdienen. Ernste Zweifel, ob der Bürojob für immer das Richtige für ihn sein würde, keimten in ihm auf. Und als dann Volker Schlag bei ihm anklopfte und ihm einen Posten als Lehrer in seiner Musikschule anbot, versuchte Marc es zunächst mit einer Halb-und-halb-Verteilung, doch: „Nach einer Woche war klar – es gibt kein Zurück.“ Seit 2016 nun arbeitet Marc in Vollzeit als Musiker, und er betont dabei: „Ich habe einen starken Bezug zu Gifhorn.“

Aktuell sind also The Plagiats und Brenner Marcs Hauptbands, gelegentlich musiziert er für Kollegen im Studio, und: „Ich spiele gern Feuerwehr“, er springt also gern mal ein, wenn irgendwo Not am Manne ist. So spielte er einmal mit der Partyband Take Five in der Nähe von Hannover in der Lüneburger Heide auf einem Schützenfest, zehn Stunden dauerte der Auftritt: „Schon um 18 Uhr standen die Leute auf den Tischen“, erinnert sich Marc. Mit der Hochzeitsband Panorama absolvierte er die Shows stets im Anzug, mit weißem Hemd und Krawatte.

Dann spielte er 50, 60 Konzerte für eine Kölner Band mit dem Namen Lecker Nudelsalat, „in der Rhein-Main-Gegend, sechs Stunden waren die Regel, manchmal gab es Verlängerung“, und dann fuhr er sogar nachts wieder nach Hause. „Das war ein Knochenjob, aber vernünftig bezahlt und machte Spaß“, sagt er. Außerdem lernte er mit jedem Gig etwas dazu, und sei es nur neue Songs, die sein persönliches Repertoire erweiterten.

Mit der Kölner Band Lecker Nudelsalat spielte Marc manchmal mehr als sechs Stunden lange Gigs – „ein Knochenjob“, der ihm Spaß macht.

Foto: Privat

Hochzeiten, Firmenfeiern, Privatpartys waren die klassischen Engagements von Lecker Nudelsalat, selten Stadtfeste. Das ist bei The Plagiats anders, die spielen vor allem öffentlich, so Marc: „Da bin ich froh drüber, da hat man größere Bühnen.“ Und daher mehr Publikum für den Classic Rock, den The Plagiats bevorzugt spielen. Damit startete Marc auch seine Musikerkarriere: Mit Anfang 20 gründete er mit Schulfreunden die Coverband On The Hunt, die mit Songs zwischen Classic Rock und Metal auch Marcs persönlichen Geschmack absteckte.

Während seiner Studienzeit wiederum, in der On The Hunt pausierten, wagte er den Blick weit hinaus über diese geschmackliche Linie – und da wird es definitiv kurios.

Die Limbo Kings etwa waren eine Italo-Pop-Band aus Lüneburg, bei der Marc spielte. „Ich weiß gar nicht mehr, wie ich da rangekommen bin“, lacht er. Der Sänger, Bruno Carlucci, nannte seine Mitmusiker Markus und Marc verwirrenderweise beide stets Marco. „Das war witzig und obskur“, lacht Marc, und führte die Limbo Kings mal irgendwo in eine Kneipe vor nur 20 Gästen und mal nach Bergedorf in einen Jazzclub, in dem die Gäste die Band für zu laut hielten.

Als Folge eines Kontaktstudiengangs für Popularmusik in Hamburg war er zudem Teil der Band von Saint Lu, der österreichischen Sängerin Luise Gruber, aber: „Das hat nicht so richtig funktioniert mit der Band“, erzählt Marc. Die Zeit in Hamburg jedoch brachte Marc auf anderer Ebene weiter: „Da war die Musikszene aus ganz Deutschland vereint, man hat mit allen Musik gemacht und sich ausgetauscht – das war cool.“

Außerdem gehörten Bigband-Engagements zu Marcs Vita, weitere Stationen waren Janice Mirror & The Circus in Wolfsburg, Hardcover in Hamburg und für einen Sommer das Akustik-Duo Retro Kings mit Roberto Achilles, dem Sänger von On The Hunt. Und Marc war sogar einmal Teil eines Jazz-Quartetts, mit Saxophon: „Ich wollte einfach immer was machen, ich bin für jedes Genre offen, wenn die Leute okay sind – ich bin kompromissbereit.“ Mit diesem Quartett spielte er einmal auf einem Elbkutter, „das war ein legendärer Auftritt“, befindet er. Denn: „Auf einem Kreuzfahrtschiff kann jeder, aber auf einem Kutter, wo’s oben rausraucht und hin und her schwankt – das war geil!“

Die Frise erinnert an Jimmy Page, Marcs musikalisches Vorbild von Led Zeppelin.

Foto: Privat

Italo-Pop, Jazz und Schützenfestmusik also – dabei war Marc der Classic Rock im Prinzip in die Wiege gelegt: „Ich war ein Riesen-Beatles-Fan“, sagt er. Mit zehn Jahren war eine Best-of von Queen seine erste CD, und sein Vater übte mit seiner gigantischen Plattensammlung einen prägenden Einfluss auf ihn aus: „Ich bin mit Classic Rock beschallt worden.“ Als Kind sah er den Auftritt von Led Zeppelin aus dem Madison Square Garden, als Jimmy Page bei „Dazed And Confused“ seine Gitarre mit dem Geigenbogen bearbeitete: „Das hab ich mir gemerkt.“ Und genau dieses Stück würde er gern mal mit einer Band genau so performen: „Das wäre ein Traum.“ Als junger Teenager übernahm er dann seine erste Gitarre vom Vater, an der er zu experimentieren begann und zu diesem Zeitpunkt hörte sein großer Bruder Jimi Hendrix: „Das hat mich angefixt, das will ich auch können.“ Später, mit der ersten eigenen E-Gitarre, meldete ihn seine Mutter bei der Musikschule an. Und seinem Lehrer von damals folgte Marc später in Volker Schlags Band – so schließen sich Kreise.

Dieser Tage ist Marc ausreichend beschäftigt: Mit Brenner arbeitet er zurzeit am zweiten Album, in der unterrichtsfreien Zeit während der Coronakrise begann er an einer Plattform für Online-Schulungen zu basteln und er startete einen Instagram-Account für sein zweites Hobby, die Fotografie, das er sukzessive zu seinem zweiten Standbein machen will. Und bespricht mit seinen The-Plagiats-Kollegen den runden Geburtstag: Wie sie das Zehnjährige feiern, ist in der Coronazeit nicht abschließend planbar. „Vielleicht ein Online-Konzert“, überlegt Marc. „Oder draußen – wir müssen gucken, welche Möglichkeiten wir dann haben.“ Ohne etwas Spezielles soll dieses Ereignis jedenfalls nicht vergehen, findet Marc.

Vielleicht mischt das Quartett ja einige Akustiksongs zwischen die Rockstücke. Möglicherweise könnte die Band dafür sogar ihre sämtlichen früheren Schlagzeuger zusammentrommeln. Cool wär‘s!


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