Krisenmanagement

Doch keine Sperrstunde in Gifhorns Kneipen - Oberverwaltungsgericht kippt Regelung

Redaktion Veröffentlicht am 29.10.2020
Doch keine Sperrstunde in Gifhorns Kneipen - Oberverwaltungsgericht kippt Regelung

Lass laufen, Idris! In den Gastronomiebetrieben im Landkreis Gifhorn – so wie hier in der Rock-Bar Flax an der Braunschweiger Straße – wird es heute Nacht doch keine Sperrstunde geben. Das hat das Oberverwaltungsgericht Lüneburg entschieden. Eine Bestätigung der Gifhorner Kreisverwaltung steht allerdings noch aus.

Foto: Michael Uhmeyer (Archiv)

Am Donnerstagmittag hatte KURT noch darüber informiert, dass ab diesem Tag eine Sperrstunde ab 23 Uhr in Gifhorns Kneipen und ein ganztägiges Außer-Haus-Verkaufsverbot für Alkohol gelten würde, weil der 7-Tage-Inzidenzwert der Corona-Infektion erstmals die Grenze von 50 überschritten hat. Nun hat jedoch das Oberverwaltungsgericht Lüneburg beides gekippt. In Gifhorns Kneipen dürfte am heutigen Donnerstag also doch keine Sperrstunde gelten – und auch das Außer-Haus-Verkaufsverbot für Alkohol müsste damit passé sein. Die Gifhorner Kreisverwaltung hat diese Informationen unterdessen bestätigt. Eine Sperrstunde gelte „unabhängig von dem aktuellen Inzidenz-Wert nicht“, so Sina Sosniak aus dem Büro von Gifhorns Landrat Andreas Ebel.

Der 13. Senat des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts hat mit Beschluss vom 29. Oktobe die Vorschrift des § 10 Abs. 2 der Niedersächsischen Corona-Verordnung vom 7. Oktober, zuletzt geändert durch Verordnung vom 22. Oktober, vorläufig außer Vollzug gesetzt (Az.: 13 MN 393/20).

Die Corona-Verordnung ordnet für jeden Gastronomiebetrieb eine Sperrzeit an, die um 23 Uhr beginnt und um 6 Uhr endet, wenn im jeweiligen Landkreis die Zahl der Neuinfizierten im Verhältnis zur Bevölkerung 35 oder mehr Fälle je 100.000 Einwohnerinnen und Einwohner in den vergangenen 7 Tagen beträgt. Zudem untersagt sie den Gastronomen unabhängig von der Sperrfrist,, alkoholische Getränke im Außer-Haus-Verkauf abzugeben, wenn der 7-Tage-Inzidenzwert auf über 50 steigt.

Eine Gastronomin, die in Delmenhorst eine Bar betreibt, hatte den Antrag beim Oberverwaltungsgericht gestellt, teilte das Gericht nun mit. Mit ihrem Eilantrag vom 23. Oktober begehrt sie demnach die vorläufige Außervollzugsetzung von § 10 Abs. 2 der Niedersächsischen Corona-Verordnung, den sie für zu unbestimmt und auch sonst für rechtswidrig erachtet. Die Sperrzeit und das Außer-Haus-Verkaufsverbot seien ihrzufolge keine notwendigen Infektionsschutzmaßnahmen. Gaststätten hätten nach den Feststellungen des Robert-Koch-Instituts überhaupt keinen wesentlichen Anteil am Infektionsgeschehen. Deren zeitweise Schließung würde Zusammenkünfte und Feiern in private Bereiche abdrängen, die ein deutlich höheres Infektionsrisiko aufwiesen. Der weitere Vollzug der Verordnung sei für sie mit erheblichen, ihre wirtschaftliche Existenz gefährdenden Umsatzeinbußen verbunden.

Und der Antrag hatte vor Gericht nun Erfolg! Der 13. Senat hat laut eigener Auskunft deutlich herausgestellt, dass angesichts der derzeit stark steigenden Infiziertenzahlen in weiten Teilen des Bundesgebiets und Niedersachsens die gesetzlichen Voraussetzungen für ein staatliches Handeln durch infektionsschützende Maßnahmen zwar erfüllt seien.

Die Sperrstunde und das Alkohol-Außer-Haus-Verkaufsverbot für Gastronomiebetriebe stellten aber keine notwendigen infektionsschutzrechtlichen Schutzmaßnahmen dar, heißt es in der Begründung des Gerichts. Dabei hat der Senat betont, dass eine Sperrzeit und auch ein Alkohol-Außer-Haus-Verkaufsverbot grundsätzlich geeignete Mittel sein könnten, einen Beitrag zur effektiven Eindämmung der Verbreitung von Covid-19 zu leisten, weil sie die Kontaktmöglichkeiten in den Gastronomiebetrieben während des Zeitraums von 23 bis 6 Uhr beschränkten und verhinderten, dass sich wechselnde Gäste oder Gästegruppen zu dieser Zeit in den Einrichtungen einfänden. Zudem würden die Kontaktmöglichkeiten auf dem Weg von und zu gastronomischen Einrichtungen und die erhöhte Attraktivität des öffentlichen Raums reduziert.

Die konkrete Ausgestaltung der Sperrzeit und des Alkohol-Außer-Haus-Verkaufsverbots in der allein zu beurteilenden abstrakten Regelung des § 10 Abs. 2 der Niedersächsischen Corona-Verordnung sei aber nicht erforderlich. Dies gelte zum einen mit Blick auf das tätigkeitsbezogene Infektionsgeschehen. Der Verordnungsgeber habe für den Senat nicht nachvollziehbar erklären können, warum gerade der Aufenthalt in Gastronomiebetrieben zwischen 23 und 6 Uhr sowie der ganztägige Außer-Haus-Verkauf alkoholischer Getränke ein erhöhtes Infektionsrisiko mit sich brächten. Die Erforderlichkeit fehle aber auch mit Blick auf das gebietsbezogene Infektionsgeschehen, das der Verordnungsgeber in der Niedersächsischen Corona-Verordnung allein abstrakt anhand der 7-Tage-Inzidenz von 35 beziehungsweise 50 oder mehr Fällen Neuinfizierter je 100.000 Einwohnerinnen und Einwohnern beschreibe.

Diese Anknüpfung sei, wie schon im Verfahren zur Niedersächsischen Corona-Beherbergungs-Verordnung festgestellt, nicht ausreichend. Die Untersagung des gegenüber der Sperrzeit zeitlich unbegrenzten Alkohol-Außer-Haus-Verkaufsverbots bewirke schließlich eine Ungleichbehandlung gegenüber nicht gastronomischen Betrieben, denen ein Außer-Haus-Verkauf alkoholischer Getränke nicht untersagt worden sei.

Nicht zu betrachten hatte der Senat hingegen, ob die verordneten Maßnahmen aufgrund eines konkreten gebietsbezogenen Infektionsgeschehens, etwa in dem Gebiet, in dem gerade die Antragstellerin ihren Gastronomiebetrieb betreibt, oder aber auch in einem deutlich darüber hinausgehenden Gebiet unter Berücksichtigung aller gebotenen Umstände für erforderlich erachtet werden könnten.

Die vorläufige Außervollzugsetzung ist laut Auskunft des Gerichts allgemeinverbindlich.

Der Beschluss ist demnach unanfechtbar.


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