Sport

Corona-Opfer Kästorf - Quotienten-Regelung könnte dem SSV den fast sicheren Aufstieg kosten

Jens Neumann Veröffentlicht am 14.06.2020
Corona-Opfer Kästorf - Quotienten-Regelung könnte dem SSV den fast sicheren Aufstieg kosten

Auch Sores Agirman beflügelte den SSV Kästorf in dieser Saison. Sollten er und seine Teamkollegen aufgrund der Quotienten-Regel nicht aufsteigen dürfen, wäre es für den 23-Jährigen die falsche Entscheidung.

Foto: Sebastian Priebe/regios24 (Archiv)

Eine sportliche Entscheidung wird es für Niedersachsens Fußballer nicht geben, das ist sicher. Der Saisonabbruch nach der Corona-Pandemie soll am 27. Juni bei einem außerordentlichen Verbandstag beschlossen werden. Und dort sollen die Delegierten der Vereine auch für den Vorschlag des Verbandes stimmen, die Aufsteiger nach einer Quotienten-Regelung zu bestimmen. Eine Regelung, die im Handball-Sport bereits angewendet wurde. Eine Regelung, die den Aufstieg des SSV Kästorf in die Oberliga verhindern würde.

„Das ist nicht im Sinne des Fair Plays“, macht Kästorfs Fußball-Abteilungsleiter Stefan Redler deutlich und seinem Unmut Luft. Ein Unmut, der absolut nachvollziehbar ist. Denn der SSV, für den der Aufstieg in die Oberliga zweifelsohne der Höhepunkt in der Vereinsgeschichte wäre, darf sich im Falle der Quotienten-Regelung getrost als „Opfer“ der Infrastruktur fühlen. Im Gegensatz zum Tabellenführer SVG Göttingen verfügen die Kästorfer – wie übrigens alle Vereine im Kreis Gifhorn – nämlich über keinen Kunstrasenplatz und haben deshalb auch zwei Spiele weniger als der Konkurrent bestritten.

Doch zurück zur Quotienten-Regelung, die den Ausschlag geben soll. Spitzenreiter Göttingen hat 43 Punkte in 18 Partien geholt und kommt damit auf einen aufgerundeten Quotienten von 2,389 Punkte pro Spiel. Der Tabellendritte aus Kästorf hat 38 Zähler in 16 Begegnungen eingefahren, das entspricht 2,375 Punkten pro Spiel. Oder anders gesagt: Die Quotienten-Winzigkeit von 0,014 fehlt dem SSV hier zu Platz 1 und somit zur Oberliga. Hätten die Kästorfer ihre Partie am 7. März gegen den Drittletzten TuSpo Petershütte aufgrund der Unbespielbarkeit des Platzes nicht absagen müssen, dann wäre der SSV höchstwahrscheinlich Erster gewesen – schließlich hat er stolze 75 Prozent seiner Partien gewonnen. Und dieser eine Sieg hätte schon gereicht.

Besonders bitter für die Rot-Weißen aus dem Gifhorner Ortsteil: Sie waren Herbstmeister, die Nummer 1 der Hinrunden-Tabelle, in der alle Topteams noch die gleiche Spielanzahl und gegen die gleichen Gegner jeweils einmal gespielt hatten. Ein sportlich faireres Ergebnis könne es also nicht geben, meinten die SSV-Verantwortlichen – und reichten nun fristgerecht den Antrag beim Verband ein, die Aufsteiger nach der Hinrunden-Tabelle zu ermitteln. „Ich bin gespannt, was dabei herauskommt. Es darf in der Corona-Phase keine Verlierer geben“, hebt Michael Müller, Kästorfs stellvertretender Spartenleiter, hervor.

„Man kann so viel rechnen, wie man will. Lediglich in der Quotienten-Regelung liegt Göttingen vor uns. Es darf einfach keine Verlierer geben.“
Georgios Palanis, Trainer des SSV Kästorf

Foto: Sebastian Priebe/regios24 (Archiv)

Und ehrlich gesagt: Ja, die Kästorfer dürften sich – absolut nachvollziehbar – wie ein Verlierer fühlen, wenn sie nicht aufsteigen können! Sie haben alle drei Spitzenspiele, die bis zur Corona-Zwangspause ausgetragen wurden, gewonnen und sind dabei sogar ohne Gegentor geblieben. Sie wären Erster, wenn ihnen der Platz keinen Strich durch die Rechnung gemacht und es den Pflichtsieg gegen Petershütte gegeben hätte. Und sie wären sogar Erster, wenn man die Quotienten-Regelung und Punkte-Wertung des Handball-Sports zusammen anwenden würde. Bekanntlich gibt es im Handball nur zwei Zähler pro Sieg, und damit würde der SSV (1,625 Punkte im Schnitt) vor der SVG Göttingen (1,611) stehen.

„Man kann hier so viel rechnen, wie man will. Lediglich in der Quotienten-Regelung liegt Göttingen vor uns“, sagt Trainer Georgios Palanis kopfschüttelnd: „Es darf einfach keine Verlierer geben.“ So sieht es der Verband offenbar auch – allerdings nur, wenn er auf die andere Seite der Tabelle blickt. Schließlich soll die Saison abgebrochen und mit Auf-, aber ohne Absteiger gewertet werden. Das heißt: Die Kästorfer, die 24 Punkte mehr als Schlusslicht SC Hainberg geholt haben, dürften als Belohnung dafür auch künftig weiter mit den Hainbergern in der Landesliga spielen. Ja, das klingt wirklich absurd.

So sehen es auch die Spieler des SSV: „Die Saison abzubrechen und nach Quotienten-Regelung zu werten, ist für mich die falsche Entscheidung. Es werden Vereine bestraft, die eine super Saison gespielt haben bis zur Corona-Pause und nur mangels weniger absolvierter Spiele nicht aufsteigen können. Dann gibt es noch Vereine, die nicht absteigen müssen, weil die Mehrheit das nicht möchte. Wo bleibt die Gerechtigkeit?“, fragt beispielsweise Flügelflitzer Sores Agirman.

„Ich hätte es gerne sportlich gelöst, aber die Gesundheit steht im Vordergrund“, erklärt Mittelfeldabräumer Dimitrios Tsampasis und fügt hinzu: „Egal, wie: Es wäre ein Aufstieg, den sich kein Sportler so wünscht. Für den Verein tut es mir leid, wenn wir nicht aufsteigen. Denn ich weiß, was er dafür alles getan hat.“

Eine sportliche Entscheidung wird es nicht geben, wenn am 27. Juni abgestimmt wird. Eine unsportliche, unfaire Entscheidung könnte es aus Sicht des SSV Kästorf werden, wenn ihm der Oberliga-Aufstieg so verwehrt wird.


Coole Leute gesucht – wir stellen ein!

Informiere Dich über Jobs in unserem Medienhaus! Wir sind auf der Suche nach tollen Menschen, die bei uns einsteigen möchten.

Mehr erfahren