Engagement
Tada – Das hier ist mein Wunschhospiz: Kerstin Meyer und Alexander Michel von der Hospiz-Stiftung Gifhorn im KURT-Interview
Mia Anna Elisabeth Timmer Veröffentlicht am 21.07.2024Das Hospiz im Herzen Gifhorns ist offen, hell und lädt mit tollen Menschen zu angeregten Gesprächen und gemeinschaftlichem Miteinander ein – so soll es sein. Im Büro warten bereits Alexander Michel (76), ehemaliger Vorstand der Hospiz-Stiftung, und Kerstin Meyer (57), die nun den Vorsitz innehat. KURT-Volontärin Mia Anna Elisabeth Timmer traf die beiden, um über das Ehrenamt und die Herausforderungen bei der Spendenakquise zu sprechen – und darüber, wie sie sich selbst ihren letzten Lebensabschnitt vorstellen.
Viele Menschen gehen dem Tod aus dem Weg. Warum beschäftigen Sie sich in der Freizeit damit?
Alexander Michel: Ich hatte schon früher eine berufliche Verbindung als DRK-Kreisgeschäftsführer. Wir hatten einige stationäre Pflegeeinrichtungen – und in diesen kommt der Tod gelegentlich vor. Da sind meine Berührungsängste, die ich natürlich anfangs auch hatte, ganz schnell verflogen.
Es ist schon immer Thema gewesen, dass wir in Gifhorn so was wie ein Hospiz-Haus brauchen. Wo kann man denn sterben? Keiner möchte im Krankenhaus sterben. Im Pflegeheim auch nicht. Eigentlich möchte auch keiner im Hospiz sterben. Alle wollen zu Hause sterben. Es ging immer darum, Möglichkeiten für die Menschen zu schaffen, die nicht versorgt beziehungsweise alleine sterben können.
Kerstin Meyer: Ich wollte etwas Ehrenamtliches machen. Als der Anruf kam, ob ich den Vorsitz der Hospiz-Stiftung übernehmen möchte, habe ich sofort Ja gesagt. Es ist eher ein Randthema – gerade deswegen finde ich es so wichtig.
Viele Menschen engagieren sich ehrenamtlich – in der Feuerwehr, in Vereinen, in der Jugendarbeit. Warum sollte man sich den Sterbenden widmen?
Michel: Das ist immer wieder die Wertschätzung. Sie bekommen direkt von den Betroffenen eine Rückmeldung. Aber auch wir in unserer organisatorischen und finanziellen Arbeit, wenn einer sagt: Das habt Ihr aber gut hinbekommen.
Frau Meyer, Sie stehen mit Margarete Oelke-Hofmann, Heike von Knobelsdorff und Reinhard Jung der Stiftung vor. Ihre Aufgaben sind Spendenakquise, Öffentlichkeitsarbeit, Verwaltung und ähnliches. Wie oft sind Sie im Hospiz?
Meyer: Ich bin noch in der Anlernphase, vielleicht ist das nicht ganz repräsentativ. In Summe sind das rund acht Stunden in der Woche.
Michel: Außerhalb des Hauses ist man noch mehr unterwegs. Wenn man über die zehn Jahre blickt, war das zum Start eine Two-Men-Show. Da gab es Jörg Dreyer und mich über viele Jahre hinweg allein.
Wir haben Grundstücke gesucht, mit Architekten gesprochen, Hospize in Norddeutschland angeschaut. Das ging so fünf Jahre. Ich weiß gar nicht, wie viele Tage das waren.
Während der Bauphase war eigentlich fast jeden Tag was, wo man hier Stunden zugebracht hat. Und die Bauzeit hat auch sehr viele Nerven gekostet: Wenn man so ein Objekt baut, geht nicht alles glatt.
Wie eng im Kontakt stehen Sie mit den Hospizgästen?
Meyer: Das Hospiz ist so konzipiert worden mit der öffentlichen Ebene unten und der privaten Ebene oben. Wir gehen schon mal nach oben, suchen jedoch nicht proaktiv den Kontakt zu den Hospizgästen. Für die Pflege sind die Mitarbeitenden des Hospizhauses zuständig und übernehmen das in einer sehr wertschätzenden Weise. Wir kümmern uns vorrangig um die Akquise von Spendengeldern und die Hausverwaltung.
Wie erklären Sie potenziellen Spendern, warum es so wichtig ist, für das Hospiz zu spenden?
Meyer: Es ist unerlässlich. Der Gesetzgeber hat festgelegt, dass nur 95 Prozent der Kosten für den Betrieb des Hospizes erstattet werden. Die restlichen 5 Prozent sollen als Spenden aus der Bevölkerung kommen, damit die Bürgerinnen und Bürger das Hospiz wahrnehmen. In der Bevölkerung weiß das kaum jemand – ich auch nicht, bevor ich dieses Amt übernommen habe –, dass die Erstattung durch die Krankenkassen nicht zu 100 Prozent erfolgt.
Viele haben schon gespendet und das war auch wirklich sensationell für den Bau dieses Hauses. Jetzt zu vermitteln, dass weiter – sogar dauerhaft – Spenden benötigt werden, ist schwer.
Warum?
Meyer: Ich glaube, die Aufgaben der Stiftung sind schwierig zu beschreiben. In der Öffentlichkeit steht die gGmbH, die das Hospiz betreibt. Ebenso der Hospizverein und das Palliativnetz, die ganz großartig die ambulante Hospizarbeit abdecken. Wir von der Stiftung stehen mit unserer Arbeit eher im Hintergrund und nicht im direkten Kontakt mit den Betroffenen und müssen daher viel mehr Aufklärungsarbeit leisten.
Wie sensibilisieren Sie?
Michel: Direkte Ansprache und auch Einladungen hier ins Haus – deutlich machen, was hier Großartiges passiert, was hier für ein Spirit in diesem Haus ist.
Meyer: Es wird gelacht, hier ist ein offenes Miteinander. Wenn wir das Haus offen halten, kommen die Menschen auch hier rein.
Zum Schluss eine persönliche Frage: Wissen Sie, wie Sie selbst Ihren letzten Lebensabschnitt begehen wollen würden?
Meyer: Ich hoffe, dass es noch ein bisschen hin ist. Aber meine Kinder und mein Mann wissen tatsächlich, wie ich beerdigt werden möchte. Und ich könnte mir auch natürlich vorstellen, in ein Hospiz zu gehen, wenn ich schwer erkranke.
Michel: Ich bin schon im Alter, wo das konkret wird. Ich war jetzt in diesem Jahr schwer erkrankt, wo ich diese Gedanken intensiviert habe. Da möchte man zu Hause sterben. Und das kann man sich schön vorstellen im Kreis der Familie.
Sollten Sie eines Tages einen Hospizplatz benötigen, wie sieht Ihr Wunsch-Hospiz aus?
Meyer (zeigt hoch): Tada! Die Menschen, die hier ehrenamtlich und auch hauptamtlich tätig sind, haben dieses Haus einfach zu einem großartigen Ort gemacht.
Michel: Also für mich gibt es nur zwei Hospize, wenn ich überhaupt in der Lage wäre, zu wählen. Das wäre hier, Priorität 1, und sonst gerne Wolfsburg.