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Fachwerk-Tinyhouse: In ihrer Kolumne spricht sich KURT-Volontärin Mia Anna Elisabeth Timmer für mehr Originalität aus
Mia Anna Elisabeth Timmer Veröffentlicht am 11.05.2025
Irgendwann macht Reisen keinen Spaß mehr, wenn die die architektonische Vereinheitlichung durch die Globalisierung vollendet ist, findet Mia Anna Elisabeth Timmer.
Foto: KURT Media
Immer wieder Mittelalter: Das Römische Reich zerbricht und mit der Völkerwanderung gehen all die entzückenden Techniken und Künste verloren, um in der Renaissance wiederentdeckt zu werden. Gut, diese Aussage ist nur ein hübsches Narrativ und die Geschichte ist durchaus komplexer – egal.
Denn ähnlich ist es heutzutage mit Häusern: Schon steht da ein rot-grauer Klotz mit vier Fenstern, einer weißen Sicherheitstür und einer Familie drin, die leider mit ihrer Bestellung mal wieder einen Architekten verarscht hat – denn der will sicherlich nicht täglich immer die gleichen Zeichnungen entwerfen. Im schlimmsten Fall wurde dieses Heim – wenn man diese architektonische Bankrotterklärung in Sichtbeton so nennen mag – auch noch auf Grund errichtet, wo vorher eine Stadtvilla mit Fachwerk stand. Hoffentlich war da auch mal ein verfluchter Friedhof unserer Urahnen oder so.
Nicht mal Hausbesetzer würden solche Gebilde mit freigeistig flirrendem Leben erfüllen wollen – zu steril für jede Rebellion. Irgendwo auf der Welt gibt‘s bestimmt genug Geld, um bei uns in der Region wieder Fachwerk aufleben zu lassen. Oft sei es zu teuer, ein altes Haus in Stand zu halten und natürlich benötigt es auch intensive Pflege. Aber das muss es doch wohl wert sein, wenn wir den Anstand unserer Gesellschaft wahren wollen – was ist schon ein Leben im Glaswürfel mit Rollläden?
Irgendwann wohnen wir nur noch in Kartons im Großraumformat. So fürchterlich generisch. Ich wette, diese Neubaugebiete gibt‘s nur, damit sich Leute drin verirren – passiert mir andauernd, weil jede Fassade gleich aussieht. Und ums mal gesagt zu haben: Bunte Streifen und Formen tragen nicht dazu bei, dass ein Gebäude ansehnlicher wirkt.
So – ja genau so – geht jede Individualität verloren. Wenn wir dieselben Häuser bauen, denselben Künstlern folgen, dieselben Marken tragen, immer gleiche Gespräche führen und alles Einzigartige einreißen, wie unser altes Elternhaus.
Früher hatte wohl jede Region in jeder Epoche ihre eigene Mode. Schade, dass das durch die globalisierte Vereinheitlichung verloren geht. Und was lohnt es sich noch zu reisen, wenn überall doch sowieso die gleichen Gebäude rumstehen?
Und dann irgendwann wache ich auf in meinem Fachwerk-Tinyhouse mit roten Ziegeln und dunkelbraunem Holz mit wunderschönen Blumenornamenten bemalt, einer großen Tür mit buntem Glas sowie großen Fenstern mit hellblauen Rahmen, gehe auf den Balkon und stehe in der weißen Wüste. Ist Wärmedämmung unsere einzige Emotion?