KURT vor Ort
Mag jede Biene auch jede Blume? Imker Martin Stöhr aus Ettenbüttel beantwortet KURT alle Fragen zu den Weltretter-Insekten
Malte Schönfeld Veröffentlicht am 16.07.2023
Entschuldigung, dürfen wir kurz stören? Imker Martin lässt sogar unseren Malte ein Rähmchen und die Bienen halten.
Foto: Michael Uhmeyer
Man muss kein Biologe sein, um zu wissen, dass die Biene eines der wichtigsten Tiere der Gegenwart ist. Sie versorgt uns mit luxuriösem Honig, auf den wir Menschen zwar verzichten könnten. Doch ohne ihre Bestäubungsleistungen, die unsere Umwelt stabilisieren, geht es nicht. Was ihre Aufgaben sind, wie die Bienen leben und was sie so faszinierend macht, hat der Ettenbütteler Imker Martin Stöhr (38) KURT erklärt.
Kaum ein Insekt ist in Deutschland so bekannt wie die Biene. Selbst, wenn nicht alle Bürgerinnen und Bürger sie auf den ersten Blick erkennen. Biene, Wespe, Hornisse, Schwebfliege – für das ungeübte Auge können die alle gleich aussehen. Einer aber weiß unter Garantie Rat: der Imker.
Martin Stöhr wohnt in Ettenbüttel und ist Vorsitzender des Imkervereins Gamsen. Er ist kein Berufsimker, denn die sind heutzutage äußerst selten geworden. Als Bursche schaute er begeistert seinem Vater zu, wie der seine Völker umsorgte. „Aber erst, wenn man weiß, wo man wohnen möchte und beruflich alles abgesichert ist, wird es realistisch, sich um Bienenvölker zu kümmern“, erklärt Martin.
So sehen die Bienen von Imker Martin Stöhr aus der Nähe aus.
Foto: Michael Uhmeyer
Doch wer ist die Biene eigentlich genau? Allein in Deutschland gibt es ungefähr 560 Wildbienenarten. Sie leben solitär oder in kleinen Völkern, nisten im Boden, in Baumhöhlen, Insekten-Tunneln, kleinen Astlöchern oder Halmen. „Jede Biene hat ihre Lücke gefunden“, weiß Martin und berichtet von der größten Biene in Deutschland, der Blauen Holzbiene, die lila bis schwarz schillert. „Sie kann schon bei relativ niedrigen Temperaturen von 3 bis 4 Grad Blüten anfliegen. Damit hat sie den Vorteil gegenüber der Honigbiene, die erst ab 12 Grad aktiv auf die Suche geht.“
Die Europäische Honigbiene, lateinisch Apis mellifera – sie ist die flauschige Blaupause für das, was wir uns gemeinhin als Biene vorstellen. Sie ist der Quell unseres Honigs und wurde schon vor Tausenden von Jahren domestiziert. Wer in Büchern über das Alte Ägypten und seine Pharaonen blättert, wird ihre Hieroglyphe wiedererkennen.
Diese Biene ist es auch, die bei Martin umhersurrt und sich leidenschaftlich in die Kirschblüten des Nachbargrundstücks setzt. Mag jede Biene denn auch jede Blume? „Unsere Honigbienen sind Generalisten“, sagt der Imker. „Sie nehmen alles, was sie kriegen können – vom Flieder über den Klee bis hin zur Kirschblüte. Es gibt aber auch Arten, die fliegen nur eine Blumensorte an. Und somit ist ihr Bestehen an das der Pflanze gekoppelt.“
„Unsere Honigbienen sind Generalisten. Sie nehmen alles, was sie kriegen können – vom Flieder über den Klee bis hin zur Kirschblüte.“ Foto: Michael Uhmeyer
Martin Stöhr, Vorsitzender des Imkervereins Gamsen
Die Völker bei Martin sind unterschiedlich groß, junge Völker bestehen aus ein paar Tausend Bienen, ältere können bis zu 40.000 Mitglieder beheimaten. Das Herzstück ist die Bienenkönigin, die ununterbrochen für den Nachwuchs sorgen muss, sie wird mehrere Jahre alt. Dagegen sind der Drohn, die männliche Biene ohne Stachel, von der es nur wenige Hundert in einem Volk gibt, und die Arbeiterin bloß mit einem mickrigen Leben von ungefähr 40 Tagen gesegnet – ein trauriges Schicksal, wenn man bedenkt, dass das Wachsen und Schlüpfen vorher 21 Tage dauert.
Ohne die Bienen sähe unsere Welt ziemlich karg aus. Wir brauchen sie als Bestäuber, damit unsere Biotope artenreich sind und unsere Umwelt gesund ist. „Wenn im Spätherbst noch der wilde Wein und der Efeu blühen, dann ist das zwar nektartechnisch nicht ganz so interessant. Aber die Bienen haben eine super Pollenversorgung. Die ist fast wichtiger als der Nektar. Sie ist elementar für die Brut“, erklärt Martin.
Verwucherte Ecken in den Gärten zuzulassen gefällt der Biene deswegen sehr gut. Auch Wildblumen auf Magerwiesen sollten nicht von eiligen Kinderhänden im Frühling gerupft werden. Schon die übermäßige Flächenversiegelung stellt ein Riesenproblem dar. Denn während es dem Bestand der Honigbiene gut geht, ist die Wildbiene arg gefährdet. Und das, obwohl wir auf sie nur schwer verzichten können.
Das könnte die Bienenkönigin sein: Imker Martin Stöhr zeigt KURT-Volontär Malte Schönfeld den Futterkranz und die Brut seines Schaukastenvolks. Zur Vorsicht bekommt auch Malte einen Schutzanzug.
Foto: Michael Uhmeyer
Um auch der nächsten Generation die Vorzüge der summenden Umweltretterin vorzustellen, gehen Imker wie Martin mit einem Schauvolk in Kindergärten und Schulen. So lernen die Kinder, dass die Bienen zwar ein wenig gefährlich sind, weil sie zustechen können, doch aber viel lieber in sorgloser Ruhe ihre Versorgungsflüge oder ihren Wabenbau erledigen. Denn, so sagt er: „Wenn man Imker ist, ist man immer auch Naturschützer. Und gut, dass sich in der Bevölkerung das Wissen durchgesetzt hat: Die Bienen sind die Guten, die brauchen wir.“
Sollte es doch einmal zu einem Bienenstich kommen, schwört Imker Martin auf den Saft einer aufgeschnittenen Zwiebel. Und ansonsten würden bei Erwachsenen die etwas schmerzhaften Hitze-Stichheiler helfen. „Den Stachel sollte man vorher aber rausziehen“, lächelt Martin Stöhr.
Wusstest Du schon, dass...
Hummeln Bienen sind? So wie die Honigbiene wurde auch die Hummel vom Menschen domestiziert. Während die Biene für Honig sorgen soll, benötigen wir von der Hummel ihre Bestäubungskünste.
Imkerverein Gamsen
Martin Stöhr
Tel. 05375-955757
stoehrminator@gmail.com