Ein echtes Goldstück unter den Gifhorner Cafés: Bei Wiertz Genussvoll sorgt das individuelle Frühstück für besondere Momente

Wonach sehnt man sich im Januar am meisten? Sicherlich nicht nach Hirschfilet, Gänsebraten oder Kartoffelsalat. Die Feiertage gelten offiziell als beendet, wenn man mit flacher erhobener Hand das nächste gut gemeinte Essensangebot ausschlägt – nein, für mich heute bitte nicht. Der Anbieter zieht kurz die Augenbrauen zusammen, sieht aber ein, dass nun Schluss sein muss. Genau dann ist der richtige Zeitpunkt gekommen, um das in Vergessenheit geratene Frühstück zu würdigen – so auch für KURTs Gastro-Tester Malte Schönfeld. Vortrefflich eignet sich dazu das Gifhorner Café Wiertz Genussvoll am Steinweg mit seinem individuellen Angebot.

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„Na, die Feiertage gut überstanden?“, brüllt mich meine Begleitung an, als ich mich auf den Beifahrersitz ihres Auto schmeiße. Es quietscht und rumpelt, im Fußraum trete ich einen Karton beiseite. „Öh ja, irgendwie schon, ne“, antworte ich. „Und selbst?“ – „Muss ja, ne?“ Meine Begleitung gluckst und fährt im zweiten Gang an. Jedes Jahr diese dummen, superdummen Gespräche.

Man ist gerädert nach den Feiertagen, fertig mit den Nerven, urlaubsreif, am liebsten Gran Canaria, in Gifhorn sagt man Tschüss. Der Kaltstart in die erste Arbeitswoche im Januar ist hart wie ein sibirischer Schneesturm. Und da muss ich meine Begleitung mal loben: Die Idee, das Jahr mit einem Frühstück bei Wiertz zu beginnen, stammt von ihr. Meine Begleitung war es auch, die noch eine dritte Person zum Frühstück bestellt hat.

Bei Wiertz Genussvoll werden wir mit warmen Worten und warmer Heizung empfangen – in diesen Tagen nicht mehr selbstverständlich. Das langgezogene, gemütliche Café ist gut besucht. Was die Gäste haben: richtig gute Laune. Das steckt an. Meine Begleitungen und ich setzen uns, mein festtagsbedingter Speckring touchiert leicht die Tischkante.

Man kann Wiertz Genussvoll aus mehreren guten Gründen besuchen: Zuerst einmal natürlich, weil die Inhaber Jens und Sigrid Wiertz so ganz wunderbare Menschen sind. Dann wegen der schönen Auswahl an feinen Spirituosen, den Weinen und dem Feinkost-Sortiment; wer ein spontanes Geschenk sucht, wird hier immer fündig. Als ein echtes Goldstück stellt sich das Café aber vor allem auch durch sein Frühstückskonzept heraus. Auf die eigenen Bedürfnisse zugeschnitten entscheidet die Kundin oder der Kunde, was serviert werden soll. Da wird der Appetit respektiert – und die Umwelt gleich dazu.

Aus normalen Brötchen, Körnerbrötchen und Brotscheiben wird als erstes auf dem gereichten Klemmbrettchen gewählt. Anschließend kommen Butter, Frischkäse Natur und mit Kräutern. Bei insgesamt 13 verschiedenen Belägen – unter anderem Fleischsalat, vegetarische Mortadella und Lachs mit Meerrettich – dürfte jeder Geschmack beachtet sein. Obendrein die Option, ein gekochtes Bio-Ei anzukreuzen. Meine Idee: dahinter ein Kästchen für die Minutenanzahl. Könnte aber auch zu umständlich werden.

Im Nu steht alles auf dem Tisch, natürlich auch Kaffee, Tee, Saft und Mineralwasser. Das Essen findet sich auf einem hübschen Servierständer, dazwischen Salatblätter, Apfelschnitze, Tomaten und Weintrauben. Herrlich! So sitzt man da, draußen pfeift der Januarwind durch die karge Innenstadt und drinnen liegt die Welt im Frieden.

Die Brötchen sind knackig, der grüne Tee erstaunlich geschmackvoll, die Weintrauben richtig frisch und der Camembert nicht zu würzig. Da eines unserer Frühstückseier einen kleinen, eigentlich nicht weiter unanständigen Riss hat, wird uns prompt ein neues auf den Tisch gestellt. Während andernorts der Service eine Art Zufallsleistung geworden ist, so als würde man am Glücksrad drehen, bleibt er bei Wiertz Genussvoll fester Bestandteil im Selbstverständnis der Gastgeber. Chapeau!

In dieser aufgelockerten Stimmung fangen wir das Plauschen an. Wie drei Omas am Gartentisch sitzen wir da und labern. Ich schaue mich um und sehe, wie an den anderen Tischen die Köpfe zusammengesteckt werden. Pärchen, Freunde, alle kommen sie ins Wiertz Genussvoll. So gerät man in den Genuss eines selten gewordenen Ereignisses: Man vergisst einfach die Zeit.

Irgendwann – ob nach 30 Minuten oder eineinhalb Stunden – wird noch eine Brötchenhälfte mit Frischkäse bestrichen, ein zweiter brühheißer Tee bestellt, die letzte grüne Weintraube vom Stil gezogen. Ich gleite in eine Art Körpertrance. Irgendwo habe ich mal gelesen: Das ist die Versenkung des Ichs zur Ganzheit des Seins. Natürlich völliger Quatsch in dem Zusammenhang, aber ich denke, Sie wissen was gemeint ist.

Wir begleichen die Rechnung. Ganz verzückt treten wir nach hinten winkend vor die Tür ins Freie. Nun weiß ich: Das Wiertz Genussvoll lässt keine Wünsche übrig, keine Nachfragen unbeantwortet. Das einzige, was schade ist, dass solche Vormittage irgendwann ein Ende finden.