Essen & Trinken

Der Geschmack von Freiheit - Endlich wird wieder gezapft: KURTs Gastro-Test führt uns deshalb direkt ins H1

Malte Schönfeld Veröffentlicht am 03.07.2021
Der Geschmack von Freiheit - Endlich wird wieder gezapft: KURTs Gastro-Test führt uns deshalb direkt ins H1

Bedienung Eileen (rechts im Hintergrund) läuft für Malte und seine Begleitung den einen oder anderen Meter an ihrem Abend im H1, Gifhorns Bier- und Rock-Bar in der Fußgängerzone.

Foto: KURT Media

Liberté toujours – Freiheit für immer. Oder immer frei. Oder so was... Das ist jetzt völlig egal. Liberté toujours – kommt der Ausspruch von Marx oder Gauloises oder der Zeitschrift Mare? Man weiß das ja nie so genau. Klar ist aber: Wir haben die Freiheit, unsere Grundrechte wieder wahrzunehmen. Es war okay, dass sie mal kurz weg waren, denn so erinnert man sich ja meistens erst wieder dran, dass man sie gern hat. Der alte Spruch mit dem Vogel, der wegfliegt, und wenn er zurückkommt, Ihr wisst schon, Liebe. Deswegen setzte sich KURT-Schluckauf Malte Schönfeld mit seiner Begleitung in den Biergarten vorm H1, Gifhorns Bier- und Rockbar, und genoss die Liberté.

Also, es fängt damit an, dass ich vorm H1 in der Gifhorner Fußgängerzone sitze und ein Wolters vom Fass trinke. Einfach so. Es ist gar nicht richtig in Worte zu fassen. Vor einem Monat wäre das jedenfalls völlig undenkbar gewesen. Monate des Bangens und des ungewissen Schlingerns. Jetzt gehören sie der Vergangenheit an. Wenigstens vorerst.

Schon in den Tagen zuvor strömten die Gifhornerinnen und Gifhorner dammbruchartig in die Stadt. Die neue heilige Dreifaltigkeit: geimpft, genesen, getestet. Es lohnt sich wieder zu glauben. Die Priester der Stunde tragen keine Gewänder aus Samt und Seide mehr, sondern Schürzen, an denen man sich die Hände abwischt. Schön. Voll sind die Cafés und Eisdielen, die Restaurants und die Bars. Die Junisonne taucht alles in ein goldenes Glitzer.

Giftgrün und mindestens genauso schlecht für die Verdauung: Hier freut sich KURT-Schlucker Malte Schönfeld noch über seinen Pfeffi.

Foto: KURT Media

Ich sitze also mit meiner Begleitung vorm H1 mitten in der Fußgängerzone und trinke das Wolters. Ein paar Tropfen ziehen Schlieren, ehe sie im Pilsdeckchen einsickern. Freiheit kann ja vieles bedeuten, immer auch was anderes, jedenfalls heißt Freiheit heute genau das: Hier sitzen, hier einen Schluck Bier nehmen, hier die Tropfen bei ihrem Weg den Stiel hinab beobachten. Aus dem Fernseher des Lokals dröhnt „Bohemian Rhapsody“ von Queen.

Es ist schön, Holger Hirsch wiederzusehen. Holger ist Inhaber des H1 und ein Bär von einem Mann. Seine Mähne liegt in einem Zopf zusammengebunden zwischen den Schulterblättern, der Rauschebart hängt wie eine Trauerweide. Ich denke, dass auch in den vergangenen zwölf Monaten ein wenig Grau dazugekommen ist. Holger spannt nun die riesigen Jack-Daniel‘s-Sonnenschirme auf, um uns vor den ersten Regentropfen zu schützen. Wenn er spricht, dann mit Bass.

Wir bestellen nun fleißiger. Meine Begleitung gibt das Tempo vor, ich nicke. Die Bedienung Eileen rennt im Viertelstundentakt von unserem Tisch zurück ins H1, wieder zurück zu uns und so weiter. Sie kann einem fast leid tun. Wobei das natürlich der völlig falsche Gedanke ist. Eher: Schön, dass man die Bedienungen wieder belasten darf. Berliner Luft und Pfeffi im gemischten Doppel, es gibt Havana-Cola und Gin-Tonic bei meiner Begleitung, ich bleibe vorerst noch bei Bier und stelle mir noch schuldbewusst einen weißen Müller-Thurgau daneben. Man kommt ganz schön ins Schwitzen. Ich streiche mir mit dem Finger über die After-Sun-Lotion auf dem Oberschenkel.

Häufig wird an dieser Stelle eine farbenfrohe Vorspeisensuppe abgebildet. Wir finden: Auch der Havana-Cola hat seine Reize.

Foto: KURT Media

Ich merke die gelöste Stimmung nicht nur mir und meiner Begleitung an. Vielmehr ist es ein Optimismus, der aus der Möglichkeit der Summe aller denkbaren Ausgänge zustande kommt: Man könnte jetzt auch woanders hingehen und dem Abend eine andere Wendung geben, man könnte urplötzlich aufstehen und nach Hause gehen, oder man könnte sitzenbleiben und alles einfach auf sich zukommen lassen. Überhaupt wieder so viele Optionen zu haben, ohne sich direkt strafbar zu machen, ist ein ungewohntes Gefühl. Am Nebentisch fällt der Satz: „Ich kann den Drosten einfach nicht mehr ernst nehmen.“ Meine Begleitung und ich bestellen noch eine Runde Bier und Schnaps. Im Hintergrund „Out of the Dark“ von Falco.

Ich ziehe mir meine Maske über und schwinge ins Lokal. Ah ja, so sieht das aus, stimmt. Dass ich das H1 von innen gesehen habe, ist schon lange her. Überall die Teamschals und Vereinswimpel, schließlich ist die Kneipe neben ihrer unzweifelbaren Musik-Kompetenz auch noch ein treuer Hort der Fußballkultur. Einzig die hohe Plexiglas-Scheibe an der Theke erinnert einen daran, dass eben doch noch nicht alles wieder beim Alten ist. Ich schiebe mich ans Pissoir und lasse laufen. Zurück im Innenraum lasse ich mir von Karin den Spielautomaten erklären, es läuft „Take A Look Around“ von Limp Bizkit, und 90 Sekunden später bin ich zehn Euro los. Vorzüglich.

Der Mexikaner gehört zu den Spezialitäten.

Foto: KURT Media

Zurück am Tisch sind meine Begleitung und ich um einen Sitznachbar reicher. Während es vorher noch zum Weißwein um das allsonntägliche Läuten der Freiheitsglocke auf Deutschlandfunk Kultur ging, werden jetzt Geschäfte eingeleitet und Sambuca getrunken. Wir haben ganz schön was weggeschluckt, ich kann dem Gespräch nur noch am Rande folgen. Etwas abgedunkelt halte ich mich an meinem Bier fest. Es ist das Letzte des Abends, Eileen räumt ab. In einiger Entfernung entlädt sich ein Donnergrollen. Der Himmel ist grau und wirkt auf einmal schwer und tief und am Ende.

Während wir unseren Deckel begleichen, ertönt der finale Song aus dem H1, er schwappt zu uns rüber: „This Is War“ von 30 Seconds to Mars. Ich bin dann mal weg.

H1 – Bier- & Rockbar
Steinweg 26, Gifhorn
Tel. 05371-52348
Mo. & Di. & Do. 11 bis 24 Uhr
Mi. 10 bis 24 Uhr
Fr. 11 bis 2 Uhr
Sa. 10 bis 2 Uhr
So. 11 bis 23 Uhr


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