Essen & Trinken
Roadtrip zum Herz der bürgerlichen Küche: In Radenbeck serviert das Landhaus Heidekrug wohlüberlegte Klassiker
Malte Schönfeld Veröffentlicht am 20.09.2024Die Sommermonate sind für viele Gifhornerinnen und Gifhorner die schönste Zeit des Jahres, im Urlaub erleben sie die heilige Dreifaltigkeit aus Beruhigung, Bespaßung und Bewirtung. Dabei ist es ganz unerheblich, ob man in Santa Barbara Krabbencocktails nascht, in Antalya eine Platte Meze oder in Dänemark ein reich belegtes Smørrebrød. Doch auch in der Heimat lohnt es sich derzeit besonders, auf die traditionellen Gerichte zu setzen. So etwa im Landhaus Heidekrug, der in Radenbeck – unweit der Grenze zu Sachsen-Anhalt – mit weitestgehend bürgerlicher Küche besticht. KURTs Gastro-Tester Malte Schönfeld hat sich vor Ort umgeschaut.
„Roadtrip, Roadtrip“, kreischt unsere Bekannte und streckt ihren Arm aus dem Seitenfester, während meine Begleitung gerade das total verbaustellte Westerbeck in Richtung Norden verlässt. „Schneller, schneller“, weist unsere Bekannte herrisch an, als wir auf der Landstraße sind.
„Du hast nicht mal ‘nen Führerschein, und ich soll meinen aufs Spiel setzen? Du spinnst ja wohl. Hier wird nicht gerast“, zeigt meine Begleitung der Dränglerin einen Vogel.
Wir fahren in den Nordosten unseres Landkreises, so weit sind wir für den Gastro-Test wohl noch nie gefahren. Vorbei an gelben Kornfeldern und fast endlosen Nadelwäldern erreichen wir dann Radenbeck, das zwischen Wittingen und Brome halbwegs versteckt liegt – zumindest aus gifhorn-zentristischer Perspektive.
Auf dem Heidekrug-Parkplatz treffen wir unseren Bekannten, dessen elektrisches Zauberauto wenige Meter entfernt steht. „Seht Ihr, jetzt sind wir zu spät“, nörgelt meine Bekannte, und ich würde ihr gerne vors Schienbein treten, doch sie geht auf Krücken, und ich bin ja kein Unmensch. Wir platzieren uns draußen, weil das Wetter es zulässt und weil wir uns so einen guten Blick auf die Schönheit des Dorfs erlauben. Geschnittene Baumkronen, gepflegte Gehwege, verzierte Backsteinhäuser reihen sich an altes Fachwerk mit Torbögen und gepflasterten Höfen. „Häufig wird der Nordkreis unterschätzt“, sagt die Bekannte und zieht an ihrer dampfenden Elfbar, als Landhaus-Inhaber Thomas Spöttle uns begrüßt und über die saisonalen Angebote aufklärt. Es ist Pfifferlingszeit, und das begeistert mich direkt. Und noch viel besser: Vorneweg empfiehlt er uns die heutige Hochzeitssuppe, die ich unter keinen Umständen ausschlage.
Was das Essen im Heidekrug ausmacht, ist die breite Variation trotz angenehm schmaler Karte. Das vielfältige Angebot changiert zwischen der außerordentlichen Matjeswoche, klassischer bürgerlicher Küche wie Geschnetzeltem oder moderneren Burgern – so stellt man sich das Angebot einer Gaststätte vor, die sowohl Familienfeiern als auch Pendlerverkehr zu bewirten hat. Und für uns ist das genau richtig: Insgesamt wählen wir vier verschiedene Vorspeisen, davon drei verschiedene Suppen, Schnitzel und Burger sowie Kroketten, Pommes und Bratkartoffeln als Beilage.
Meine Hochzeitssuppe ist sehr gut, könnte für meinen Geschmack sogar noch kräftiger sein, allein die Portionsgröße ist noch ausbaufähig. Begeistert ist meine Begleitung über die bildschöne Süßkartoffelcremesuppe mit Sellerie, die so auch in einem Edelrestaurant serviert werden könnte.
Dann der Hauptgang. Hier sind gleich zwei Dinge hervorzuheben: Die Pfifferlinge in der Sauce sind äußerst empfehlenswert, wird sich doch weitestgehend auf den Eigengeschmack konzentriert und wenig beigemischt. Auch sind die Pilze frisch und knackig. In nichts stehen ihnen die Bratkartoffeln nach, die mit Schinkenwürfelchen nicht überfrachtet sind, sondern ebenfalls alleine scheinen dürfen. Einzig die Schnitzel hätten noch krosser sein dürfen.
Glücklich über dieses tolle Essen wage ich mich ganz weit aus dem Fenster und bestelle – auch für mich überraschend – einen Espresso. Mein Bekannter antwortet auf meine Frage, welches seine drei liebsten Kräuter seien, mit Salbei, Breitwegerich, Spitzwegerich, und ich überlege lachend, ihm für diese Antwort den Gastro-Test zu vermachen. Dann erklärt uns Heidekrug-Inhaber Spöttle, welche Desserts er uns ans Herz legt. Alles davon klingt verführerisch, und während meine Begleitung eine Blätterteig-Mascarpone-Lasagne mit Himbeeren wählt und meine Bekannte auf die vornehme Dessertvariation aus Mousse au Chocolat, Crème brûlée und Waldfrucht-Mascarpone setzt, soll es für mich der Heidelbeerbecher sein.
Das Vanilleeis ist ansprechend, die Portion Sahne gewaltig und die Heidelbeeren knackig frisch, doch zugegebenermaßen kann ich mich kaum mehr auf meine kulinarischen Eindrücke konzentrieren, weil ich mich gehirnkrampfauslösend frage, wie denn nun wohl Breitwegerich schmeckt. Die Runde geht an ihn, zweifellos.
Wir zahlen. Auf dem Nachhauseweg ist es dann angenehm still im Auto, so dass mir kurz die Augen zufallen. In meinem Tagtraum liege ich am Meer, nur dass der Sonnenschirm ein Pfifferling ist und der Sandstrand aus knusprigen Bratkartoffeln besteht.
Landhaus Heidekrug
Dorfstraße 10, Radenbeck
Mi. – Fr. 17 bis 21 Uhr
Sa. 11 bis 14 Uhr & 17 bis 22 Uhr
So. 11 bis 21 Uhr
Tel. 05836-9799678
landhaus-heidekrug.metro.bar