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Mit der Stahlkugel auf Highscore-Jagd - Zwei Gifhorner rücken den Flipper zurück ins Rampenlicht

Nick Heitmann Veröffentlicht am 27.04.2020
Mit der Stahlkugel auf Highscore-Jagd - Zwei Gifhorner rücken den Flipper zurück ins Rampenlicht

Es leuchtet, es rattert und es blinkt – an den Flipper-Automaten sind Steffen Grubert (links) und Daniel Vicciantuoni voll in ihrem Element und schießen die Stahlkugel auf Bumper, Targets und in die Holes.

Foto: Çağla Canıdar

Vor zehn Jahren wollte sich Steffen Grubert ein neues Hobby zulegen. Der Motorradführerschein sollte es sein. „Aber meine Frau“, so der Winkeler schmunzelnd, „hat gesagt, dass ich dann ausziehen kann...“ Also suchte er weiter – und wurde im Familienurlaub auf Fehmarn fündig. „Im Hotel haben meine Tochter und ich einen Flipper entdeckt“, erklärt der 51-Jährige. „So ein Ding hatte ich lange nicht mehr in der Hand gehabt.“ Die Begeisterung war schnell geweckt. Mittlerweile gehört er zum Vorstand der German Pinball Association (GPA), die die einstmals so beliebten Spielgeräte wieder populärer machen will. Und im Mai 2020 sollte in der Gifhorner Stadthalle eine Convention samt deutscher Meisterschaft steigen – die Veranstaltung musste leider aufgrund der Corona-Pandemie abgesagt werden.

Dass der familiäre Gegenwind seinen Motorrad-Wunsch vom Tisch gefegt hat, ist für Steffen Grubert längst kein Thema mehr. Deutlich wird das, wenn man das Gebäude betritt, das einst eine Doppelgarage war und von ihm zu einem kleinen Zockerparadies umgebaut wurde. Eine Theke steht darin, eine Sitzecke, vor allem aber, dicht an dicht, 15 Flipper mit Namen wie „Terminator 2“, „Die Sopranos“ oder „Transformers“, teilweise aus unterschiedlichen Jahrzehnten. Ein älteres elektro-mechanisches Gerät mit Zählwerk ist ebenso darunter wie modernere elektronische Modelle mit Digitalanzeige. Nimmt der Winkeler sein Inventar in Betrieb, erhebt sich eine Sinfonie aus Leuchten, Rattern und Blinken.

Der Winkeler Steffen Grubert gewährt in seinem kleinen Zockerparadies einen Einblick in einen seiner 15 Flipper-Automaten.

Foto: Çağla Canıdar

Es ist eine ganz eigene Welt, die sich da auftut und in der sich auch Daniel Vicciantuoni pudelwohl fühlt. „Wenn zum Beispiel in einem Tatort ein Flipper auftaucht, werde ich hellhörig“, erzählt der Halbitaliener, der „mit fünf, sechs Jahren“ erstmals mit Flippern in Berührung kam. Neben dem elterlichen Eiscafé in Braunschweig befand sich eine Spielhalle, in der er sich als Steppke häufiger vergnügte. „Irgendwann war damit aber Schluss.“ Erst als seine beiden Söhne größer wurden, erinnerte er sich an die frühere Leidenschaft. „Inzwischen“, so der Gifhorner, „haben wir zu Hause 13, 14 Geräte.“

Ganz billig ist diese Freizeitbeschäftigung nicht. Der „Big Bang Bar“ ist so etwas wie die Blaue Mauritius unter den Flippern: „Die erste Variante, die es davon gab, liegt bei 20.000 Euro“, sagt Steffen Grubert. „Ohnehin ist es schwer, heutzutage ein funktionsfähiges Gerät unter 1000 Euro zu bekommen.“ Was auch daran liegt, dass kaum noch neue Flipper auf den Markt gelangen. Produziert wird ausschließlich in den USA, Stern Pinball ist dort als einziger großer Hersteller übriggeblieben, „dazu kommen noch zwei, drei kleinere“, erklärt Steffen Grubert.

Um den Bedarf zu decken, ist die Szene vor allem auf Restbestände angewiesen, die zuweilen in Partykellern ihr Dasein fristen. Da ist Eigeninitiative gefragt. „Ich suche im Internet, inseriere immer mal wieder in Zeitungen“, so der Winkeler. Auch defekte Geräte sind willkommen – oder gerade die. „Das ist es, was dieses Hobby für mich ausmacht. Ich warte geradezu darauf, dass ein Gerät kaputtgeht“, berichtet Steffen Grubert schmunzelnd, „oder dass ein neues hereinkommt“. Dann wird das gute Stück fachmännisch in seine Einzelteile zerlegt. „Das erste Spiel nach der Reparatur ist dann eine echte Befriedigung.“

Ist ein Gerät defekt, wird es fachmännisch zerlegt: „Das erste Spiel nach der Reperatur ist dann eine echte Befriedigung“, lacht Steffen Grubert.

Foto: Çağla Canıdar

Um die Bumper (Schlagtürme), Targets (Zielscheiben) oder Holes (Löcher) auf dem abschüssigen Spielfeld mit Flipperhebeln und Stahlkugel möglichst gewinnbringend anzusteuern, ist eine bunte Palette von Fähigkeiten erforderlich. „Klar ist, dass die Maschine am Ende gewinnt“, betont Daniel Vicciantuoni. Letztlich geht es darum, die eigene Niederlage so lange wie möglich hinauszuzögern. „Natürlich kann man durch Training etwas bewirken“, so Steffen Grubert. „Aber Talent spielt eine Rolle, dazu kommen Geschicklichkeit und Reaktionsvermögen.“

Zudem sollte man im Kampf um den Highscore das Regelwerk der Automaten aus dem Effeff kennen. „Es gibt zum Beispiel Spielfelder, in denen die Punkte mit sechs multipliziert werden“, erklärt Daniel Vicciantuoni. „Ein Laie, der das nicht weiß, hat keine Chance, auch wenn er eine Stunde lang spielt und ich nur zehn Minuten.“ Steffen Grubert pflichtet seinem Mitstreiter bei: „Einen guten Spieler macht aus, dass er genau das trifft, was er treffen will.“

In der GPA sind rund 700 Spieler organisiert. Auch einen deutschlandweiten Ligabetrieb mit 28 Spielklassen gibt es, die Gifhorner mischen in der Hannover-Liga mit. Als Sportart ist das Flippern – anders als in Österreich – hierzulande nicht anerkannt. „Man ist dabei aber auf jeden Fall mehr in Bewegung als beim Schach“, sagt Steffen Grubert lachend. Das kann Daniel Vicciantuoni bestätigen. „Wenn man richtig kämpft, ist man am Ende durchgeschwitzt bis aufs Hemd“, betont der 54-Jährige.

Mutterland und Hochburg sind zwar die USA, wo in den 40er Jahren die ersten richtigen Flipper aufkamen, aktueller Weltmeister ist jedoch der bayerische Teenager Johannes Ostermeier. Und vom 15. bis 17. Mai sollten sich eigentlich viele starke Spieler aus dem In- und Ausland bei den offenen deutschen Meisterschaften in der Gifhorner Stadthalle tummeln – wegen der Einschränkungen zur Eindämmung der Corona-Pandemie liegt diese nun jedoch vorerst auf Eis.

Die ersten 64 Startplätze sollten nach der Weltrangliste vergeben werden, für die übrigen 100 konnte sich jedermann bewerben. „Am Auftakttag gibt es eigens eine Qualifikation“, erklärte Daniel Vicciantuoni den Ablauf, noch bevor Corona absehbar war – wie Steffen Grubert, Till Kolbe und Kai Renders zählt auch er zum Organisationsteam. „Außerdem haben wir noch drei weitere Turniere im Angebot, eines für Kinder, eines für Firmen-Mannschaften und eines an Klassik-Geräten.“

Das Hauptaugenmerk lag – und das ist den Veranstaltern wichtig – auf der Convention, der Name Pinball 38 verweist auf die Postleitzahl. „Denn es sollen sich nicht nur Gifhorner angesprochen fühlen, sondern auch Braunschweiger und Wolfsburger“, hoffte Steffen Grubert "auf mindestens 500 Besucher.“ Denen sollten an drei Tagen mehr als 100 Flipper zur Verfügung stehen. Händler sollten ebenfalls vor Ort sein, zudem sollte vor unserer Stadthalle mindestens ein Showtruck Station machen, in dem sich Passanten an bis zu fünf Geräten kostenfrei ausprobieren könnten. „Uns geht es darum, den Flipper wieder mehr ins Rampenlicht zu rücken“, betont Steffen Grubert – und sagt mit Blick auf das, was er vor zehn Jahren selbst entdeckt hat: „Wir wollen zeigen: Es gibt den Flipper noch!“

Na dann hoffen wir mal, dass die geplante Deutsche Meisterschaft und die Convention Pinball 38 in der Gifhorner Stadthalle nachgeholt werden. KURT wird Euch rechtzeitig darüber informieren.

Hinweis der Redaktion: Das Interview zu diesem Text wurde geführt, lange bevor Corona absehbar gewesen wäre.


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