Raum für Notizen

Der ewige Appell an die Vernunft: KURT-Volontärin Mia Anna Elisabeth Timmer reflektiert nach dem Karneval den eigenen Alkoholkonsum

Mia Anna Elisabeth Timmer Veröffentlicht am 17.02.2024
Der ewige Appell an die Vernunft: KURT-Volontärin Mia Anna Elisabeth Timmer reflektiert nach dem Karneval den eigenen Alkoholkonsum

Da war die Welt noch in Ordnung: KURT-Kolumnistin Mia Anna Elisabeth Timmer auf dem Schoduvel in Braunschweig.

Foto: Privat

„Helau, helau“, brüllt es von den Wagen, viele Kamelle landen in meiner Fresse – und ich stolpere fast brechend über meine Füße. Zum ersten Mal bin ich beim Karneval in Braunschweig und noch dazu hackedicht. Zwei Ecken weiter entdecke ich einen Haufen junger Männer auf die Straße pissen, daneben kotzt eine Dame Mitte 50 in den Gulli, drumherum leere, durchsichtige Pappbecher und wieder zwei Ecken weiter steht der nächste Versorgungswagen: mehr Trinkerei. Geil.

Volksdroge Alkohol. Deutschland, wir haben ein Problem. Das müssen wir einsehen. Allein auf dem Hagenmarkt sind hunderte Sturzbetrunkene – ja, ich stürze mit ab. Total normal, es ist ja Karneval.

Nicht nur zum Schoduvel in Braunschweig bricht so ein gigantischer Drogenenthusiasmus aus. Ein ähnliches Bild gibt‘s bei manchem Dorfschützenfest. Nur eben in Uniform mit Gewehr statt in buntem Kostüm mit Narrenkappe.

10 Liter reinen Alkohol pro Kopf – das konsumieren die Deutschen laut Bundesgesundheitsministerium im Jahr. Und der fließt nicht nur zu besonderen Anlässen. Alkohol geht schließlich auch im Alltag gut die Kehle runter. Das Bierchen gibt‘s zum Feierabend, zum Essen beim Griechen passt am besten ein Ouzo und zu Muttis Geburtstag muss es mal ein Wein sein. Letztlich bleibt‘s selten bei einem Gläschen. Gefüllte Kneipen gehören werktags wie wochenends in Gifhorn dazu.

„7,9 Millionen Menschen der 18- bis 64-jährigen Bevölkerung in Deutschland konsumieren Alkohol in gesundheitlich riskanter Form“, so das Gesundheitsministerium. Aber Bedenken? Fehlanzeige. Auch bei mir nicht. Das Ministerium mahnt: „In der Gesellschaft herrscht eine weitgehend unkritische Einstellung zum Konsum von Alkohol vor.“

Das merkt man auch daran, wie mit dem Alkoholkonsum von Jugendlichen umgegangen wird. Sobald die Konfirmation geschafft ist, wird das Bier in der Hand von 14-Jährigen geduldet – so läuft‘s jedenfalls in meinem Nordkreis-Heimatdorf. Eltern, die da nicht mitspielen, werden von manchem schief angeschaut, die Kinder sogar ausgegrenzt. Wenn während der Erziehung klar ist, dass der bittersüße Alkohol eben einfach seinen Platz im Alltag hat, wie sollen junge Erwachsene dann lernen, dass das nicht so sein müsste?

Aber es soll anscheinend so sein – zeigen Erwiderungen, wenn jemand lieber zur Cola greift: „Komm, einer geht.“ Oder: „Wie, Du trinkst heute nicht?“

Wir brauchen reflektierten, verantwortungsbewussten Umgang. Und dafür bedarf es keiner Verbote oder Einschränkungen. Die Vernunft sollte einfach auch mal reichen.


Coole Leute gesucht – wir stellen ein!

Informiere Dich über Jobs in unserem Medienhaus! Wir sind auf der Suche nach tollen Menschen, die bei uns einsteigen möchten.

Mehr erfahren