Musik

Ich musste mich daran erinnern, kein Gott zu sein - Gifhorns Dudelsackspieler Alexandra Scheckel und Tom Zimball spielten in Wacken vor 80.000 Menschen

Matthias Bosenick Veröffentlicht am 01.05.2023
Ich musste mich daran erinnern, kein Gott zu sein - Gifhorns Dudelsackspieler Alexandra Scheckel und Tom Zimball spielten in Wacken vor 80.000 Menschen

Was für eine Crowd: Wer wie Alex und Tom auf dem Wacken Open Air auf der Bühne steht, blickt in ein wahres Meer aus Metalheads.

Foto: Torben Hoppe

Wie ist das, in Wacken vor mehr als 80.000 Zuschauerinnen und Zuschauern zu spielen? Die Antwort kennen die Dudelsackspieler Alexandra Scheckel (41) und Tom Zimball (59): Denn die beiden Gifhorner standen im vergangenen Jahr für die Band Grave Digger auf der großen Bühne des Heavy-Metal-Festivals. Aber auch kleinere Gigs beeindrucken das Paar, das ansonsten nämlich als Duo Highland Sound mit irischem und schottischem Folk auftritt. Als nächstes sind sie in Peine zu bestaunen, wo am 6. und 7. Mai das 23. Highland Gathering stattfindet – dann wieder vor einer Riesenkulisee von 25.000 erwarteten Zuschauerinnen und Zuschauern.

Alex und Tom sind noch heute geplättet von der Metal-Show, ihrem wahrscheinlich größten Auftritt. „Es können nicht mehr Zuschauer werden als in Wacken“, ist Tom überzeugt. Die beiden begleiteten dort die Heavy-Metal-Band Grave Digger bei ihrem Konzert zu deren 40-jährigen Bestehen. Da Grave Digger sich häufig mit der Geschichte Schottlands befassen, war es nur angemessen, den runden Geburtstag mit gleich 50 Dudelsackspielerinnen und Spielern zu begehen. Und über die Kontakte im eigenen Dunstkreis stießen Alex und Tom dazu.

Ein seltenes Glück, seinen Wacken-Einstand direkt als Künstler zu feiern. Der Blick von der Bühne sei schier unfassbar gewesen, schildert Alex: „In den vorderen Reihen erkennt man gerade noch Gesichter – man guckt zum Horizont und alles ist beige.“ Und Tom meint: „Wie der Sänger von Grave Digger die Massen anstachelt und die Leute gehen ab – das ist wie im alten Rom. Man muss sich daran erinnern, dass man kein Gott ist! Da kriegste Gänsepelle – es ist aber auch erschreckend.“

Begeistert berichtet Alex von crowdsurfenden Rollstuhlfahrern und aufgeheizten Circle Pits und Mosh Pits – was ein Spektakel! Wie eine Masse abgeht, wenn eine Rockband spielt, „da hast Du als Dudelsackspieler keine Vorstellung von“, staunt Tom. Als dritten Gifhorner nahmen sie Torben Hoppe mit, er spielte im Dudelsack-Schulprojekt Pulschmoor Pipers, was die beiden initiiert hatten. „Als erster Auftritt war das für ihn gleich der Hammer,“ meint Tom.

So viele Dudelsackspieler auf einem Haufen: Im Kreis seiner Unterstützer posiert Chris Boltendahl, Frontmann der Heavy-Metal-Band Grave Digger, für die auch Alex und Tom spielten.

Foto: Baul Muluy Pipes and Drums

Nicht nur nach Schleswig-Holstein, auch zum Rockharz Open Air in Sachsen-Anhalt begleiteten die drei Grave Digger. „Da war alles ein bisschen kleiner“, sagt Alex, 20.000 Leute diesmal. Aber dafür etwas entspannter für die Künstler, stellten die beiden fest. „Wacken ist stark getaktet“, erzählt Alex. Beispielsweise mussten sie mit dem Bus zur Bühne gefahren werden, und weil der etwas zu früh eintraf, drehte er eine Extrarunde, damit die Musiker die Bühne pünktlich betreten konnten. Auf die Sekunde genau. „Es wird runtergezählt: Gleich geht’s los, und ebenso, wenn’s von der Bühne wieder runtergeht“, zählt Tom vor. Zugaben zu spielen sei den Bands wegen des engen Zeitplans nicht möglich. „Und wegen der Sicherheitsvorschriften darf man als aktiver Teilnehmer nicht aufs Festivalgelände“, so Alex.

Anders beim Rockharz. „Da kamen wir auch Backstage mit anderen Künstlern in Kontakt“, schwärmt Alex. Denn plötzlich standen die Gifhorner neben den brasilianischen Metal-Legenden von Sepultura. Von der Welt der Rockstars fasziniert grinst Tom: „Irgendwer spricht mich an wegen Dudelsackbau, ich denke, den kennste doch – das war der Sänger von In Extremo!“

Dabei war der Zusammenschluss mit Grave Digger für Alex und Tom nicht der erste mit einer harten Rockband: „Wir haben mal mit einer AC/DC-Coverband gespielt“, erzählt Alex. Die Band hatte einen Proberaum im Schweinestall. „Es war genau, wie man es sich vorstellt: zerschlissene Sofas, sitzen auf Getränkekisten – und die Band war so laut, dass man die Dudelsäcke gar nicht gehört hat“, lacht Tom.

Dennoch sind Metal und Hardrock für Alex und Tom privat nicht die erste Wahl, wenn sie zu Hause Musik auflegen. Bluesrock nennt Tom stattdessen, „und wenn ich trommle, dann zu Green Day, Max Raabe oder Scottish und Irish Folk – es sollte melodisch sein.“ Tom trommelt nämlich auch, oder, wie Alex sagt: „Er kann so gut wie alles spielen, Tasten- und Schlaginstrumente, und ich Saite und Gesang.“

Nicht nur im Pit ging‘s heiß her, auch auf der Wacken-Bühne kamen die Gifhorner Alex und Tom ein wenig ins Schwitzen.

Foto: Baul Muluy Pipes and Drums

Zusammen bilden sie so das Folkduo Highland Sound, und als dieses nahmen sie jüngst zu Hause eine Demo-CD auf, mit der sie sich für Konzerte bewerben wollen. „Vier Lieder sind darauf, Scottish und Irish Folk – kein Dudelsack“, betont Tom. Alex ergänzt: „Wir entführen auf unterhaltsame Art und Weise die Leute musikalisch in einen Pub nach Schottland oder Irland.“ Sie strahlt: „Es war schon immer ein Traum von uns, eine CD aufzunehmen, und wir bewegen uns langsam darauf zu.“

Als Dudelsackduo traten Alex und Tom in Gifhorn schon häufig in Erscheinung. Etwa auf dem Altstadtfest, bei dem Kulturfest Gifhorn International, in der Grille oder im inzwischen geschlossenen Whiskygeschäft Angels‘ Share im Speicherhof. Quartalsweise richteten Highland Sound dort eine Art Wohnzimmerkonzert aus. Das Ziel: die schottische Lebensart nach Gifhorn tragen. Die beiden ließen auch dort die Texte im Hintergrund durchlaufen, damit das Publikum mitsingen konnte: „Musik machen und Spaß dabei haben“, bringt Tom es auf den Punkt. Der Kontakt zu Angels‘ Share besteht übrigens immer noch – dieses Jahr spielen die beiden gleich zweimal am neuen Standort in Stralsund.

Ansonsten zieht es sie vorrangig als Reisende nach Schottland, erst 2022 waren sie im Nordwesten. „Das war ein Traum“, schwärmt Alex. „Die Äußeren Hebriden“, nickt Tom. „Die Landschaft ist faszinierend, die Offenheit, freundliche Leute, die Hilfsbereitschaft“, fährt er fort. Auch musizierten die beiden bereits in ihrem Sehnsuchtsland, etwa in Gifhorns Partnerstadt Dumfries mit einer Dudelsackband. Denkt Alex an Schottland, spricht sie von Liebe und vergenauert es augenzwinkernd: „Es ist ein leichter Fanatismus.“ Tom grinst: „Ich habe gleich mehrere Kilts im Schrank!“
Schon als Kind faszinierte Tom der Dudelsack, als er in Bielefeld das dort stationierte schottische Regiment an der Radrennbahn aufmarschieren sah. „Am liebsten mochte ich den Mann mit der Basstrommel und dem Tigerfell über dem Kopf. Der Klang hat mich sofort mitgerissen“, erinnert er sich. Später wurde er Fan der Folkrockband Runrig.

Hier durften die Künstler auch glückliche Gäste sein: Tom (links), Alex und ihr Schüler Torben auf dem Festivalgelände vom Rockharz Open Air.

Foto: Tom Zimball

Alex dagegen kam nicht zum Instrument, sondern das Instrument kam zu ihr – ein Studienfreund führte sie in Hildesheim an den Dudelsack heran. So landete sie in einer Pipe Band, mit der sie an Wettbewerben teilnahm – und Tom kennenlernte, 2007 war das. „Wir sind uns im Quintett nähergekommen und heute verheiratet“, lacht Alex. Tom ergänzt: „Was anfangs musikalisch klappte, klappt auch 24 Stunden am Tag – ich hab das große Los gezogen.“ Alex nickt: „Ich auch – die Musik hat uns zusammengebracht.“

So gründeten Alex und Tom 2010 Highland Sound, zunächst als Dudelsack-Duo, dann als Folk-Duo, und zogen zunächst nach Hannover und bald nach Gifhorn. Sie spielen auf Geburtstagen, Hochzeiten, Beerdigungen und geben auch Unterricht. Außerdem nehmen sie an den vier in Deutschland pro Jahr ausgerichteten Competitions teil, Wettbewerben, bei denen Dudelsackspieler aus aller Welt gegeneinander antreten. Als nächstes sind Alex und Tom daher als Mitglieder der German Thistle Pipes and Drums in Peine dabei, beim Highland Gathering. Jetzt aber wieder ohne Grave Digger.

  1. Highland Gathering – Highland Games, Musik und schottische Kultur:
    Samstag, 6. Mai, ab 10 Uhr
    Sonntag, 7 . Mai, ab 11 Uhr
    Stadtpark Peine

info@highland-sound.de
highland-sound.de


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