Kopfüber

Wer von Jagd spricht, bekommt Opfer und Täter: Unser Kolumnist Malte Schönfeld denkt über die Wahlversprechen der Parteien nach

Malte Schönfeld Veröffentlicht am 02.06.2024
Wer von Jagd spricht, bekommt Opfer und Täter: Unser Kolumnist Malte Schönfeld denkt über die Wahlversprechen der Parteien nach

Zum Wahlkampf gehören auch Plakate dazu. Nicht alle halten es unversehrt bis zum Wahltag aus – so wie dieses Gifhorner Plakat der Grünen im Mai. Massiv zugenommen hat sogar die Gewalt gegen ehrenamtliche Plakataufhänger und Unterstützer.

Foto: Privat

Es heißt ja häufig, dass Parteien ihre Wahlversprechen nicht einhalten. Versprochen, gebrochen – und die Wählerinnen und Wähler sind enttäuscht und fühlen sich getäuscht. Die Erklärung scheint da manchmal ganz einfach: Wahlprogramme versammeln einen Haufen Ideen, den die Parteien gerne umsetzen würden, wenn sie denn allein durch eine Parlamentsmehrheit entscheiden könnten. Diese Alleinregierungen sind jedoch ziemlich selten.

Der aktuellen Bundesregierung kann man das Brechen von Wahlversprechen allerdings weniger vorwerfen. Ob man den neuen Gesetzen und Reformen zu Klima, Einwanderung, Mindestlohn, Staatsangehörigkeit oder Cannabis zustimmt, sie mutlos findet oder gar ablehnt – das ist eine Sache. Eine andere ist aber die Bereitschaft von SPD, Grünen und FDP, trotz all dem Kommunikationschaos, was das schlimmste aller Zeiten ist, immerhin minimale Veränderungen zu wagen.

Man kann inzwischen sogar festhalten, dass Oppositionsparteien ihre Wahlversprechen halten. Bestes Beispiel ist die AfD. Als die damals noch weniger radikalisierte Jung-Partei 2017 erstmals in den Bundestag einzog, zitterte Bundessprecher Alexander Gauland sein „Wir werden sie jagen“ ins Mikro. Und tatsächlich: Sieben Jahre später, vor der Europawahl vom 6. bis 9. Juni, lässt sich konstatieren, dass die Jagd schon lange begonnen hat.

Es hat sich einiges geändert seit Bernd Lucke, AfD-Parteigründer, im Mai 2014 als Spitzenkandidat ins Europäische Parlament einzog. Petry, Gauland und Meuthen später ist die AfD eine Partei voller Rechtsextremer, die sich mit Russland und China eine ménage à trois wünscht, trotz der Brexit-Folgen immer noch einen Dexit bevorzugt und auch im Hinblick auf die Klimakrise noch immer nicht verstanden hat, warum großspurige Investitionen nötig sind und klimabedingte Folgekosten die Deindustrialisierung Europas und damit auch Deutschlands bedeuten, weil mehr als 50 Prozent der deutschen Exporte in die EU gehen.

Beängstigend ist – und da kommt wieder die Jagd ins Spiel –, dass vermehrt Angriffe auf Politiker stattfinden. SPD-Politiker Matthias Ecke und die Grüne Yvonne Mosler in Dresden, die Berliner Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey vor einer Neuköllner Bibliothek. Auch AfD-Politiker werden angegriffen, was verabscheuungswürdig ist. Laut Bundeskriminalamt haben sich die Angriffe seit 2019 auf Politiker der im Bundestag vertretenen Parteien verdoppelt, allen voran die Grünen-Politiker sind häufig das Ziel. Und die Körber-Stiftung hat ermittelt, dass jeder vierte Bürgermeister, der schon einmal bedroht wurde, den Rückzug aus der Politik erwägt. Auch ich habe diese Überlegungen von Gifhorner Lokalpolitikern bereits vernommen.

Wer eben vom Jagen spricht, sollte dann auch Verantwortung für die Konsequenzen übernehmen. Wenn AfD-Politiker anstacheln und agitieren, schlägt das gewaltbereite, rechtsextreme Milieu zu. Das Attentat auf Kölns Bürgermeisterin Henriette Reker 2015 und die Ermordung des Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübke 2019 durch Rechtsextremisten sind nicht vergessen. Und auch in Gifhorn werden Politiker und Plakataufhänger attackiert, wenn sich die schäbige Sprache in tödliche Wünsche eskaliert.


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