Engagement
Engpass auf der Bank: Wie die Sportvereine im Kreis Gifhorn den Trainermangel bekämpfen wollen
Sofia Jolina Interdonato Veröffentlicht am 31.12.2024Sport gilt vor allem in jungen Jahren als wichtige Schule für Teamgeist und Disziplin – da werden die Trainer im Breitensport zu wahren Helden des Alltags. Doch viele Vereine stehen vor einer großen Herausforderung: Es fehlen zunehmend engagierte Trainer und Betreuer. Trotz steigender Mitgliederzahlen in den Vereinen, wie Martin Roth vom Kreissportbund Gifhorn erklärt, wird die Lücke zwischen Nachwuchs und Betreuung größer. Der Sport lebt von der Leidenschaft und dem Einsatz der Menschen dahinter – und diese Begeisterung für das Ehrenamt wiederzubeleben, ist die Aufgabe der Stunde. KURT-Praktikantin Sofia Jolina Interdonato (16) ist dem Ernst der Lage auf den Grund gegangen und hat sich dazu bei Funktionären, Trainern und Sportlern umgehört.
Der zunehmende Trainermangel bringt Sportvereine in Schwierigkeiten und bedroht das sportliche Angebot. Es sind große Zahlen, die die Tragweite der Umstände verdeutlichen: „Bei rund 250 Vereinen im Landkreis Gifhorn und fast 69.000 Mitgliedern fehlen die Menschen, die sich langfristig engagieren wollen“, berichtet Martin Roth, Geschäftsführer des Kreissportbundes Gifhorn und in der Sportregion Ostniedersachsen zuständig für Vereinsentwicklung.
Auf den ersten Blick mag die Förderung durch Landkreis und Landessportbund von 549 Übungsleitern und Trainern im Kreis Gifhorn in diesem Jahr nach viel klingen, doch der Bedarf ist weitaus größer: Denn wo kein Trainer ist, bleiben Sportler und Mannschaften auf ihrem Weg zum Erfolg oft auf der Strecke. Lizenzen müssen alle vier Jahre erneuert werden, doch rund 40 Prozent der Trainer entscheiden sich dagegen, berichtet Martin Roth – und das, obwohl der Aufwand deutlich geringer ist als beim erstmaligen Abschluss einer Trainerausbildung.
„Die Trainerlizenz ist wichtig, aber nicht zwingend notwendig, um als Trainer aktiv zu sein“, erklärt der KSB-Geschäftsführer. Doch auch ohne diese Pflicht entscheiden sich zu viele Menschen gegen das Ehrenamt, überhaupt ein Team zu trainieren. Nicht zuletzt zwang auch die Pandemie nahezu alle Vereine dazu, ihre Angebote vorübergehend einzustellen. Der Wiedereinstieg fiel sowohl Trainern als auch Mitgliedern schwer, da sich während der Lockdowns andere Freizeitgewohnheiten etabliert haben. Doch anstatt den Kopf hängen zu lassen, setzen einige Vereine nun auf moderne Lösungen: Online-Angebote und digitale Sportformate sind zu einem wichtigen Bestandteil geworden, denn „man denkt zeitgeistgerecht“, wie Martin Roth beschreibt.
Dennoch bleibt ein Problem bestehen: Vor allem junge Leute engagieren sich wenig in Vereinen, während Frauen im Breitensport und Männer im Vereinssport sehr präsent sind. Um das zu ändern, gehen einige Vereine neue Wege und setzen auf Kooperationen sowie den Austausch von Ressourcen, so Martin Roth.
Oft ist es aber auch einfach die Freude am Spiel, die zur Lösung eines Problems beitragen kann: Tim Schmidt, Vorsitzender der SG/VfL Wittingen/Stöcken, kennt das Traineramt aus eigener Erfahrung. Die Handball-Spielgemeinschaft aus dem Nordkreis zählt zwei Herren- und drei Frauenteams sowie zehn Jugendmannschaften und ein Beachvolleyball-Team. Der heutige Vorsitzende begann seine Laufbahn selbst als Spieler und wurde später Trainer. Für ihn ist es ein Anliegen, junge Menschen neu für das Ehrenamt zu begeistern: „Es ist schade, wie viele Jugendliche heute keinen Sport mehr machen können, weil Trainer fehlen.“
Die Ideallösung stellt sich Tim Schmidt so vor: „Spieler, die aufhören, werden selbst als Trainer tätig.“ Auch für ihn sei es die größte Motivation gewesen, die Erfahrungen weiterzugeben, die er zuvor als Spieler gesammelt hatte. Sein
Verein möchte dem Trainermangel entgegenwirken, indem er die Ausbildung der Interessenten finanziert. Je mehr, desto besser. Es sei am effektivsten, wenn es mehrere Trainer für eine Mannschaft gibt, um sich die Aufgaben zu teilen und so auch Ausfällen wegen Krankheit vorzubeugen, erläutert Tim Schmidt.
Manchmal ist es aber auch die Not selbst, die einen zum Trainerjob bringt. So geschehen bei Björn Gasa. Als der Vater erlebte, wie der Trainermangel seinem Sohn fast das Fußballtraining unmöglich machte, übernahm er kurzerhand selbst die Verantwortung und wurde Jugendfußballtrainer bei der SV Gifhorn.
Ohne formale Trainerlizenz, aber mit Spielerfahrung, wagte sich Björn Gasa an die Aufgabe – vor allem, um seinem Sohn und anderen Kindern eine kontinuierliche sportliche Betreuung zu gewährleisten. Die Begegnung mit dem eigenen Kind auf dem Spielfeld brachte jedoch auch Herausforderungen mit sich – und führte gelegentlich zu Spannungen im Familienalltag. Jugendtrainer tragen enorme Verantwortung. Und hinter dem Ehrenamt auf dem Fußballplatz steckt sehr viel Organisation – nicht selten 15 Stunden pro Woche, wie Björn Gasa zu berichten weiß. „Es ist immer einfacher, seine Kinder abzuliefern und sich selbst ein paar Stunden Pause zu gönnen“, hebt er hervor. „Aber wenn jeder so denken würde, gäbe es bald gar keine Trainer mehr.“
Nach sechs Jahren hat sich auch Björn Gasa dazu entschieden, den Trainerjob aufzugeben – sein Sohn spielt schließlich selbst nicht mehr in der Mannschaft. Stattdessen verfolgt er nun an den Wochenenden die Spiele seines Sohns als Zuschauer.
Hin und wieder entwickelt sich aber auch aus einer spontanen Entscheidung eine echte Leidenschaft fürs Leben. Das zeigt die Geschichte von Werner Metz, der seit rund 35 Jahren als Volleyballtrainer beim MTV Gifhorn aktiv ist. Seine Trainerlaufbahn begann in jungen Jahren, als der MTV einen Trainer suchte – Werner Metzt meldete sich spontan. Schnell machte er seine erste Trainerlizenz und erkannte, wie viel Freude es ihm bereitete, motivierte Menschen zu trainieren. Besonders die Regionalligaspiele bleiben ihm in Erinnerung – sportliche Highlights, die auch als Events mit DJs und besonderer Atmosphäre beeindruckten.
Seit Jahren ist Werner Metz fest angestellt und übernimmt neben dem Training auch organisatorische Aufgaben, etwa die Planung der Spieltage: „Das Wichtigste sind der Spaß und die Motivation, denn wenn ich weiß, heute trainiere ich eine Mannschaft, die wirklich Bock hat, was zu machen, freue ich mich automatisch mehr.“ Die intensive Vorbereitung gehört für ihn dazu, genauso wie die Flexibilität, wenn Spieler ausfallen und er kurzfristig das Team anpassen muss.
Das Traineramt bringt aber auch Entbehrungen mit sich: „Man muss sich dessen bewusst sein, dass man zur besten Sendezeit oft nicht zu Hause ist“, erklärt Werner Metz. Nicht selten sieht man auf seinem Laptop im Geräteraum eine Fußballübertragung laufen. Besonders wichtig ist Werner Metz die Jugendarbeit, unterstützt durch Co-Trainer Fabian Fischer. Denn die Förderung junger Spieler sieht er als „wirklich coole Aufgabe“ an – und als seine Möglichkeit, Begeisterung für den Sport weiterzugeben.
Um mit dieser Begeisterung allerorts mehr Trainer anzulocken, sind die Vereine gefragt: „Jeder Verein hat jemanden, der sich um die Finanzen kümmert – doch kein Verein hat jemanden, der sich um die Freiwilligen kümmert“, bedauert KSB-Geschäftsführer Roth. Genau das sieht er als entscheidenden Faktor für den anhaltenden Trainermangel an. „Wenn wir es schaffen, das Engagement der Freiwilligen genauso wertzuschätzen und zu fördern wie die finanziellen Ressourcen, könnte sich die Situation erheblich verbessern.“
Denn Trainer sind das Herzstück des Vereinsleben – ohne sie läuft nichts.