Kunst
So haben Gifhorner ihre Stadt noch nie gesehen: Der Künstler Watheq Al Fayyadt stellt ab 16. Juni in der St. Nicolai-Kirche aus
Malte Schönfeld Veröffentlicht am 11.06.2024
„Ich lerne die Kunst noch immer. Wer besser werden möchte, muss weitermalen. Es bleibt mein Traum, in einem großen Museum auszustellen", sagt Watheq Al Fayyadt, irakischer Künstler aus Gifhorn. Ab 16. Juni kann man seine Gemälde, die auch von Gifhorn handeln, in der St. Nicolai-Kirche schauen.
Foto: Privat
Wer sein Leben lang durch Gifhorn spaziert, nimmt manchmal die Stadt, die Straßen und die Menschen für selbstverständlich. Sie ziehen an einem vorbei, ohne dass man von ihnen Notiz nimmt. Anders sieht es aus, wenn ein anderer Mensch einem die Augen öffnet. Diese Perspektive – und noch einiges anderes mehr – gestattet uns der Künstler Watheq Al Fayyadt, der ab 16. Juni seine Gemälde in der Gifhorner St. Nicolai-Kirche am Marktplatz ausstellt.
Schaut man auf die Bilder von Watheq Al Fayyadt, die von Gifhorn handeln, erlebt man als ewig Eingelebter auf fast bizarre Art zwei Dinge: Der impressionistische Ausdruck und die Farbwahl lassen einen wundersam am Kopfe kratzen. Ist das wirklich meine Stadt – oder doch eine Szene aus dem Süden Frankreichs?, grübelt man dann. Und das andere ist die künstlerische Übertragung der Gefühlswelt des Malers auf die Leinwand – etwas zutiefst Expressionistisches.
Watheq Al Fayyadt ist 40 Jahre alt und wohnt in Gifhorn. Vor neun Jahren flieht er vor dem Krieg im Irak, wo er längere Zeit an einem Kunstinstitut gelehrt hat. Da sein Zeugnis in Deutschland nicht anerkannt wird, arbeitet er als Postbote – bis heute. „Doch ich sehe mich immer noch als Künstler. Ich lerne die Kunst jeden Tag. Denn wer besser werden möchte, muss weitermalen. Und es bleibt mein Traum, irgendwann wieder als Kunstlehrer arbeiten zu dürfen und vielleicht sogar in einem großen Museum auszustellen“, sagt der Gifhorner.
In seiner Wohnung hat sich Watheq Al Fayyadt ein Atelier eingerichtet. „Wenn ich von der Arbeit komme, brauche ich 30 Minuten Ruhe. Danach gehe ich in mein kleines Zimmer und male.“ Hier entstehen die Bilder, die nun in der Ausstellung rund um die musikalische Atempause und zu Gottesdienstzeiten zu sehen sein werden. Dazu gehören auch schmerzende Erinnerungen an seine alte Heimat.
Wenn Watheq Al Fayyadt vom Irak malt, dann sind es Kinder ohne Brot, Frauen auf der Flucht, Leute in Lagern, aufgerissene Gesichter, ermordete Helden. „Entweder fliehen – oder bleiben, um zu sterben“, sei damals die Wahl gewesen, sagt der Iraker. In seiner Kunst arbeitet er sich noch heute ab an den dunklen Gedanken und den Ruinen von den Städten, die es nicht mehr gibt.
Umso glücklicher ist Watheq Al Fayyadt, dass er nach zwei Ausstellungen im Rathaus und in der Kreisvolkshochschule und einer langen Pause wegen Corona nun wieder seine Arbeiten zeigen darf. Zur Vernissage gibt‘s eine Einführung von Charlotte Dreschke von der Kreiskunstschule und Impulse von Pastor Matthias Wittkämper, Pastor in Ruhe Karsten Keding sowie Jutta Leinemann von der Stabsstelle Integration des Landkreises Gifhorn. Für Musik sorgen Akbar Hossaini auf einer Dambura und Raphael Nigbur an der Orgel.

Der Bahnübergang an der Braunschweiger Straße. Zieht sich der Himmel zu – oder klart er auf? Die Besucher der Ausstellung dürfen entscheiden.
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Gifhorner erkennen hier die Hofeinfahrt des Schlosses.
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Watheq Al Fayyadt hat auch die Gifhorner Zickenstatue gemalt.
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Einige Gemälde des Gifhorner Künstlers Watheq Al Fayyadt handeln von Krieg, Flucht und Leid in seinem Heimatland Irak.
Foto: Privat
Ausstellung: „Erfahrung – Sehnsucht – Integration“
St. Nicolai, Marktplatz, Gifhorn
Gottesdienst mit Vernissage:
Sonntag, 16. Juni, 10 bis 10.45 Uhr
Ausstellung:
Sa. 22. und 29. Juni, 6. und 13. Juli
jeweils 11 bis 13 Uhr