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Männer und Frauen, lasst alle die Nippel raus: Unser Kolumnist Malte Schönfeld ist für oberkörperfrei an Gifhorns Badeorten

Malte Schönfeld Veröffentlicht am 06.07.2025
Männer und Frauen, lasst alle die Nippel raus: Unser Kolumnist Malte Schönfeld ist für oberkörperfrei an Gifhorns Badeorten

Mancherorts ein seltenes Bild: die nackte Frauenbrust. Sie ist Teil der strukturellen Benachteiligung, meint unser Redaktionsleiter Malte Schönfeld in seiner Kolumne.

Foto: KURT Media via Dall-E

Die Sonne knallt, die Haut ist eingecremt, der Badeschlüppi sitzt. Lustig kitzelt der Rasen an den Fußsoßhlen. Schäfchen-wolken oben, unten schnatternde Enten. Im Innern des Rucksacks kühlen Weintrauben, Oliven und Käse. Die Welt ist gut. Und wir alle oberkörperfrei. Oder?

Sobald der Frühling uns die ersten Sommertage schenkt, steht die Frage im Raum: Sollen Frauen – oder Personen, die sich als Frauen identifizieren, um es einmal so ausgedrückt zu haben – oberkörperfrei in den Freibädern im Landkreis Gifhorn schwimmen gehen dürfen? Und weil wir in Deutschland aus irgendeinem Grund, der mir verborgen bleibt, süchtig sind nach kindischen Kulturkämpfen wie nach Bundesliga, Kaffee und getrennten Bettdecken, kommt dieser Konflikt jedes Jahr auf. Insofern kennen wir die Argumente.

Oberkörperfrei sollte für alle gelten, sonst spinnen wir am Gleichbehandlungsgesetz vorbei. Der Punkt ist eher dieser: Die Sexualisierung der Frauenbrüste ist enorm, ob in der Werbung, am Arbeitsplatz oder im ultrabescheuerten Porno. Irritierend, dass dahingehend mit zweierlei Maß gemessen wird. Die Männerbrust, die Frauenbrust, als wäre das eine Wasserpistole und das andere Schrotflinte. Was Frauen auch nicht so super finden: Lüsternheit und Notgeilstarren. Wenn die Sexualisierung des Frauenkörpers im Freibad und am See allerdings aus dem Tabu entsteht, dass er entblößt wird, dürfte die Normalisierung dem entgegenwirken.

Free the nipple reiht sich in eine Liste der strukturellen Benachteiligungen ein. Allein weil die Möglichkeit einer Schwangerschaft besteht, ziehen zu viele Unternehmen noch immer die Anstellung von Männern vor und schaffen Förderungsbarrieren. In der Medizin spricht man von der Gender Data Gap, weil Behandlungen eher am Durchschnitts-Malte statt an der Durchschnitts-Mia ausprobiert werden, obwohl Medikamente geschlechterspezifisch wirken. Unsichtbare Sorgearbeit und ungleich verteilte Alltagsverantwortungen sind ebenfalls kein hysterisches Hirngespinst, sondern ein in Studien beschriebener Ballast für Frauen. Und all das führt durchschnittlich zu mehr Altersarmut.

Wie immer könnte man den ganzen Bums, fernab des Tribalismus, politisch lösen. Nicht zuletzt durch die Institutionen, die es bereits gibt. Blöd nur, wenn die Demarkationslinie zwischen der Gewohnheit und dem Möglichen wie ein Riss durch den Bundestag führt: Weniger als ein Drittel der Abgeordneten sind Frauen, den Schnitt besonders in den Keller ziehen natürlich die AfD, die Union und bis vor kurzem die FDP. Wundert man sich da, weshalb es Frauen nicht ins Protokoll schaffen?

Schon im Lokalen bauen sich Hürden auf. In Gifhorns Stadtrat sind es 12 Frauen bei 41 Plätzen, im Kreistag 17 von 59. Natürlich sorgen auch Frauen für Gesetze, die unterdrücken oder ausbeuten. Doch häufig fehlt ihre Perspektive. Viele Ortsverbände rekrutieren aus eingeübten Männerstammtischen, wichtige Posten übernehmen oder nach oben auf der Wahlliste rutschen Männer. Parteiarbeit erfordert Verlässlichkeit und Flexibilität, die Frauen nicht haben, wenn sie carearbeiten. Weit weg vom inneren Zuhause passen sich Frauen noch zu häufig dem äußeren Gefasel an. Und lassen zu selten die Nippel raus.


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