KURT vor Ort

Studenten untersuchen alten Friedhof an Gifhorns Weinberg - und stoßen auf Erstaunliches im Erdreich

Marieke Eichner Veröffentlicht am 24.09.2020
Studenten untersuchen alten Friedhof an Gifhorns Weinberg - und stoßen auf Erstaunliches im Erdreich

Robin Zywczok (links), Sonja Wichmann (vorne mittig) und Ruth Glebe (rechts) sind drei der sechs Studenten, die unter der Leitung von Professor Doktor Anreas Hördt (hinten rechts) und seinem Mitarbeiter Doktor Christopher Virgil (hinten links) den alten Friedhof am Gifhorner Weinberg geophysikalisch untersuchen.

Foto: Çağla Canıdar

Jede Menge neue Erkenntnisse versprechen die Untersuchungen, die zurzeit auf Gifhorns altem Friedhof am Weinberg laufen. Die sechs jungen Menschen, die zurzeit mit seltsam anmutenden Gerätschaften die parkähnliche Anlage ablaufen, sind jedoch nicht auf der Suche nach makaberen Orten für satanische Gothic-Rituale – es sind Studenten der Technischen Universität Braunschweig, die unter der Leitung von Professor Doktor Andreas Hördt (56) geophysikalische Messungen auf unserem alten Stadtfriedhof vornehmen. Am Donnerstagvormittag hat das KURT-Team sie vor Ort getroffen.

„Wir messen gerade die Leitfähigkeit und die Distensibilität“, erklärt TU-Student Robin Zywczok (23). Mit seinen Kommilitoninnen Ruth Glebe (23) und Sonja Wichmann (24) hat er ein Areal mit mehreren Maßbändern abgesteckt. Nun führen Ruth und Sonja ein längliches, orangefarbenes Gerät an den Maßbändern entlang. Ein sogenanntes M38. Robin notiert die Daten, die ihm Ruth und Sonja zurufen. „Anhand der zwei gemessenen Faktoren können wir ein Bodenprofil anlegen“, erläutert Robin. „Daran können wir dann ablesen, ob sich leitfähige Metalle im Boden befinden.“ Am Tag vor unserem Treffen vermaßen die Drei das Areal bereits magnetisch. Eine kleinschrittige, mühselige Arbeit – aber Robin lacht. „Die Auswertung später am Computer ist aufwendiger.“

Sonja Wichmann (links) zeigt das Messgerät M38. Gemeinsam mit ihren Kommilitonen Ruth Glebe und Robin Zywczok untersucht sie ein Areal auf dem alten Friedhof am Gifhorner Weinberg.

Foto: Çağla Canıdar

Wie ein solches Profil nach Auswertung der Daten aussieht, zeigt der leitende Professor Hördt beim Ortstermin. „Die Bereiche mit hohem Kontrast zeigen an, dass sich Metalle im Untergrund befinden“, erklärt er und zeigt auf auf eine mitgebrachte Karte. Sie zeigt die Ergebnisse der Magnetfeldmessung aus dem vergangenen Jahr. Eine grobe Übersicht, an der sich seine sechs Studenten orientieren und Bereiche aussuchen, die nun im Detail untersucht werden.

„Wir suchen immer spannende Stellen“, berichtet der Wissenschaftler – und in unserem Gifhorn sind sie fündig geworden. Der Professor, sein Mitarbeiter Doktor Christopher Virgil (38) und ihr Team freuen sich, dass Gifhorns Kulturamtsleiter Klaus Meister auf sie zukam. Die Studenten lernen im Geländepraktikum den Umgang mit den wissenschaftlichen Messgeräten – und die Gifhorner erfahren Neues über ihren alten Friedhof am Weinberg. Der ist nämlich – wie Klaus Meister erklärt – Gegenstand eines Lokalhistorikerstreits.

Professor Andreas Hördt zeigt auf einer mitgebrachten Karte die Ergebnisse der Magnetfeldmessung aus dem vergangenen Jahr. An dieser orientieren sich seine Studenten bei ihren genaueren Untersuchungen.

Foto: Çağla Canıdar

Die Vermutungen gehen auseinander, seit wann die Fläche am Weinberg als Friedhof genutzt wurde. Im Jahr 1382 wurde die Kapelle, die dort einst stand, eingeweiht. Ab 1519 sind Bestattungen auf diesem Friedhof in historischen Dokumenten festgehalten. Anfang des 20. Jahrhunderts wurde der Friedhof offiziell geschlossen – doch noch bis in die 1960er Jahre durften Familienmitglieder von dort bereits bestatteten Personen neben ihren Liebsten zur ewigen Ruhe gebettet werden. Bis es dann schließlich hieß: Jetzt ist hier Ende im Gelände.

Nach den Berechnungen von Klaus Meister könnten über die Jahrhunderte hinweg auf dem alten Friedhof etwa 12.000 Bestattungen stattgefunden haben. Er vermutet, dass unter der Grasnarbe bisher unentdeckte Gräber und Grabplatten schlummern. Für Klaus Meister steht die Frage im Raum: „Kann man ohne Grabung ermitteln, wo etwas unter der Erde liegt?“

Professor Hördt fasst die bisherigen Ergebnisse so zusammen: „Man kann salopp sagen, hier ist einiges los.“ Wieder deutet er auf die mitgebrachte Karte: „An dieser Stelle können wir an dem hohen Kontrast erkennen, dass sich Metalle im Boden befinden.“ Sein Mitarbeiter Doktor Virgil ergänzt: „Dabei könnte es sich um Grabbeschläge aus Bronze handeln.“

Etwas abseits untersuchen Cindy Grätz (24), Nathan Grundmann (22) und Johannes Hoppenbock (24) ein weiteres Areal. „Wir arbeiten hier mit einem Magnetometer“, erklärt Nathan und deutet auf einen langen Stab, der an mehreren Stellen mit Alu-Folie umwickelt ist. Johannes hält das Magnetormeter und geht damit, an einem Maßband entlang, auf zwei Grabsteine zu. Das Magnetometer ist verbunden mit einem digitalen Messgerät, das Cindy trägt.

Alle 25 Zentimeter machen Johannes und Cindy einen Stopp, Johannes setzt den Stab an, Cindy liest die Daten ab und Nathan notiert sie in einer Tabelle. „Bei einem Magnetometer sitzen drei Sensoren übereinander“, erläutert Nathan. „Die Alu-Folie ist übrigens dazu da, Temperaturschwankungen auszuschließen. Die können nämlich die Ergebnisse verfälschen. Die Sensoren messen Änderungen des Magnetfeldes der Erde.“ Dieses Magnetfeld umgibt unseren Planeten und richtet sich stets nach Norden aus. „Finden wir Änderungen, deutet das auf metallische Gegenstände im Untergrund hin“, meint Nathan. Dann berichtet er triumphierend: „Wir haben sogar schon was gefunden! Könnte ein alter Sarg sein...“

Nathan Grundmann (links), Johannes Hoppenbock und Cindy Grätz arbeiten auf dem alten Friedhof am Gifhorner Weinberg mit einem Magnetometer, um den Untergrund geophysikalisch zu untersuchen.

Foto: Çağla Canıdar

Auch der Gifhorner Kreis- und Stadtarchäologe Doktor Ingo Eichfeld und der ehrenamtliche Beauftragte für archäologische Denkmalpflege Heinz Gabriel sind gespannt auf die Ergebnisse. Sollte die evangelische Kirche, welcher der alte Friedhof gehört, einer Grabung zustimmen, wären beide mit Feuereifer dabei. Ingo Eichfeld betont jedoch, dass eine solche Grabung mit Respekt für die bestatteten Toten vonstatten ginge, es handle sich schließlich um eine Ruhestätte. Und Heinz Gabriel ergänzt: „Wir wollen hier nichts entnehmen – nur dokumentieren.“

Eine geeignete Stelle für eine eventuelle Ausgrabung sollen nun die Ergebnisse der sechs Studenten für Physik und Umwelt- und Naturwissenschaften anzeigen. Gifhorns Bürgermeister Matthias Nerlich hofft, so den alten Friedhof als Begräbnisstätte, Gedenkstätte und Park zu erhalten – „und das Areal aus seinem Dornröschenschlaf zu wecken“.


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