Kunst & Kultur

Who-is-Who lokaler Promis und internationaler Perlen: Im Szene-Blog KrautNick schreibt Matthias Bosenick über all die schönen Funde abseits des Mainstreams

Marieke Eichner Veröffentlicht am 28.03.2021
Who-is-Who lokaler Promis und internationaler Perlen: Im Szene-Blog KrautNick schreibt Matthias Bosenick über all die schönen Funde abseits des Mainstreams

Matze kennt sie alle! Auch den Parodisten und Satiriker Oliver Kalkofe (links), bekannt aus Funk und Fernsehen, hat er schon interviewt. Im Hintergrund gibt Kalkofes Kollege Dietmar Wischmeyer gerade Autogramme.

Foto: Boris Neubrandt

Matthias Bosenick – Matze genannt – ist Fan und fester Bestandteil der Subkultur unserer Region. Er ist DJ, Partyorganisator und freier Journalist – auch für KURT ist er im Einsatz und liefert Monat für Monat eine große Musik-Story ab. Doch seine Kontakte reichen weit über unseren beschaulichen Landkreis hinaus. Matze kennt Künstler rund um den Globus, seine schönsten Funde abseits des Mainstreams rezensiert er seit mehr als 16 Jahren in seinem eigenen Blog: KrautNick. Im Interview erzählt er von großen Netzwerken in kleinen Szenen und über Homoerotik in einem russischen Podcast.

Den Journalismus hat Matze den Trottelkackern zu verdanken. „Ein Freund und ich haben an einem Preisausschreiben des früheren Wolfsburger Stadtmagazins Indigo teilgenommen. Der Redaktion hat er erzählt, dass er die Trottelkacker aus Velpke kennt“, erinnert sich Matze. „Mit denen sollten wir dann ein Interview machen, später habe ich Musik- und Filmrezensionen geschrieben. Meine Fresse, war ich oft im Kino...“ Sieben Jahre lang schrieb Matze fürs Indigo. Nach seinem Ausstieg gründete er mit einem anderen Kumpel, Olaf Krautwurst, im Jahr 2004 dann einen eigenen Musik-Blog: Aus Krautwurst und Bosenick wurde KrautNick.

Inzwischen führt Matze den Blog ganz auf eigene Faust. Dort finden sich neben Artikeln zur Musik aus verschiedenen Subkulturen auch Rezensionen rund um Literatur, Kino, Kunst und Hörspiel. Das volle kulturelle Brett also. Ergänzt wird das alles durch eine Sammlung an Beispiel-Songs von Musikern, die Matze gut findet – oder die Matze gut finden.

„Manche schmeißen mir einfach ‘ne CD in die Post – ohne Anschreiben“, berichtet Matze lachend. „Irgendwie ist das ins Rollen gekommen und hat sich verselbständigt“, schmunzelt der Musikenthusiast. „Tja, so entstehen Netzwerke.“ Und so wächst bei KrautNick auch die beeindruckend detaillierte Liste an Verlinkungen zu Veranstaltern, Shops, Künstlern und Radiosendern – ein Who-is-Who der lokalen Szene und internationaler Perlen.

Matze hegt und pflegt nicht nur KrautNick seit mehr als 16 Jahren. Er schreibt außerdem den Blog fürs Braunschweiger Café Riptide sowie für das Literaturmagazin Wortmax. „Ich bin süperbst geehrt, für die schreiben zu dürfen“, betont Matze. „Und natürlich auch für KURT“ – Monat für Monat beglückt er Sie, liebe Leserinnen und Leser, in unserem Print-Magazin genauso wie online mit einer fulminanten Musik-Story nach der anderen. Echt stark!

Partyorganisator, DJ und KURTs Musikredakteur: Matthias „Matze“ Bosenick hat sich über die Jahre ein weltumspannendes Netz verrückter Künstler aufgebaut. Was andere verwirrt vor der Kunst kapitulieren lässt, befeuert seine enthusiastische Neugierde erst recht.

Foto: Andrea Smolka

Da er auf ein enorm großes Repertoire zurückgreifen kann, organisiert Matze gelegentlich auch Partys und legt als DJ auf. „Einmal haben wir eine KrautNick-Party im B58 in Braunschweig organisiert“, erinnert er sich. Für Rille Elf – laut Selbstbeschreibung eine „Bande von Schallplattenunterhaltern, die gerne Tanzveranstaltungen ausrichtet“ – legt Matze heute noch als DJ auf.

Gemeinsam mit Kumpel Henrik lädt er zudem zu den regelmäßigen Indie-Ü-30-Partys ins Braunschweiger Nexus ein. Da diese zurzeit nicht stattfinden können, waren sie schon mehrfach auf Radio Okerwelle zu hören.

Nachdem er viele Jahre lang als Redakteur bei der Wolfsburger Allgemeinen Zeitung gearbeitet hat, ist Matze heute hauptberuflich in der Verwaltung der ambulanten Pflege der Diakoniestation Braunschweig beschäftigt. Seine Texte für den Riptide-Blog sind „ehrenamtlich“, wie er sagt – „und das KrautNick-Ding ist komplett geldflussfrei, das ist komplett Hobby“.

Leitidee von KrautNick sei, die Art der Kunst und das Gefühl dahinter zu beschreiben. „Ich möchte versuchen, zu transportieren, um was für Musik es sich handelt“, erklärt Matze. „Und zu zeigen, was hat der Künstler für ein Gefühl und was löst die Auseinandersetzung damit aus.“

Durch seinen eigenen KrautNick-Blog, durch den Journalismus, Veranstaltungen und Partys hat sich Matzes Freundes- und Bekanntenkreis zu einem Netzwerk der Subkulturen entwickelt. Und wenn man „von New York bis nach Australien“ Musiker kennt, kann es schon einmal zu amüsanten Verflechtungen kommen.

„Als ich im Urlaub in Savona in Italien war, bin ich in einen Plattenladen – ich wollt‘ ein Souvenir kaufen“, beginnt Matze zu erzählen. „Ich sag‘ zu dem Verkäufer: Verkauf mir ‘ne Platte, die‘s nur hier gibt! Das ist so‘n Ding von mir.“

Ein paar Jahre darauf lernt er Anton aus Moskau kennen. Der leitet ein Label und fragt, ob Matze das nicht mal bei KrautNick vorstellen möge. „In Antons Sortiment hab‘ ich dann genau die Platte aus meinem Italienurlaub entdeckt“, erinnert sich Matze lachend.

Aus der Bekanntschaft zu Anton ist längst eine Freundschaft geworden. Anton sei, so Matze, „ein echter Pfundskerl“. Regelmäßig versorgt Anton ihn mit neuem musikalischen Stoff. Das Label, das Anton gemeinsam mit zwei Freunden führt, veröffentliche „so Stoner-Rock, Doom, Psych, Jazz und Punk“. Diese Musikrichtungen haben sich in Russland erst vor 10 bis 15 Jahren entwickelt – vorher sei das einfach nicht möglich gewesen. „Im Westen bleibt man eher genretreu – aber die nehmen, worauf sie Bock haben und mixen das.“ Und mit einem breiten Grinsen fügt Matze hinzu: „Ich hätte schon echt Bock, die Truppe mal zu besuchen.“

Dieser Anton aus Moskau hat Matze dann noch mit einem anderen Anton bekannt gemacht. Und durch den ist ein italienisches Label auf Matze und seinen Blog aufmerksam geworden – durch einen Kommentar bei Facebook. „Wie in kleinen Szenen die Netzwerke laufen, das ist schon kurios“, schmunzelt Matze.

Musikmachende aus den USA und Australien kennt er durch das Braunschweiger Projekt „blackhole-factory“. „Die verfolgen eine Kunstrichtung, die ist der Welt so voraus, dass sie gar nicht wahrgenommen wird“, bedauert Matze ein wenig. Dort lauschte er einem virtuellen 24-Stunden-Improvisations-Konzert von Marc, der sonst bei „Ritual Tension“ spielt, einer Experimental-Rock-Band aus New York. Und bei dem Improvisationskonzert dabei war auch Roger aus Sydney, ein bekannter Trompeter in der Trip-Hop-Szene der 90er. „Das Konzert war schon eine wirre Sache.“

Man schickte sich Freundschaftsanfragen bei Facebook. Bald stieß Matze auf bis dahin unveröffentlichte Aufnahmen von Ritual Tension, die Bandmitglied Marc bei Facebook postete – natürlich folgte eine Rezension auf KrautNick. Was Matze zu dem Zeitpunkt nicht wusste: „Marc hat die Aufnahmen unabgesprochen geleakt.“

Als Gast in einem russischen Podcast wurde Matze mit geballter Zuneigung konfrontiert. Schöner geht‘s nicht!

Foto: Andrea Smolka

Ivan, ein weiteres Mitglied von Ritual Tension, erwirkte daraufhin, „dass es flugs wieder vom Netz ging“, so Matze. Doch: „Damit war ich der erste Rezensent dieser Comeback-Platte, noch bevor sie überhaupt erschienen ist.“ Der anfängliche Ärger darüber ist schnell verflogen – und Ivan freute sich über die Rezension letztlich sogar so sehr, dass er hinterher KrautNick in einem Artikel über eben dieses geleakte Album im Magazin „The Big Takeover“ zitierte.

Sogar für einen Wikipedia-Artikel wurde KrautNick schon herangezogen – zur Live-DVD der Band „Front Line Assembly“. Und auch Andreas Reiffer, ein Verleger aus Meine, sowie der Braunschweiger Schriftsteller Hardy Crueger haben schon Texte von Matze in ihren Büchern abgedruckt. Für den kulturverliebten Menschen eine riesengroße Ehre.

Und ist er einmal in Fahrt gekommen, schwärmt Matze von verrückten Künstlern, die sich ebenso weit vom Mainstream entfernt verorten lassen, wie New York von Sydney. Etwa Jörg A. Schneider, ein Schlagzeuger aus Hückelhoven. „Der macht Musik, die man nicht mehr als Rhythmus bezeichnen kann“, sagt Matze. Ein ehrliches Kompliment. „Es klingt wie die völlige Befreiung. Irres Zeug. Das hat auch was Beruhigendes.“ Und da ist ja auch noch Jonas Kolb aus Schöningen, „der seinen Weltekel in richtig depressive Musik bündelt und neue Platten im Sekundentakt produziert.“ Der liebste Mensch der Welt, so Matze – „was man seiner Musik nicht anhört“.

Und als Matze dann auch noch von einem türkischen Jazz-Bassisten in Groningen schwärmt – „der bestückt mich regelmäßig mit Sachen, treue Seele, offen für schräge Musik“ – kommt er schließlich wieder auf Anton aus Moskau zu sprechen: „Der hat mich an eine Live-Radio-Show in Russland vermittelt. So lustig“, berichtet Matze. „Das Motto war Werkzeuge – und ich sollte Songs dazu vorstellen.“ Für Matze wurde extra ein Übersetzer hinzugeschaltet. „Mein Interviewpartner war total sympathisch“, erzählt Matze. „Der labert und labert auf Russisch und ich verstehe – nichts.“ Der Mann habe wiederholt ein Herz mit seinen Händen geformt und lachend in die Kamera gezeigt. „Der Übersetzer meinte zu mir daraufhin nur: Äh ja... erzähl‘ mal was über das nächste Lied, was Du ausgesucht hast.“ Verwunderung machte sich bei Matze breit. Eine so kurze Übersetzung für einen so langen Redebeitrag? „Also frag‘ ich den Übersetzer, was er da gerade unterschlagen hat und der meint: Ach ja... nur so ein paar homoerotische Fantasien und ein Dankeschön für Deinen Blog.“ Matze lacht: „Und das in Russland!“

Bei all den Bekanntschaften und einem über die ganze Welt verstreuten Freundeskreis weiß Matze über seinen KrautNick-Blog: „Ich bin ja nicht der einzige, der so etwas macht. Aber es ist unglaublich schön, Dankbarkeit zurückzukriegen.“ Vor allem, wenn sie sich auf solch liebevolle Weise äußert wie in Russland.

Hier geht’s zu Matzes Blog:
krautnick.de


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