Glauben & Zweifeln

Es steckt oft mehr dahinter als nur eine Kurzformel: KURT-Kolumnist Martin Wrasmann meint, es ist Zeit für positive Impulse auf Wahl-Plakaten

Martin Wrasmann Veröffentlicht am 09.10.2022
Es steckt oft mehr dahinter als nur eine Kurzformel: KURT-Kolumnist Martin Wrasmann meint, es ist Zeit für positive Impulse auf Wahl-Plakaten

KURT-Kolumnist Martin Wrasmann hat die Plakate zur Landtagswahl gelesen – und findet ein paar überraschende Botschaften.

Foto: Michael Uhmeyer

Ein plappernder Kaplan klebt Pappplakate an – klappernd klebt der plappernde Kaplan die Pappplakate an: Als Kinder haben wir uns köstlich amüsiert, wenn jemand einen neuen Zungenbrecher mitgebracht hat, der mit dem Kaplan hat mir immer am besten gefallen. In diesen Tagen sind wieder Tausende unterwegs, die Pappplakate kleben. Keine Laterne ohne Botschaft, die Landtagswahlen liegen vor uns. Es steht vieles darauf, oft Nichtssagendes, wenig Falsches, nichts Gelogenes, sonst würden sich ja die Balken oder eher die Laternen biegen. Ich kann die Botschaften glauben oder ernsthaft bezweifeln. Ich habe für mich einmal die positiven Kerne in den Botschaften der Parteien und Kandidat:innen herausgefiltert und siehe da: Es steckt oft mehr dahinter als nur eine plakative Kurzformel.

„Das Land in guten Händen“: Ja, liebe SPD, Euer Wahl-slogan groovt mich sofort ein in die Melodie von Kirchenliedern – von guten Mächten wunderbar geborgen. So wird Euer Slogan zum Refrain: Das Land in guten Händen, wenn sich die Krisen mehren, und in den Zeitenwenden sich solidarisch wehren. Denn es wird Zeit für Umkehr und Verzicht, nur das Versprechen auf noch mehr, das reicht dann nicht.

„Weiterspringen“ möchte Herr Althusmann. Ja, liebe CDU, das ist ein starker Impuls, der die Ziellinie klar im Blick hat. Weiter, höher, größer, das finde ich, schafft Ihr. Weiter, weil sich die Armut im Lande reduziert. Höher, weil sich der Blick über Deutschland hinaus auf die ganze Welt richtet. Und größer, weil Ihr auf einer Vision aufsattelt, die sich aus der Bergpredigt Jesu speist: „Selig sind, die Frieden stiften“.

„Hamburg – aus Hannover für Niedersachen“: Ja, liebe Grüne, Euer beabsichtigter Schreibfehler auf dem Plakat ist die beste Botschaft, die man ins Land tragen kann. Dass Frau Hamburg aus Hannover heraus für ganz Niedersachsen steht, ist klar. Aber Ihr wollt Sachen nieder machen: Nieder mit dem Verbotsverbot, nieder mit der ideologischen Verhärtung in der Friedensdebatte, nieder mit einer ökologischen Allmachtsfantasie – einfach leben, damit alle überleben. Nieder mit dem ökonomischen Mantra: Nur Geld regiert die Welt. Nieder mit all den Sachen und aufwärts mit dem Motivationssong aus der Mundorgel: „Auf und nieder immer wieder. Fassen wir uns an die Hände, stell‘n uns auf im Kreis. Wir gehören fest zusammen, was ein jeder weiß!“

„Tun wir mehr als nötig“: Ja, liebe FDP, was ist schon nötig, Duschzeitbegrenzung und Waschlappen, aber Euch geht es ja um Freiheit im weitesten aller Sinne. Das fordert schon mehr als mehr, wenn Freiheit das Einzige ist, was zählt. Jedoch sollte diese Freiheit den inneren Kern einer Maskendebatte übersteigen, so wie Ihr sicher den Freiheitsbegriff aus seiner ontologischen Klammer befreien wollt. So schreibt der unbekannte Oliver Hügel in einer Hausarbeit: „Der dem heutigen Verständnis zugängige Freiheitsbegriff meint zumeist die Existenz von begehbaren Möglichkeiten, dabei steht ein zumindest nicht vollständig determiniertes Sein den Möglichkeiten gegenüber, die sich aus der Freiheit ergeben.“ Ihr sagt es halt auf Plattdüütsch: „Wi könt dat, un wi mag dat.“

„Jeden mobil machen“: Ja, liebe Linke, dass ausgerechnet Euch eine Gender-Panne passiert, sei’s drum. Die Botschaft ist doch entscheidend. Ihr meintet sicher, alle sollen sich den Arsch aufreißen. Das finde ich auch, aufreißen, zusammenreißen, das sind die Tugenden der Krise. Damit kein Riss durch die Gesellschaft geht, dass wollt Ihr doch auch. Drum lasst den Montag den Schwurblern, der Montag ist der erste Tag der Schöpfung, da ließ Gott Finsternis über die Erde kommen. „Mal ehrlich“: Ihr wolltet Brot- und Butterthemen in den Mittelpunkt stellen: also Butter bei die Fische. Kümmert Ihr Euch an den anderen sechs Tagen um die Gestaltung der Zivilgesellschaft.

Da heißt es: „Es geht auch normal.“ Ja, liebe AfD, das finde ich auch, Ihr seid in der Mitte der Gesellschaft angekommen, fragt sich nur in welcher. Ich bin begeistert über Euren Impuls. Ihr habt sicher im Lateinischen die Botschaft der „Norm“ ergründet, Regel oder Winkelmaß heißt es da. In diesem Sinn ist es normal, dass die Regeln einer diversen Gesellschaft von Pluralität sprechen, von Partizipation und Beteiligung. Diese Regeln lassen zu, mit dem Winkelmaß auch in die dunklen Ecken – zum Beispiel der Geschichte – zu schauen. Diese Regeln sind basisversiert: Die Würde des Menschen ist unantastbar. Das meintet Ihr sicher alles, als Ihr Eure Plakate entworfen habt. Dann war der Satz „Neue Deutsche machen wir selber“ wohl eine Panne, die Euch durchgerutscht ist, wenn es doch normal zugehen soll.

Vielleicht ergibt sich ein tieferer Sinn noch einmal mehr, wenn man all das Gute, das in unseren Parteien steckt, gemeinsam liest: Wir wollen weiterspringen, mehr tun als nötig, all die Sachen wieder machen, damit das Land in guten Händen bleibt, dafür wollen wir alle mobil machen – aus Hannover für Niedersachen. Geht doch, ist doch normal.

Ich bin Martin Wrasmann – plappernd halt.

Martin Wrasmann, katholischer Theologe aus Gifhorn, schreibt die monatliche KURT-Kolumne „Glauben & Zweifeln“. Beipflichtungen wie auch Widerworte sind stets willkommen. Leserbriefe gerne an redaktion@kurt-gifhorn.de.


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