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Der große Flirt mit der kleinen Frakturschrift: Sind das etwa Nazi-Symbole, mit denen sich der MTV-Gifhorn-Fanclub schmückt?

Malte Schönfeld Veröffentlicht am 01.01.2021
Der große Flirt mit der kleinen Frakturschrift: Sind das etwa Nazi-Symbole, mit denen sich der MTV-Gifhorn-Fanclub schmückt?

Das Logo des MTV-Gifhorn-Fanclubs „Commando Gifhorn“ sorgte für reichlich Irritationen und Diskussionen. Doch was ist dran an den Vorwürfen?

Foto: Privat

Nachdem KURT einen Artikel über Commando Gifhorn veröffentlichte, kamen der Redaktion doch noch Zweifel: Sven Herbold, Dennis Nalenz und Tatjana P. erzählten die Gründungsgeschichte ihres Fanclubs. Die drei Fußball-Fans unterstützen seit Anfang Februar Oberligist MTV Gifhorn mit Fangesang und Banner. Als der Artikel online ging, setzte es prompt Beschwerden in der Facebook-Kommentarspalte. Das Banner und insbesondere der Schriftzug würden an rechte Ultra-Gruppierungen, rechtsextreme Parteien und Nazi-Aufmärsche erinnern. Doch was ist dran an der Empörung?

Die Mitglieder halten das Banner lächelnd in die Kamera: Commando Gifhorn steht da in Frakturschrift. In der Mitte blickt ein halbvermummter Totenkopf mit dunklem Bandana und Base-Cap umgeben von einem Lorbeerkranz böse drein. Das freundliche Lächeln der drei Fanclub-Mitglieder könnte von einem Konfirmationsfoto stammen, das tiefschwarze Banner wirkt dagegen hart und direkt.

Nach der Online-Veröffentlichung fand die Kommentarspalte tagelang keine Ruhe. „Vielleicht sollte man das Logo nochmals überdenken“, schlug ein Nutzer vor. Dass das dem noch jungen Fanclub nahegelegt wird, hat mit der Optik seines Banners zu tun. Bei einigen Usern weckte das Erinnerungen an die rechtsextreme Partei „Der III. Weg“. Genauso fällt der Name einer Stuttgarter Ultra-Gruppe, also einer Fan-Gemeinde, die besonders laut und krawallig auftritt. In ihrem Umfeld sollen sich gewaltorientierte Hooligans tummeln, die Verbindungen zu rechtsextremen Kameradschaften pflegen. In beiden Fällen ist der Verfassungsschutz aktiv.

Commando Gifhorn betonte die eigene Einstellung so: „Keine Diskriminierung, kein Rassismus, kein Hass! Politik hat in der Kurve nichts zu suchen!“ Aber stimmt das auch? Wie viel Politik befindet sich in der Kurve wirklich? Und ist die Beschwörung des Unpolitischen nicht auch eine eindeutige Ausrede, vor allem, wenn die Symbolik zweideutig ist?

In der KURT-Redaktion kamen nun auch Zweifel auf. Als Nachrichten- und Story-Magazin handelt man nicht nur nach dem Pressekodex, sondern auch nach den eigenen Grundwerten. Wie sauber ist die Geschichte über einen Fanclub, der zwar von sich selbst behauptet, Rassismus im Fußball abzulehnen, gleichzeitig für sich aber Zeichen entdeckt, die von rassistischen Gruppen bereits belegt sind?

Die Fahne des Fanclubs Commando Gifhorn weht in der Kurve – und löste im Netz einen Sturm der Entrüstung aus.

Foto: Privat

Kristin Harney, Expertin bei der Mobilen Beratung Niedersachsen gegen Rechtsextremismus für Demokratie, hat da einen besseren Überblick. Zwar seien die Verwendung von Lorbeerkranz und die gewählte Schriftart durchaus auch in der extremen Rechten anschlussfähig, aus der verwendeten Symbolik könne man aber nicht direkt auf einen rechtsextremen Hintergrund schließen, erklärt sie. Allerdings sei die Verwendung dieser Symbolik auch beliebt „in Teilen von anderen Fußballfanszenen, die nicht der extremen Rechten zuzuordnen sind“.

Das Commando-Logo ist also kein Nazi-Kram, sondern höchstens Ultra-Kram. Die militante Symbolik gehört da dazu. Ultras verstehen sich als explosive und emotionale Outlaws in der Kurve. Eine Subkultur, die davon lebt, am Rande der Grauzone zu operieren, konspirative Treffen abzuhalten und auch mal über die Stränge zu schlagen. Provokation um ihrer selbst Willen, simpel und öfter auch tumb. Und häufig schwingt der Vorwand des Unpolitischen mit.

Fanclubs sind eng mit dem Fußballverein verzahnt. Zusammen werden Stadionfeste organisiert und Charity-Events abgehalten. Es werden Geld-, Spielsachen- und Bücherspenden gesammelt, die Empfänger sind alle möglichen Einrichtungen, von Krebshilfen bis hin zu Flüchtlingslagern. Die Fans übernehmen dabei im klassischen Sinne zivilgesellschaftliche Aufgaben und drücken dieses organisierte Interesse aus. Auch Commando Gifhorn hat das vor: So sollen für jeden Punktgewinn des MTV Gifhorn ein paar Euro in eine Spendenkasse eingezahlt werden. Am Ende solle das Geld Kindern zugute kommen, die eine schwierige Lebenssituation haben. Das ist eine wohltätige Aktion, die lobenswert ist. Das Commando wird zum kleinen, aber politischen Akteur.

Das demonstrative Abschütteln des Politischen darf man ebenso als Nachahmerei werten wie das martialische Banner-Design. Der Ausspruch „Politik hat in der Kurve nichts zu suchen“ ist genauso alt wie falsch. Sich öffentlich gegen Rassismus zu stellen, wie es die Gifhorner Fangruppe gemacht hat, ist per se politisch, eben weil Sportanlagen noch immer ein Hort von Fremdenhass und Ausgrenzung sind. Wenn man demgegenüber mit Frakturschrift und Lorbeerkranz flirtet, um vielleicht cool und bad rüberkommen zu wollen, muss man sich Nachfragen und Ratschläge gefallen lassen. Die positiven Schlagzeilen, die der Fanclub seinem Herzensverein machen möchte, bleiben so allerdings aus.

Das Commando hielt sich selbst bei der Debatte größtenteils raus. „Uns lässt das kalt, aber jeder, der Fragen hat, darf sich gern bei uns melden“, meint Sven Herbold. Dass das Logo provozieren würde, wisse man, denn das solle es auch. „Wir wollen aber auch eine Zielgruppe ansprechen, die wir nicht mit dem Gifhorner Löwen oder einer Mühle bekommen“, so der MTV-Fan weiter. Das Logo sei selbst entworfen, aber von größeren Ultra-Gruppen inspiriert. Ob man nach dem Gegenwind plant, das Logo abzuändern? Sven Herbold verneint: „Wir hätten uns vielleicht besser informieren können. Aber Änderungen wird‘s erst mal nicht geben.“


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