Musik
Die Irish-Folk-Bank The Keltics um den Knesebecker Alex Kirchhoff veröffentlicht ihr neues Album „9“
Matthias Bosenick Veröffentlicht am 01.02.2022Sláinte! Gleichsam bier- und melodieselig gibt die ausgewiesene Liveband The Keltics mit dem neuen Studioalbum „9“ ein Lebenszeichen aus der Pandemie. Premiere für die Folkrocker: Nach mehr als 25 Jahren ist dies das erste Album ausschließlich mit Eigenkompositionen, die sich bestens in den irisch-schottischen Folklorekanon der Partygaranten einfügen. Am Schlagzeug der im Kreis Celle beheimateten Band sitzt ein Knesebecker: Alexander Kirchhoff ist seit 2014 dabei. KURT berichtet er von Konzerten vor mehreren tausend Leuten auf einem italienischen Festival, von seiner früheren Band Shamrock und warum er als Drummer zwar schottischen Rock spielt, aber auf den Schottenrock lieber verzichtet.
So kann man die Coronazeiten nämlich auch nutzen: In den kontaktarmen Phasen schickten sich die sieben über halb Ostniedersachsen verstreut lebenden Musiker Dateien mit Ideen hin und her und erarbeiteten so die Basis für die Songs, die sie im Sommer gemeinsam in Faßberg probten und für das Album einspielten. „Wir hatten letztes Jahr vielleicht zehn Konzerte, da hatte man Zeit“, berichtet Alex. Das Ergebnis ist „9“, das erste Album der Kelten komplett ohne Coversongs. Alex: „Es ist folkiger, nicht so rockig wie ‚The Clansman‘, die davor, die war auf die Fresse.“
Was daran liegt, dass sich The Keltics nicht als traditionstreue Irish-Folk-Band auffassen, sondern auch als Rockband. So finden eben auch Stücke von Iron Maiden wie eben „The Clansman“, von Black Sabbath oder von AC/DC
ihren Weg ins Set und auf die Alben. Den Song von Maiden arrangierten The Keltics dafür um, „It’s A Long Way To The Top (If You Wanna Rock’n’Roll)“ von AC/DC behielten sie bei – „mit dem Dudelsack, wie im Original“. Naheliegender sind Cover von Bob Geldof und New Model Army – und die Genreklassiker wie „Whisky In The Jar“, „Irish Rover“ und „Dirty Old Town“.
Zur Vielfalt der Einflüsse trägt bei, dass jeder der Musiker einen anderen Schwerpunkt im Geschmack hat: Alex‘ liegt im Progrock, zwei Musiker tobten sich in einer Neue-Deutsche-Härte-Coverband aus – Irish Folk direkt hat eigentlich niemand so richtig als Lieblingsmusik auf dem Zettel. Die unterschiedlichen Einflüsse formen den Gesamtsound der Keltics.
Das Publikum dankt es den niedersächsischen Kelten. Alex schwärmt: „Es ist megalustig – bei uns ist vom ersten Song an Bombenstimmung, die kennen alle Texte, auch die eigenen Sachen teilweise.“ Damit erarbeitete sich die Band einen ausgezeichneten Ruf: „Spielen wir in Celle, ist es jedes Mal ausverkauft, da geht richtig die Post ab“, strahlt Alex. 2010 etwa spielten The Keltics gar in Wacken.
Zwar traten die Niedersachsen bislang noch nie in Irland auf – Corona vereitelte jüngst entsprechende Pläne –, aber dafür schon rund um Deutschland, etwa in Italien auf einer fest geplanten und gebuchten Tour. „Das war richtig Rock‘n‘Roll“, lacht Alex. Gestartet in Hamburg mit dem Flugzeug, führte die Tour jeden Tag in eine andere große Stadt und dort in große Locations, „nicht nur kleine Clubs“. Vor Ort standen jeweils Instrumente bereit und in die Hotels brachte sie ein eigener Chauffeur. Auf einem Festival, inklusive Rummel mit Wildwasserbahn und Riesenrad, feierten mehrere tausend Leute den Folkrock der Keltics. „Da haben Bands aus aller Welt gespielt“, schwärmt Alex. Wie man dort auf die Niedersachsen kam, ist ihm nicht klar, aber: „Wenn sie uns noch mal fragen, würde ich das sofort machen!“
Die Keltics können aber auch klein. Sehr im Gedächtnis blieb Alex ein Küchenkonzert, das die Band in Celle privat gab: „Das war nicht groß, aber trotzdem lustig.“ Er sinniert: „Für die Sachen, die ich mit der Band machen darf, hätte ich Anfang der 90er meinen rechten Arm gegeben – jetzt läuft es einfach.“ Denn die Keltics erspielten sich einen enormen Bekanntheitsgrad, sie werden einfach gern gebucht, in Hamburg, Braunschweig, Magdeburg – und für das Gifhorner Altstadtfest, wo die Folkrocker seit Alex‘ Dabeisein schon Auftritte hatten.
Mit dabei ist Alex seit 2014. Er spielte mit seiner früheren Band MoPilots in Knesebeck, wo der Tontechniker der Keltics den Sound machte. Der fragte Alex, ob er sich vorstellen könnte, als Schlagzeuger bei den Keltics einzusteigen, weil der damalige Drummer auf dem Absprung war. „Wir melden uns“, hieß es, und das geschah auch – zwei, drei Jahre später. Alex nahm mit anderen Drummern an einem Casting teil, „und es hat wie Arsch auf Eimer gepasst“. Und das, obwohl Alex vorher nie mit keltischer Folklore zu tun hatte und auch die traditionelle Bodhrán gar nicht spielen kann. „Von den Stücken im Set kannte ich eins“, lacht er. Also lernte er flugs 30 Songs für die Auftritte. Von sich aus hätte er den Gedanken nie gehabt, einer solchen Gruppe beizutreten: „Ich dachte, das Getröte hältste nicht aus“, lacht er. Doch die Realität lehrte ihm: „Es macht Spaß!“
Die früheren Bands, in denen Alex spielte, waren zumeist im Bluesrock zu Hause. Eine Hardrock-Band mit eigenen Songs war Shamrock, mit denen brachte er 1992 sogar die CD „Tunnel Visions“ heraus. Und wie es der Zufall will, hießen The Keltics zur gleichen Zeit, „nur 50 Kilometer weiter“, bei ihrer Gründung ebenfalls Shamrock, benannt nach dem Kleeblatt, dem Wahrzeichen Irlands. Bis vor Kurzem unterhielt Alex außerdem mit zwei früheren Shamrock-Mitmusikern, Matthias Weißbrod von Tempest und Seducer sowie Alex‘ Cousin Stefan Kirchhoff, mit dem er schon seit dem sechsten Lebensjahr Musik macht, die Bluesrock-Coverband MoPilots. Den Rock‘n‘Roll bekam Alex überdies quasi in die Wiege gelegt: Sein Vater und dessen Bruder spielten in den 70ern in der Beatband Fats And The Shades, „die waren damals echt angesagt“. Als dann vor 20 Jahren zwei Bandmitglieder verstarben, reaktivierte Alex‘ Vater mit ihm und seinem Neffen die Band, „wir haben einige Konzerte als Gag gespielt“.
Zur Gründung der Keltics wiederum kam es, nachdem Sänger Thys Bouma und Gitarrist Matthias „Matze“ Mencke Anfang der 90er einen Irlandurlaub machten. „Sie haben Noten und Texte mitgenommen“, berichtet Alex und lacht: „So hat das Drama seinen Lauf genommen!“ Denn sie entwickelten die Idee von einer Irish-Folk-Band, für die sie eine vormalige Tanzkapelle umwidmeten, zuerst zu Shamrock, dann 1992 zu The Keltics, die 1993 offiziell an den Start gingen. Dieser Matze indes verstarb vor zwei Jahren – eine schwere Zeit für die Band.
Alex erinnert sich: Drei Tage nach dem Tod hatten The Keltics einen Auftritt – und überlegten, ob sie ihn nicht besser absagten. Sie entschieden sich nach langem Ringen dagegen und spielten das Konzert: „Das ging uns an die Substanz“, sagt Alex. Eltern und Witwe waren auch dabei: „Das war hart für uns alle.“
Seit Matzes Tod ist der gebürtige Niederländer Thys das einzig verbliebene Gründungsmitglied der Keltics. Zu- und Abgänge gab es immer wieder, Alex ist längst nicht das dienstjüngste Mitglied. Heute gehören außerdem zur Besetzung: Kim Thorben Hansen am Akkordeon, Bassist Kai Schamberger, Gitarrist Dennis Huhn, Flötist und Dudelsackspieler Eric Gerischer sowie Reiner „Addi“ Adler mit Banjo und Mandoline. Mit großem Altersunterschied: Der Älteste ist 58, der Jüngste – Eric an den Pipes – zarte 26 Jahre alt.
Bis auf Eric sind alle dem Guinness, dem traditionellen schwarzen Bier der Iren, nicht abgeneigt. Und noch etwas Keltisches gehört selbstredend zur Band: das Karomuster, der Tartan der Schotten, den die meisten Musiker als Kilt tragen. Das Muster ist dabei willkürlich ausgewählt, also nicht einem konkreten Clan zugeordnet oder uniform. Für Alex kommt indes eher eine karierte Hose in Frage, grinst der Schlagzeuger: „Wenn man sitzt, ist es ein bisschen blöd im Kilt.“
Das neue Album nun hätte eigentlich schon zu Weihnachten auf CD fertig sein sollen, doch verzögerte sich die Produktion, weshalb die Band das Weihnachtslied „Waltzes In The Snow“ bereits vorab als Video veröffentlichte. Jetzt im Januar oder Februar soll „9“ aber endlich als CD erscheinen. Auch als Stream wird es zu hören sein, auch wenn Alex davon nicht viel hält, aber er ließ sich überzeugen, weil dieser Tage viele Leute weder zu Hause noch im Auto Abspielgeräte für CDs haben. Er schwärmt von den Zeiten, als er in Wittingen bei Kamlah „die CD-Regale durchwühlen oder etwas bestellen“ musste. Vinyl wäre ebenfalls schön gewesen, „aber das ist noch teurer in der Produktion“.
Erhältlich ist „9“ dann per Email über die Webseite der Band, auf den Streamingplattformen oder via Facebook – ihren Onlineshop reaktivieren die Kelten demnächst ebenfalls. Alex seufzt: „Wir möchten sie lieber auf Konzerten in physischer Form verkaufen!“ Wann es dazu wieder kommt, ist offen – aber es wird eine riesige Party, das ist gewiss. Darauf ein Guinness! Sláinte!
The Keltics: „9“
12 Songs, 40:48 Minuten
www.youtube.com/user/keltics1993
Facebook: @keltics
Instagram:@the_keltics