Land & Leute

Vize-Miss-Germany aus Gifhorn hat eine Mission: Sandra Friedrichs vereint Videospiele mit mentaler Gesundheit und Achtsamkeit

Malte Schönfeld Veröffentlicht am 21.03.2023
Vize-Miss-Germany aus Gifhorn hat eine Mission: Sandra Friedrichs vereint Videospiele mit mentaler Gesundheit und Achtsamkeit

Eine Mission vor Augen: Vize-Miss-Germany Sandra Friedrichs aus Gifhorn möchte über mentale Gesundheit und Videospiele sprechen.

Foto: Ariel Oscargreith

Laufstegbeine, markante Wangenknochen, 90/60/90-Maße – wenn man an die Wahl zur Miss Germany denkt, fallen einem wohl Attribute wie diese ein. Doch die Zielvorgaben haben sich geändert. Inzwischen ist nicht mehr die nächste Verona Feldbusch gesucht, sondern eine Frau mit einer eindrücklichen Geschichte und einer Mission. Und dazu zählt die in Gifhorn aufgewachsene Influencerin Sandra Friedrichs (33). Nach ihrer Bewerbung überzeugte sie die Jury mit ihrer Mission, Gaming und mentale Gesundheit zusammenzubringen – und darf sich nun Vize-Miss-Germany 2023 nennen.

Ein Strahlen, das man nicht faken kann, Kater Eddy auf dem Arm, Kopfhörer auf den Ohren – so erscheint Sandra im ersten Twitch-Stream nach dem „Miss-Germany“-Finale. Ihr purzeln die Sätze halb raus, dann muss sie vor Glück wieder lachen. Der Chat überschlägt sich mit Herz-Emojis.

Auf ihrem Kanal spielt sie unter dem Namen anormaldisaster Videospiele, allen voran „Die Sims“. Das ist ein Simulator, bei dem man in die Leben pixeliger, aber liebevoll animierter Charaktere schlüpft und dabei Häuser baut, Haustiere hütet, Familien gründet. Zu ihren Lieblingsspielen gehört auch Pokémon, auf ihrem Arm hat sie Pikachu tätowiert.

Angefangen hat alles Mitte der 90er Jahre. „Mein Vater hat selbst eine Affinität zu Spielen“, erinnert sich Sandra, er spielt „Die Siedler“ oder „Doom“, beides absolute Meilensteine auf ihre Art und Weise. Von ihm bekommt sie einen Sega Game Gear. Was die kleine Sandra an den Bildschirm fesselt, sind etwa „Prince of Persia“ und „König der Löwen“. „Ich habe es geliebt“, sagt die 33-Jährige. Die Immersion, die Sogwirkung entfaltet sich bei ihr ganz natürlich, mehr als bei Filmen oder Büchern. „Wenn man selbst steuert, ist man noch viel mehr in den Storys drin.“ Das hat sich seitdem nicht geändert.

Übertragen wurde Miss Germany 2023 aus dem Europa-Park Rust mit Sandra (3. von rechts) auf Twitch.

Foto: Miss Germany

Heute wohnt Sandra Friedrichs in Hamburg, doch aufgewachsen ist sie in Gifhorn. Wenn man sie nach unserer Mühlenstadt fragt, fallen ihr als erstes die beiden Tennis-Klubs im Heidland und an der Bleiche ein, in denen sie aktiv war. Generell sei sie ein vielseitig begeistertes Kind gewesen, habe auch Basketball gespielt und in der Musikschule am Stadtbahnhof Gesangsunterricht genommen.

Doch mit Gifhorn verbindet sie auch unschöne Zeiten. In der Schule wird Sandra gemobbt, und wenn sie nach dem Schlussgong nach Hause fährt, macht sie – zack, zack – ihre Hausaufgaben, um sich danach schnell vor dem Bildschirm abzulenken. „Ich nenne mich selbst manchmal auch die Königin der Verdrängung“, sagt sie mit einem Lachen, das nur deswegen befreiter klingt, weil diese Geschichten lange genug zurückliegen und aufgearbeitet sind. Häufig geht sie bei der Videothek Empire am Calberlaher Damm ein und aus, leiht Filme und Spiele.

Im März dieses Jahres sitzt Sandra in ihrem Zimmerchen in Hamburg und unterhält ihre Zuschauerinnen und Zuschauer – auf Twitch sind es rund 3000 Abos, auf Instagram schon 3600, auf YouTube folgen ihr 5000 Personen, auf TikTok zählt sie insgesamt 1,7 Millionen Likes. Erst vor Kurzem wechselte sie komplett in die Streamer-Selbständigkeit, nach einem Master in Kommunkationsmanagement und Jobs in der Gaming-Branche.

Ihre Fans schalten auch deswegen rein, weil sie bei ihr Cozy-Games erleben – Spiele, die entspannen, die wie eine warme Kuscheldecke für die Nerven sind. Zurücklehnen, lachen. Sandra möchte einen Safe-Space bieten. Mentale Gesundheit und Aufklärung und Sichtbarkeit sind ihr wichtig. Die möchte sie auch an ihre Zuschauerinnen und Zuschauer weitergeben. Daher kam es in ihren Streams beinahe automatisch dazu, dass sie auch über ihre Vergangenheit sprach, das Mobbing in der Schule, aber auch eine Vergewaltigung während eines Auslandssemesters 2012 in Miami.

In ihren Streams spielt Sandra sogenannte Cozy Games, die für Gemütlichkeit nicht nur bei ihr, sondern auch bei ihren Fans sorgen sollen.

Foto: Privat

Wie das geschehen ist und wie sie damit umgegangen ist – ihren Zuschauerinnen und Zuschauern hat sie das in einem 20-minütigen Video geschildert. Mentale Gesundheit spiele dabei, so komisch es klingt, auch immer in ihren Sims-Geschichten eine Rolle. „Gaming darf nicht ausschließlich als Realitätsflucht genutzt werden. Und ich bin keine Psychologin, kein Coach, keine Schablone für andere. Aber es ist schwierig so zu tun, als würde es nur positive Vibes geben. So ist es nämlich nicht. Das ist sogar toxisch“, betont Sandra. Sie weiß, dass Spiele wie Sims ein junges Publikum locken. Deswegen möchte sie in Zukunft weitere Formate mit Gesprächspartnern wie Psychologinnen und Experten starten, um auch über Rassismus in Games und den Medienkonsum allgemein nachzudenken.

Ihre erfolgreiche Teilnahme bei der Wahl zur Miss Germany 2023 passt da perfekt – diese große Öffentlichkeit kann man gut nutzen. Es geht seit einigen Jahren nicht mehr um Seize-Zero-Models, Catwalk-Qualitäten und Photoshoot-Fähigkeiten – auch wenn die Frauen im Finale dann doch alle erstaunlich einer, na ja, Normschönheit entsprechen.

In der Jury saßen prominente Medien-Profis wie Moderatorin Ruth Moschner oder die Models Bruce Darnell und Monica Meier-Ivancan, Charismabomben, sie coachten die Teilnehmerinnen in Medienpräsenz, Auftreten und der Authentizität beim Drehen. „Ich stehe 100-prozentig hinter Miss Germany. Hätte mir etwas nicht gefallen, dann wäre ich ausgestiegen“, bekräftigt Sandra, die nun von Miss Germany Studios gemanagt wird. Die Show sei „eine Plattform für die Missionen der Kandidatinnen. Es ging um den Austausch, die Sichtbarkeit der Missionen.“ Kaum eine Spur von Konkurrenz, sagt sie, im Gegenteil: „Wir haben uns gegenseitig Tipps gegeben, eine Nähe wie bei Freundinnen.“

Nun will Sandra das alles erst mal verarbeiten. Danach: die neuen Formate präzisieren, ihre Mission von Mental Health, Awareness und Gaming pushen. „Ich möchte mehr auf andere Creator zugehen.“ Und damit zeigen, dass man mit seinen Sorgen und Problemen nicht alleine ist. Sie sei nach der „Miss-Germany“-Reise selbstbewusster und inspirierter denn je. Eine gute Voraussetzung, um mentale Gesundheit, das dazugehörige Bewusstsein und Gaming noch mehr zu fördern.


Coole Leute gesucht – wir stellen ein!

Informiere Dich über Jobs in unserem Medienhaus! Wir sind auf der Suche nach tollen Menschen, die bei uns einsteigen möchten.

Mehr erfahren