Erlebnis statt Ergebnis

KURTs neue Sport-Kolumne "Erlebnis statt Ergebnis": Gifhorn feiert seine Basketball-Aufsteiger

Jens Neumann Veröffentlicht am 19.05.2024
KURTs neue Sport-Kolumne

Was für ein Sieg. Was für ein Spektakel. Was für eine Leistung. Die Basketballer des MTV Gifhorn steigen nach dem Herzschlagfinale gegen MTV/BG Wolfenbüttel in die Oberliga auf. Da gibt‘s sogar Küsschen.

Foto: Michael Uhmeyer

Es ist ein Samstagabend, doch kein normaler Samstagabend an Gifhorns Flutmulde. Denn dort, wo sonst um diese Uhrzeit kaum ein Auto steht, ist der Parkplatz bereits so gut gefüllt, dass der Weg zur Sporthalle deutlich weiter ist als erwartet. Ein Weg, der mich zum Gipfeltreffen der Basketball-Landesliga, zum wohl entscheidenden Duell um den Oberliga-Aufstieg, führen soll.

Dabei ist es noch fast eine Stunde hin, bis sich die zweitplatzierten Korbjäger des MTV Gifhorn und Tabellenführer MTV/BG Wolfenbüttel II begegnen werden. Ein Duell der Generationen: auf der einen Seite die deutlich jüngeren Hausherren, auf der anderen die gestandenen Gäste mit einstigen Zweitliga- und Regionalliga-Spielern.

Schon am Eingang wird es kurios: Da stehen zwei junge Männer als Security, zwei Aktive vom Box-Club Gifhorn, wie ich später erfahre. Aber Geld von mir will keiner haben, der Eintritt ist frei. Dabei hätte es sich diesmal wahrlich gelohnt, denn rund 500 Zuschauer sind am Ende in der Flutmulde dabei.

Schon im Foyer der Halle, am angrenzenden Restaurant, bekomme ich einen Überblick über die möglichen Stärkungen, die ich zu mir nehmen kann: Hot Dogs, Wraps oder Putenschnitzel im Brötchen sind im Angebot, zudem gibt es zwei verschiedene Sorten an Slush-Eis. Irgendein blaues, irgendein braunes. Wie sich später, zweckentfremdet herausstellt, ist das braune Slush-Eis Cola – und schmeckt ziemlich geil, wenn es mit Rum angereichert ist. Das ballert!

Weiter geht‘s in Richtung Halle, durch den schmalen Gang in Richtung Tribüne. Schon hier steigt der Geräuschpegel merklich an. Und nicht nur die Lautstärke nimmt zu, sondern auch die Temperatur: Kein Wunder, schließlich ist das Kreisliga-Spiel der Zweitvertretung noch nicht lange vorüber.

Doch auf dem Hallenparkett geht‘s schon wieder rund. Während sich die Gäste aus Wolfenbüttel noch in der Umkleidekabine befinden, beweisen einige Rollstuhl-Basketballer – angeführt vom ehemaligen Bundesliga-Spieler Stefan Bäumann – ihre Treffsicherheit. Frank Bühren, der stellvertretende Abteilungsleiter der MTV-Basketballer, hält alles im Video fest, nimmt dann selbst im Rollstuhl Platz und versucht sein Glück aus der Distanz.

Auf der Gegenseite sind die Gifhorner Spieler bereits in ihrer Aufwärmphase, spulen konzentriert ihr Programm ab. Vor den Augen ihrer Ex-Trainer Sinisa Pazin und Ilija Vinovcic, die auf der Tribüne anzutreffen sind. Auf einer Tribüne, wo Familienpizzen und Burger zwischen den beiden Spielen die Runde machen – Kraft tanken für den eigentlichen Höhepunkt des Abends.

Während rund 40 junge Cheerleaderinnen des MTV am Seitenrand proben, haben sich die Wolfenbütteler auf dem Court eingefunden – rund 40 Minuten noch, bis es endlich losgeht. Es wird von Minute zu Minute lauter. Mit Pauken und Trompeten – na gut, Letzteres stimmt nicht, es waren Hupen, Ratschen und Klatschen – werden die Basketballer schon weit vor dem Anpfiff lautstark empfangen. Das gilt auch für Henri, das Maskottchen des Bundesligisten Basketball Löwen Braunschweig, der einen mobilen Basketball-Korb für die Kids mitgebracht hat.

Noch 20 Minuten. Nun ist auch der Bürgermeister da. Matthias Nerlich lässt sich das Spiel nicht entgehen. Ein MTV-Fan baut sich mit einem Megafon vor der längst vollen Tribüne auf, stimmt das erste „Let‘s go, Gifhorn, let‘s go“ an. Es ist halt ein echtes Heimspiel für die Schwarz-Gelben, die sich auf ihren Anhang verlassen können.

Anwurf. Der erste Wolfenbütteler Angriff, die „Defense-Defense“-Rufe schallen durch die Halle. Das ist praktisch bei jeder Offensivaktion der Gäste so. Ein Gifhorner Funktionär filmt das ganze Geschehen, hält Angriff um Angriff via Handykamera fest. Nicht etwa mit einem Stativ, von wo aus er schwenkt, sondern er läuft wirklich jeden Angriff mit, verdient sich Kilometergeld. „Man sollte ihm mal ein paar Bananen zur Stärkung bringen“, merkt ein junger Zuschauer schmunzelnd an.

Taktische Anweisungen von Gifhorns Coach Jens Wowra. Seine Schützlinge konzentrieren sich auf die kurze Erholungsphase.

Foto: Michael Uhmeyer

Auf dem Spielfeld geht die wilde Fahrt weiter, ein Gifhorner setzt von außen zum Wurf an – hinter der Linie, ein Drei-Punkte-Wurf. Die ganze Bank erhebt sich, als der Ball in der Luft ist und in Richtung Korb fliegt. Es scheint so, als wollen die Ersatzspieler samt Staff den Ball selbst versenken. Drin das Ding, der Jubel ist riesig – und die Ersatzbank sitzt komplett wieder. Dafür feiern die Cheerleaderinnen mit ihren Pompons weiter.

Die sogenannte Shot-Clock läuft von vorne, 24 Sekunden hat jedes Team – und die digitale Uhr tickt gnadenlos herunter. Parallel zur Spielzeit, nach zweimal zehn Minuten ist Halbzeit. Langweilig wird es aber auch jetzt nicht. Während es am Getränkestand an der Hallenseite voll ist und das Freibier sowie Energydrinks

weiter heißbegehrt sind, liefern sich zwei junge Männer einen Pausen-Contest, bei dem sie so viele Freiwürfe wie möglich verwandeln müssen. Fürs Publikum ein kurzer Moment zum Durschnaufen.

Selbst wenn es immer heißer wird in der Flutmulde, ist cool bleiben die Devise in einem wahren Samstagabend-Krimi. Gifhorns Anhang feiert stimmungsvoll, frenetisch – im letzten Viertel sieht alles nach Meisterparty aus. Doch die Euphorie verstummt von Minute zu Minute, als der große Vorsprung schmilzt – aus einem Krimi ist ein echter Thriller geworden, bei dem alle die Luft anhalten. Mit einer Schlusssequenz, die es in sich hat.

Gespannt verfolgen alle den letzten Wurf der Gäste. Die Sekunden, die der Ball in der Luft ist, fühlen sich an wie eine Ewigkeit. Landet der Wurf im Korb, jubeln die Wolfenbütteler. Doch der Ball springt nur auf den Ring und von dort zurück ins Feld. Der Rest ist schwarz-gelber Jubel.

Die gesamte Bank des MTV Gifhorn stürmt aufs Feld, feiert mit ihren erschöpften, aber erleichterten Protagonisten im Siegerkreis. Kurz danach folgen die ersten Fans, die ebenfalls das Hallenparkett entern – und Trainer Jens Wowra mit einer Bierdusche aus zwei Bechern erwischen.

Egal! Ihn stört es nicht. Ganz Basketball-Gifhorn feiert seine Helden, für die nun die dritte Halbzeit beginnt. Mit fairen Verlierern aus Wolfenbüttel, die dem Gewinner gratulieren.


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