Stolpersteine

Gifhorns Nazis diagnostizierten „angeborenen Schwachsinn“ - Zwangssterilisiert: Ein Stolperstein in Kästorf erinnert nun an Heinrich Alberts

Steffen Meyer Veröffentlicht am 08.04.2022
Gifhorns Nazis diagnostizierten „angeborenen Schwachsinn“ - Zwangssterilisiert: Ein Stolperstein in Kästorf erinnert nun an Heinrich Alberts

Heinrich Alberts lebte im Altenheim der Kästorfer Anstalten – obwohl er nicht mal 30 Jahre alt war. Psychiater Dr. Walter Gerson attestierte ihm „angeborenen Schwachsinn“, es folgte die Zwangssterilisation.

Foto: Mel Rangel

Die Verbrechen der Nationalsozialisten geschahen direkt vor und auch hinter unseren Haustüren: Seit vergangenem Herbst erinnern die ersten neun Stolpersteine in unserer Stadt an die Opfer in und aus Gifhorn. Weitere Stolpersteine werden folgen, denn die Zahl der Opfer ist mindestens dreistellig. Ihre Biographien stellt KURT in einer Serie vor. Diesmal geht es um das Schicksal von Heinrich Alberts, der im Altenheim der Kästorfer Anstalten lebte – und das, obwohl er noch keine 30 Jahre alt war. Die Hintergründe der Zwangssterilisation schildert Dr. Steffen Meyer, Historiker und Archivar der Dachstiftung Diakonie, in einem Gastbeitrag.

Heinrich Alberts wurde am 24. August 1905 in Heßlingen (bei Wolfsburg) geboren. Er hatte sechs Geschwister, war unverheiratet und arbeitete in der Landwirtschaft, als er am 16. August 1933 in die Kästorfer Anstalten kam. Hier lebte er im Altenheim Hagenhof, was aufgrund seines Alters zunächst verwundert. Laut Akte wurde er dort als einer von zwei „jugendlichen Siechen“ geführt. Am 7. und 8. März 1934 fanden in den Kästorfer Anstalten psychiatrische Untersuchungen statt, an der mehr als 30 Bewohner teilnahmen. Die Diagnose des untersuchenden Psychiaters Dr. Walter Gerson lautete bei Heinrich Alberts „angeborener Schwachsinn“.

Die Unterlagen – das Gutachten des Psychiaters und eine Anzeige – sandte Anstaltsleiter Pastor Martin Müller einige Tage später an das zuständige Gesundheitsamt. Dieses Amt leitete die Unterlagen an das Erbgesundheitsgericht Hildesheim weiter, das das Verfahren an das Erbgesundheitsgericht Magdeburg überstellte.

Der Hagenhof war einst ein Altenheim. Diese Aufnahme entstand um das Jahr 1931.

Foto: Sammlung Archiv der Dachstiftung Diakonie

Hier wurde in einer Sitzung beschlossen, Heinrich Alberts unfruchtbar zu machen. Die Sterilisation erfolgte am 8. August 1934, entweder im Allgemeinen Krankenhaus Celle oder im Marienstift Braunschweig. Nach einem kurzen Krankenhausaufenthalt kehrte Heinrich Alberts in den Hagenhof zurück, wo er bis zu seiner Entlassung am 14. Januar 1935 lebte. An diesem Tag verlegte ihn die Anstaltsleitung in die Provinzial Heil- und Pflegeanstalt Wunstorf. Laut eines überlieferten Diagnosebuches kam er in die Abteilung für geisteskranke Männer, mit der Diagnose „hochgradiger angeborener Schwachsinn, erbkrank“. Am 30. September 1941 erfolgte die nächste Verlegung, Heinrich Alberts kam in die Heil- und Pflegeanstalt Lüneburg, wo er bis zum 16. Januar 1946 lebte. Der Eintrag in einem Aufnahmebuch lässt darauf schließen, dass Heinrich Alberts an diesem Tag nicht starb, sondern nach einem nicht genannten Ort entlassen wurde. Über sein weiteres Schicksal ist nichts bekannt, auch die Suche nach Angehörigen war bisher erfolglos.

Dieser Text ist Teil der Broschüre „Stolpersteine in Gifhorn“, kostenfrei erhältlich im Stadtarchiv und in der Stadtbücherei.

Die Forschung zu Opfern des Nationalsozialismus in und aus Gifhorn geht weiter. Hinweise sammelt Gifhorns Kulturbüro:
Tel. 05371-88226
kultur@stadt-gifhorn.de


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