Musik & Kunst

Leidenschaft brennt bis zum Burn-out – und weiter: Der Knesebecker Maler Dirk Wink-Hartmann steigt bei Rockband Don‘t Care! ein

Matthias Bosenick Veröffentlicht am 13.12.2025
Leidenschaft brennt bis zum Burn-out – und weiter: Der Knesebecker Maler Dirk Wink-Hartmann steigt bei Rockband Don‘t Care! ein

Don‘t Care! sind mit Dirk Wink-Hartmann (vorn) um einen Bassisten reicher. Zum ersten Mal in der neuen Formation spielt die Rockband im Kufa-Haus in Braunschweig, Anlass ist ein Weihnachtskonzert.

Foto: Mascha Bogner

Nach Jahrzehnten der Musikerabstinenz steigt Dirk Wink-Hart-mann, früherer Gitarrist von Royal M Parade, Mitgründer der Konzertagentur Undercover und jetziger Maler, spontan bei der Rockband Don’t Care! als Bassist ein. Der Knesebecker erzählt KURT aus seiner vielseitigen Kulturgeschichte. Den Teil der eigentlich stillgelegten Braunschweiger 90er-Jahre-Band Don’t Care! übernimmt deren Schlagzeuger Karsten Bohndick. Zum ersten Mal miteinander zu sehen sind sie beim Weihnachtskonzert am Samstag, 27. Dezember, ab 20 Uhr im Braunschweiger Kufa-Haus. Tickets gibt‘s ab 19,15 Euro bei allen bekannten Vorverkaufsstellen.

Die Wege von Dirk und Karsten kreuzten sich nicht erst vor dem Einstieg des Malers bei den Indie-Rockern. „Wir kennen uns jahrzehntelang“, winkt Karsten ab. Und zwar aus dem FBZ, dem vor mehr als 20 Jahren stillgelegten Freizeit- und Bildungszentrum in Braunschweig, in dem coole Bands aus aller Welt auftraten. „Jack Deuce, unser Sänger, war da Zivildienstleistender“, erzählt Karsten, und Dirk nickt, denn Michael Schacke, sein Freund von Royal M Parade und Undercover, ebenfalls, und: „Ich hab da Abendkasse gemacht, Aufbau und Abbau.“ Außerdem sprang jener Micha einmal bei einem Don‘t-Care!-Gig im Jugendzentrum Ehmen ein, jetzt gibt‘s den Personal-tausch also umgekehrt.

Nun hatte Dirk seine Gitarre bereits vor gut 30 Jahren eingemottet, um sich mit Micha auf Undercover zu konzentrieren. Royal M Parade hatten sie 1984 in Knesebeck gegründet, im Anschluss an kleinere Projekte, etwa 1983 Revival Of Rock, da war Dirk 13 Jahre alt. Er grinst: „Bei uns gab‘s Leute, die hatten Kutten getragen mit Revival Of Rock drauf.“ Mit Royal M Parade schlugen sie den Weg größtmöglicher Professionalisierung ein und übernahmen es selbst, Veranstaltungen zu buchen, etwa den Rockpalast im Knesebecker Hof oder die Weihnachtsrocknacht im Schützenhaus.

Im Clubraum hinter dem Knesebecker Hof hatten Royal M Parade ihren Proberaum und im Geschoss darüber wohnte eine „alte Dame“, erzählt Dirk: „Da haben wir immer gesagt, wenn die auszieht, wollen wir die Wohnung haben.“ Als er 17 Jahre alt war, war es so weit, zu dritt zogen sie dort ein, „Schlagzeuger Carsten Dierks, Micha und ich“. Zum Proben begaben sie sich einfach ein Stockwerk tiefer, „das war ein Traum“. Als dann ein griechisches Lokal die Gastro im vorderen Bereich übernahm, kam es zu weiteren Synergien: „Der Koch war Schlagzeuger, der kam rüber und wollte immer spielen, und wir haben beim Griechen ausgeholfen.“ Dirk sinniert: „Ich hatte eine gute Kindheit.“

Von 1991 bis 1996 sorgten Royal M Parade für Aufsehen. Dann gründeten Dirk Wink-Hartmann und Michael Schacke die Konzertagentur Undercover.

Foto: Band

Mit Royal M Parade hatte Dirk 1991 die erste lange Tour, „mit 24 Gigs in Folge, die haben wir selbst gebucht“. In diesem Zuge gründeten Dirk und Micha dann Undercover und führten die Band fort. Bis 1996: „Dann haben wir eine Pause als Band gemacht.“ Die bis heute anhält. „Ich war 23, 24, es war ein schleichender Prozess“, sagt er. Der Schwenk von der Mucke zur Agentur fühlte sich richtig an: „Es hat Bock gebracht und es hat eine Leidenschaft geweckt.“

Alles lief gut und in Bahnen. Bis Dirk einen Burn-out hatte und bei Undercover die Segel strich. 2012 war das. „Micha hat mich doll unterstützt“, ist er dankbar über die nach wie vor innige Freundschaft. Auf Reha hatte er hilfreiche Gespräche, „es war eine gute Zeit“, und gründete mit zwei weiteren Leuten eine Band mit dem treffenden Namen Dachschaden. Ein weiteres Betätigungsfeld schlich sich in Dirks Leben. „In der Reha hieß es: Wir malen heute“, erzählt er lachend. „Ich habe gedacht: Ach Du Scheiße, ich muss hier bald einen Baum tanzen.“ Also malte er ein bisschen, „bald ein bisschen mehr – das wurde immer mehr und bald war ich dann schon wieder am Produzieren“.

Doch der Keim war aufgegangen, zu Hause begann er, Porträts zu malen. „Ich habe dann vier Stunden lang an nichts gedacht“, erzählt er. Nur Mucke an – und die verwunderte Frage an sich selbst: „Was ist das für ein Zustand?“ Ein gewonnener Kunstwettbewerb mit dem Angebot zu einer Ausstellung bestätigte Dirk die neue Richtung: „Eine Knospe ist aufgegangen.“ Das sprach sich in Kunstkreisen herum, man fragte ihn für weitere Ausstellungen an.

Auch mit pausierter Band und verlagertem Schwerpunkt verlor Dirk nie die Sehnsucht nach der Gitarre, „aber es war nicht möglich“. Bis er bei Undercover ausstieg, „da habe ich fast täglich gespielt und auch Aufnahmen gemacht“. Im Proberaum gründete er die Band Fogman und spielt außerdem bei zwei Coverbands mit, Gloria Days und einer, die trotz einiger Jahre Proben noch keinen Namen hat. Und dann hörte Dirk vom vakanten Bassisten-Posten bei Don’t Care!. „Das waren Heroes, die coolen Punk-Rock‘n‘Roller“, schwärmt Dirk. Er hat noch all ihre Kassetten. „Ich habe Bock, Bass zu spielen, und die haben gesagt: Komm vorbei.“ So kam es, und Schlagzeuger Karsten ist glücklich: „Winki am Bass, das ist eine göttliche Fügung.“ Dirk hatte sich zunächst präsentieren müssen, er grinst: „Mein letztes Vorstellungsgespräch hatte ich beim Otter-Zentrum in Hankensbüttel.“

Die aktuelle Wiederbelebung von Don’t Care! ist indes nicht die erste, erzählt Karsten: „Wir haben uns schon mal an einer Reunion versucht, 2018 haben wir uns im Proberaum meiner anderen Band Helsinki Blockheads getroffen. Aber der Funke wollte nicht überspringen. Da haben wir gesagt: Versuchen wir es später noch mal.“ So kam es vergangenes Jahr am Rande eines Auftritts der Indiegos im Wolters Applaus Garten zu einigen Jams mit Sänger Jack, der sofort Blut leckte. Ein Proberaum war bald gefunden und im März die erste Session abgehalten, mit Karsten, Sänger Jack Deuce alias Andreas Giffhorn und Gitarrist Andreas „Bogi“ Bogner. Nur ohne Bassisten. „Doch dann kam Winki ins Spiel“, sagt Karsten.

Jener Jack gründete Don’t Care! 1984 mit Wolfgang Rafinczek, Lutz Reinhard sowie seinem Bruder Frank Giffhorn am Schlagzeug. Ostern 1986 kam Karsten dazu, als Nachfolger von Frank, nach einem gemeinsamen Konzert von Don’t Care! und Karstens Band Isolation. Mittlerweile gehörten Gitarrist Gunnar Refardt und Bassist Peter Wagner zur Band. Nachdem Gunnar 1993 nach Berlin umzog, stieg Bogi ein, zwischenzeitig mit Peter Richter ein zweiter Gitarrist, „das war laut“, erinnert sich Karsten. 1998 benannte sich die Band um in Orange Whip und verlegte sich darauf, die eigenen Songs akustisch vorzutragen, „mit Akkordeon, Geige und Klavier“. Er grinst: „Wir haben Freunde eingeladen, die das spielen konnten.“ 2010 kam es dennoch zur Auflösung.

Den Geist der Zeit geatmet: Mehr 1990er geht fast nicht als dieses kraftvolle Bandfoto in schwarz-weiß.

Foto: Band

Von beiden Bands, Royal M Parade und Don’t Care!, liegen jeweils drei Alben vor, alle von alten Fans bis heute in Ehren gehalten. Don’t Care! unterschrieben 1990 einen Plattenvertrag bei einem kleinen Label. „Wir mussten uns aber um alles selbst kümmern“, erinnert sich Karsten. Heißt: Ihr Manager organisierte alles. „Wir sind in Deutschland rumgekurvt, in der Schweiz, in Österreich, mal vor 40 Leuten, mal vor 500, mal vor vier.“ Dirk nickt, das kennt er auch so. „In Rosenheim haben uns drei Dorfpunks gesehen, die haben auch unsere Platte gekauft“, fährt Karsten fort. „Wir sind mit denen um die Häuser gezogen und haben im einzigen besetzten Haus übernachtet, das das spießige Rosenheim hatte.“ Das genannte Publikum passte zu Don’t Care!: „Die Art unserer Musik ist ja Punk, sie hat die Anlagen zum Do-it-yourself – wir haben uns alles selbst beigebracht“, sagt Karsten, der als Vorbild Stewart Copeland von The Police nennt.

Von einem Musikvideo erzählt Karsten, das Don’t Care! drehen ließen: „Das ist witzig, das kann man aber keinem zeigen“, lacht er. Jemand von der Hochschule für Bildende Künste (HBK) in Braunschweig nahm sich dessen an. Ambitionen, auch bei MTV oder Viva gezeigt zu werden, hatten Don’t Care! indes nicht: „Wir waren zu lazy. Und ein Stückweit wollte man das nicht.“ Musikvideo-Geschichten hat auch Dirk von Royal M Parade parat. Das letzte drehte ebenfalls jemand von der HBK, und zwar zu „Space Oddity“ von David Bowie, das die Knesebecker coverten: „Der hat uns im Rechner implementiert mit einem Raumschiff, der hat tagelang gerechnet.“ Zu einem weiteren Video hatten sie einen Deal bei einem großen Label, und der Vertreter versprach ihnen: „Jungs, ich sehe Stadien“, mit ausladender Armbewegung. Dirk lacht: „Wir haben nie wieder was von ihm gehört.“

Große Bühnen kennen beide Musiker dennoch. 1991 lockten The Strangemen aus Aurich Don’t Care! nach Berlin, berichtet Karsten. Eine gemischte Erfahrung: „Ich fand das spooky und war froh, als ich wieder weg war.“ In Berlin zu spielen sei zwar immer cool gewesen, aber Hamburg lag ihm mehr, etwa ein Gig in der Großen Freiheit – und der kam sogar über Undercover zustande. Auch Dirk spielte mit Royal M Parade in der Großen Freiheit, und er erzählt, dass sich das Publikum zuraunte, Lemmy von Motörhead sei zugegen. Das Raunen drang auch der Band zu Ohren: „Als das Konzert vorbei war, sind wir von der Bühne und haben die Leute gefragt: Wo ist er?“ Die Antwort fiel ernüchternd aus: „Der kam nur kurz rein, hat junge Leute gesehen und ist wieder raus.“ Dafür spielten Royal M Parade 1994 beim Revival von Die Ärzte im Braunschweiger Kennel-Bad, zusammen mit ihren Undercover-Weggefährten Fury In The Slaughterhouse und Terry Hoax vor amtlichen
8000 Leuten: „Cool!“

Und nun kreuzen sich die Wege von Dirk und Don’t Care! auf eine verbindende Weise. „Den Grashalm brauche ich“, sagte sich Dirk, als er von der Lücke im Line-up hörte. Ihm gefällt, dass die Band fast nur eigene Songs spielt: „Vom Auswendiglernen ist das sehr anspruchsvoll für mich, 30 Songs“, sagt er. „Die Proben machen total Spaß, schön laut.“ Diese Zusammenkunft kam dem Booker des Kufa-Hauses zu Ohren, der der Band sofort das Weihnachtskonzert vorschlug. „Die Idee kam zur richtigen Zeit“, freut sich Dirk – und Karsten sinniert: „Vielleicht ist das der Aufhänger für mehr?“

Weihnachtskonzert: Don‘t Care!
Samstag, 27. Dezember
20 Uhr, Kufa-Haus
Westbahnhof 13, Braunschweig

Dirk Wink-Hartmann
wink-hartmann.de


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