Archäologie

Diese Rätsel stecken unter unseren Füßen: Gifhorns Archäologe Dr. Ingo Eichfeld lüftet spannende Geheimnisse am 14. Januar

Ingo Eichfeld Veröffentlicht am 26.12.2024
Diese Rätsel stecken unter unseren Füßen: Gifhorns Archäologe Dr. Ingo Eichfeld lüftet spannende Geheimnisse am 14. Januar

Nicht jeder Fund kann eine Krone sein: Hier findet der Gifhorner Kreis- und Stadtarchäologe Dr. Ingo Eichfeld einen rostigen Haken.

Foto: Heinz Gabriel

Dass Hufeisen Glück bringen, weiß jedes Kind. Wie viel Glück bringen aber 64 Hufeisen? Für die Gifhorner Kreis- und Stadtarchäologie war es zweifellos ein gutes Jahr. Ob das an den Glücksbringern lag, die im Sommer bei der Freilegung eines Knüppeldamms in Parsau entdeckt worden sind? Zu diesen Funden kamen noch weitere Überraschungen, wie der aufsehenerregende Fund zweier Schädel mitten in Gifhorn, seltene Funde der späten Völkerwanderungszeit aus Walle oder eine spätmittelalterliche Ave-Maria-Fibel aus Isenbüttel. Über die Entdeckungen informiert der traditionelle Jahresrückblick, der am 14. Januar im Gifhorner Schloss stattfindet. Einen spannenden Vorgeschmack gibt Kreis- und Stadtarchäologe Dr. Ingo Eichfeld in einem Gastbeitrag für KURT.

Die Entdeckung eines Knüppeldamms in Parsau war tatsächlich eine Überraschung, da dieser unter der vielbefahrenen Bundesstraße 244 mitten im Ortskern zum Vorschein kam. In solchen Bereichen ist durch den modernen Straßenbau sowie die Anlage von Kanalisationen, Gas-, Strom-, Telefon- und Wasserleitungen oft nicht mehr viel archäologische Substanz vorhanden. Anders in Parsau!

Nach der ersten Fundmeldung wurde bei einer sofort eingeleiteten Rettungsgrabung ein sehr gut erhaltener Weg aus Steinen und quer gelegten Rundhölzern dokumentiert. Dieser diente offenbar dazu, eine feuchte Senke im Ort passierbar zu machen.

Bei der Freilegung eines spätmittelalterlichen Knüppeldamms wurden in Parsau mehr als 60 Hufeisen entdeckt.

Foto: Ingo Eichfeld

Im Morast zwischen Hölzern und Steinen fanden sich zahlreiche Objekte, die bei der Nutzung des Weges verloren gegangen waren. Zu den außergewöhnlich gut erhaltenen Funden gehören neben den Hufeisen und Hufeisenfragmenten auch Wagenteile, Silbermünzen, ein noch funktionstüchtiger Reitersporn sowie eine eiserne Lanzenspitze. Die zum Bau des Weges verwendeten Hölzer konnten naturwissenschaftlich datiert werden. Sie wurden im Sommer 1480 geschlagen, also noch vor der ersten urkundlichen Erwähnung des Dorfes Barso, heute Parsau, um 1505.

Auch bei anderen Baumaßnahmen kam spontan die Archäologie ins Spiel. Ein spektakulärer, aber auch ziemlich gruseliger Fund wurde in rund zwei Metern Tiefe bei Bauarbeiten in der Stadt Gifhorn entdeckt: zwei menschliche Schädel. Beide sind aufgrund der Feuchtbodenlagerung schwarz verfärbt. Für Aufsehen sorgt die Tatsache, dass bei einem Schädel das Schädeldach fehlt. Der sehr sauber und perfekt horizontal angelegte Sägeschnitt belegt eine geschulte handwerkliche Ausführung. Der gleiche Schädel zeigt dazu noch zwei Sägespuren auf dem Stirnbein oberhalb der rechten Augenöffnung. Was ist hier passiert?

Dieser Schädel kam bei Bauarbeiten für ein Mehrfamilienhaus in Gifhorn zum Vorschein. Das Schädeldach fehlt. Auffällig sind außerdem V-förmige Sägespuren oberhalb der rechten Augenöffnung.

Foto: Ingo Eichfeld

Da die Schädel direkt übereinander lagen, können sie nicht zufällig an ihren Fundort gelangt sein. Folgerichtig trat zunächst die Kriminalpolizei auf den Plan, die ein modernes Verbrechen nicht ausschließen wollte. Recht schnell ließ sich klären, dass es für strafrechtliche Ermittlungen zu spät ist. Denn die Gesamtumstände sprechen für eine Niederlegung der Schädel in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts. Die Kreis- und Stadtarchäologie ließ die Schädel von einer Anthropologin untersuchen, die Alter und Geschlecht der beiden Personen sowie Details zu Krankheiten, Verletzungen und den auffälligen Manipulationen feststellen konnte. Die Ermittlungen verraten auch mehr über das fehlende Schädeldach. Wer sind die Toten? Wieso wurde einem der Schädel das Dach entfernt? Und wer hat das getan? Der Vortrag gibt Antworten auf diese und andere Rätsel.

Normalerweise schauen Archäologen nach unten. Doch im Sommer richtete sich der Blick nach oben, denn es sollte der Frage nachgegangen werden, was es mit den kugelförmigen Verzierungen auf den Giebeln des Torhauses und der Schlosskapelle des Gifhorner Schlosses auf sich hat. Die Kugeln ähneln auffällig den steinernen Kanonenkugeln, die bei verschiedenen Anlässen in der Gifhorner Altstadt gefunden worden sind. Diese Funde wurden in der Vergangenheit immer wieder mit der Zerstörung der Stadt in der Hildesheimer Stiftsfehde am 20. Juni 1519 in Zusammenhang gebracht. Nach der Zerstörung wurden der Ort wieder aufgebaut und das heutige Schloss errichtet. Wurden dabei auch Kanonenkugeln als Zierelemente zweckentfremdet?

Die Gifhorner Feuerwehrmänner Roland Vasel (Mitte) und Jonas Brandt (rechts) rückten zur Unterstützung mit der Drehleiter an.

Foto: Heinz Gabriel

Dank der Unterstützung der Freiwilligen Feuerwehr mit ihrer neuen Drehleiter konnten die Kugeln auf dem Schloss näher in Augenschein genommen werden. Die Ergebnisse dieser Untersuchung werden im Vortrag vorgestellt. Außerdem wird verraten, welche Geschütztypen verwendet wurden und was die Bodenfunde über den Standort der Belagerungsarmee oder der alten Gifhorner Burg aussagen.

In der Archäologie ist nur Weniges planbar. Umso erfreulicher ist, dass die Untersuchungen an der frühmittelalterlichen Ringwallanlage Sassenburg fortgesetzt und zum Abschluss gebracht werden konnten. Unterstützung kam von der VGH-Stiftung und der VGH-Regionaldirektion Celle, aber auch von der Gemeinde Sassenburg, dem Landkreis Gifhorn und dem Museums- und Heimatverein Gifhorn. Im Mittelpunkt der Grabungen stand die Rekonstruktion des Eingangsbereichs, der nach den Entdeckungen des Jahres 2023 am östlichen Ende der Anlage vermutet wird. Darüber hinaus wurden weitere kleine Grabungsschnitte angelegt, um letzte Details zum Aufbau und zur Nachnutzung der im 10. Jahrhundert errichteten Befestigung zu klären.

Die Untersuchungen auf der frühmittelalterlichen Sassenburg konzentrierten sich auf den Eingangsbereich. Das Bild zeigt den Graben der Befestigung mit dem sogenannten Grabenkopf.

Foto: Ingo Eichfeld

Es zeigte sich, dass weder das Finderglück noch die Überraschungen der Sassenburg ausgebeutet sind. So freuen sich die Archäologinnen und Archäologen über vier frühmittelalterliche Glasperlen, die dem Fundspektrum buchstäblich einen bunten Anstrich verleihen.

Bunt geht es in der archäologischen Fundschau weiter, denn auch im Jahr 2024 haben sich wieder zahlreiche Bürgerinnen und Bürger mit archäologischen Neufunden an die Kreis- und Stadtarchäologie gewandt. Wie in den vergangenen Jahren wird wieder eine Auswahl besonders spannender Objekte präsentiert: Neben einem Beil und einem Dolchfragment aus der Jungsteinzeit gehören auch Gegenstände des 5. bis 7. nachchristlichen Jahrhunderts dazu – einer Zeit, die im Landkreis Gifhorn bis dato kaum archäologisch nachgewiesen ist. Die zuletzt genannten Funde stammen aus der Gemarkung Walle, also von der Südspitze des Landkreises, dessen Besiedlungsgeschichte damit in einem neuen Lichte erscheint.

Licht ist das richtige Stichwort, denn eine zufällig bei Gartenarbeiten entdeckte Gewandschnalle wirft ein Schlaglicht auf die tief verwurzelte Religiosität der hiesigen Bevölkerung im späten Mittelalter. Der Fund aus dem 13. oder 14. Jahrhundert besitzt eine Inschrift, die – obwohl nur schwer zu entziffern – vermutlich als Ave Maria zu lesen ist. Vergleichsfunde finden sich in ganz Mitteleuropa. Sie werden mit den Handelsaktivitäten der Hanse und dem mittelalterlichen Landesausbau in Verbindung gebracht.

Scheinbar unscheinbare Funde haben häufig eine interessante Geschichte. Oder anders ausgedrückt: Auch wenn Archäologie oft mit Staub zu tun hat – staubtrocken ist sie nicht. Und wer sich für mehr Entdeckungen begeistern lässt, darf beim Archäologischen Jahresrückblick weiterstaunen.

Dienstag, 14. Januar, 19 Uhr Rittersaal im Schloss
Schlossplatz 1, Gifhorn
Eintritt frei, Spenden erbeten


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