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Internationaler Tag gegen Gewalt an Frauen: Interdisziplinäre Koordinierungsstelle Häusliche Gewalt für die Region Braunschweig informiert über Gewaltschutzgesetz

Redaktion Veröffentlicht am 25.11.2022
Internationaler Tag gegen Gewalt an Frauen: Interdisziplinäre Koordinierungsstelle Häusliche Gewalt für die Region Braunschweig informiert über Gewaltschutzgesetz

Vertreter*innen der Interdisziplinären Koordinierungsstelle Häusliche Gewalt für die Region Braunschweig (iKOST HG) sagen nein zu Gewalt gegen Frauen: (v.l.n.r.) Simone Semmler (Gleichstellungsbeauftragte Salzgitter), Kathrin Sahin (BISS und Frauenberatung im Peiner Frauenhaus), Yasemin Wolgast (Geschäftsstelle iKOST HG), Tessa Bethge, Polizeikommissarin, Multiplikatorin für die PI Wolfsburg/Helmstedt), Stefan Löhmann (Täterberatung HG für die Region Braunschweig), Kaja Hermann (Schutzhaus Gifhorn), Frank Hellwig (Beauftragter für häusliche Gewalt, Polizeidirektion Braunschweig) und Katrin Heiland (Oberamtsanwältin, Staatsanwaltschaft Braunschweig).

Foto: Franziska Rutz

Zum Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen am 25. November informiert die Interdisziplinäre Koordinierungsstelle Häusliche Gewalt für die Region Braunschweig (iKOST HG) über das vor 20 Jahren verabschiedete Gesetz zum zivilrechtlichen Schutz vor Gewalttaten und Nachstellungen (Gewaltschutzgesetz). Warum braucht es ein solches Gesetz, wie wird es angewandt und wie wird es in unserer Region umgesetzt?

Warum gibt es dieses Gesetz?

35 Prozent der Frauen in Deutschland haben in ihrem Leben schon einmal körperliche und/oder sexuelle Gewalt erlebt; 22 Prozent der Frauen waren von körperlicher und/oder sexueller Gewalt durch einen Partner betroffen. Diese Zahlen sind das Ergebnis der Studie „Gewalt gegen Frauen“ der Europäischen Grundrechteagentur aus dem Jahr 2014. Diese Zahlen zeigen auf, dass die Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen im Fokus von Bund und Ländern stehen muss. Wichtig ist bei diesem Thema, dass alle Expertinnen und Experten auf allen Ebenen zusammenarbeiten.

Worum geht es im Gesetz?

Mit dem Gesetz zum zivilrechtlichen Schutz vor Gewalttaten und Nachstellungen (Gewaltschutzgesetz) wurden vor 20 Jahren zentrale rechtliche Vorschriften, die sich auf die Bekämpfung von Gewalt im Allgemeinen und besonders auf häusliche Gewalt fokussieren, geschaffen. Im Gewaltschutzgesetz ist der Grundsatz „Wer schlägt, muss gehen und das Opfer bleibt in der Wohnung“ geregelt. Die Opfer müssen sich folglich nicht mehr selbst um ihren Schutz sorgen und den Wegfall ihres vertrauten Zuhauses und Umfeld hinnehmen.

Wie wird das Gesetz bei häuslicher Gewalt konkret umgesetzt? Ein Fallbeispiel:

Sobald die Polizei vor Ort ist, hat sie die Möglichkeit Herrn B. (gewalttätige Person) mit der sogenannten „Wegweisung“ zu verbieten in der Wohnung zu bleiben oder zurück zu kehren. Diese kann angeordnet werden, wenn die Polizei annehmen muss, dass die Gesundheit, Freiheit oder das Leben von Frau A. (das Opfer) gefährdet ist, zum Beispiel bei häuslicher Gewalt. Diese „Wegweisung“ kann nach dem Polizei- und Ordnungsbehördengesetz (NPOG), bis zu zwei Wochen ausgesprochen werden. Wird bei Gericht eine einstweilige Verfügung beantragt, verlängert sich die Frist. Durch den Beschluss endet die polizeiliche Maßnahme und der Beschluss, nach dem Gewaltschutzgesetz tritt in Kraft.

Gleichzeitig informiert die Polizei Herrn B. über die Täterberatung und Frau A. erhält vor Ort direkte Informationen über das Unterstützungssystem. Durch den Polizeieinsatz mit Kenntnis von strafbarem Verhalten wird ein Ermittlungsverfahren eingeleitet. Automatisch sendet die Polizei je eine Mitteilung an die Beratungs- und Interventionsstelle (BISS), an die Täterberatungsstelle und – wenn Kinder involviert sind – an das Jugendamt. Die BISS setzt sich dann proaktiv mit Frau A. in Verbindung und bietet Unterstützungsmöglichkeiten an. Die Täterberatung nimmt ebenfalls proaktiv Kontakt zu Herrn B. auf, um über das Programm der Täterarbeit zu informieren und zu klären, ob die Voraussetzung einer Teilnahme bestehen.

Im Verfahren kann Herrn B. eine Auflage erteilt werden, wie zum Beispiel an einem Täterprogramm teilzunehmen oder eine Geldbuße. Falls sich Frau A. dazu entschließt nicht in der Wohnung zu bleiben, kann sie in einem Frauenhaus Schutz finden. Frau A. hat die Option, innerhalb von drei Monaten nach der Tat, beim Familiengericht einen Antrag für die Wohnungsüberlassung nach dem Gewaltschutzgesetz zu stellen. Somit können dann auch Frauen aus dem Frauenschutzhaus wieder zurückkehren, ohne sich die Wohnung mit der gewalttätigen Person teilen zu müssen.

Die Schutzanordnung kann auf Dauer zugewiesen werden, wenn Frau A. alleinige oder gemeinsame Mieterin oder Eigentümerin ist. Bis zu sechs Monate kann die Überlassung befristet sein, wenn Herr B. der alleinige Besitzer ist. Es können weitere sechs Monate verlängert werden, wenn Frau A. noch keine eigene Wohnung gefunden hat.

Das Familiengericht hat das zuständige Jugendamt von einer Wohnungszuweisung zu informieren, wenn im betroffenen Haushalt Kinder leben, damit das Jugendamt Frau A. Beratung und Unterstützung bei der Ausübung oder Änderung eines eventuell bestehenden Umgangsrechts anbieten kann.

Was heißt das für die Umsetzung in der Region?

Die Zusammenarbeit zwischen den Beteiligten Akteurinnen und Akteuren muss wie bei einem Zahnrad ineinandergreifen, um effektiv zu sein. Der Austausch untereinander ist wesentlich, um die
jeweiligen Aufgaben zu erfüllen und den nötigen Schutz zu gewährleisten. In der Region müssen die Strukturen weiter ausgebaut werden.

Hierzu gehört zum Beispiel die flächendeckende Initiierung von Unterstützungsangeboten für Betroffene, Beratungsangebote für Opfer, Täterinnen und Täter sowie von Präventions- und Öffentlichkeitarbeitskonzepten wie zum Beispiel „StoP-Stadtteile ohne Partnergewalt“, das in Braunschweig im Jahr 2019 startete. Des Weiteren braucht es einen Ausbau der Strafverfolgung und Überwachung von Schutzmaßnahmen.

Weiter ausgebaut wird die Arbeitsgruppe „Hochrisikomanagement“, um ein strukturiertes, flächendeckendes und einheitliches Fall- und Hochrisikomanagement zu gewährleisten. Hierbei handelt es sich um die Abstimmung von Sicherheitsmaßnahmen die (wiederholte) schwere Gewaltfälle und Tötungsdelikte verhindern sollen. Dabei werden Fälle nach spezifischen Kriterien als „Hochrisikofall“ eingestuft und innerhalb einer Fallkonferenz mit allen involvierten Berufsgruppen bearbeitet.

Die Interdisziplinäre Koordinierungsstelle häusliche Gewalt für die Region Braunschweig

Die Interdisziplinäre Koordinierungsstelle häusliche Gewalt für die Region Braunschweig ist eine interdisziplinäre Kooperationsgemeinschaft von 51 fachlichen Organisationen, Institutionen und Einrichtungen in der Region Braunschweig, die in unterschiedlicher Weise mit dem Problem der häuslichen Gewalt konfrontiert sind.

Das Ziel ist die verschiedenen Fachexpertisen zu bündeln, um die Unterstützung und Beratung von Betroffenen häuslicher Gewalt weiter zu verbessern und Synergieeffekte zu nutzen. Zurzeit arbeiten sechs Arbeitsgruppen an Themen zur häuslichen Gewalt.

Frauen, die von häuslicher Gewalt betroffen sind, können sich genauso wie ihre Verwandten, Freundinnen und Freunde sowie Fachkräfte bei allen Fragen an das Hilfetelefon Gewalt gegen Frauen wenden.

Tel: 0800-116016

www.hilfetelefon.de


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