Feiern
Damals ging am Mittwoch das Wochenende los - 30 Jahre Malibu: Am 12. März lädt Kneipen-Ikone Thomas Hepe zur Party an den Gifhorner Sonnenweg
Malte Schönfeld Veröffentlicht am 05.03.2022
Für Stimmung musste da keiner sorgen, die war eh da: Malibu-Chef Thommy führt an Silvester 1993 die Polonaise an.
Foto: Privat
„Es gab nichts Vergleichbares“ – Thomas Hepe lehnt sich zurück und lässt seinen Blick schweifen. Für einen kurzen Moment sieht es so aus, als hätte er das alles wieder vor Augen: das Malibu am Gifhorner Pommernring, die wilden 90er, die große Palme mitten im Laden, die Billard-Tische, der Qualm der HB-Zigaretten, das Schütteln der Würfelbecher, den „Turnschuh“ genannten Drink aus Sambuca und Baileys, den er stundenlang mixte. 30 Jahre ist es nun her, dass Thommy sein erstes Lokal eröffnete. Und deswegen lädt er für Samstag, 12. März, ins Freizeitzentrum Malibu am Gifhorner Sonnenweg ein, um diese drei Dekaden gebührend zu feiern.
Es ist das Jahr 1991, in dem sich Thommy Hepe, zuvor in der Forschung und Entwicklung bei Volkswagen, selbständig macht. Deutschland ist gerade wiedervereint, eine Kippenschachtel kostet fünf Mark, der erste eigene Laden ist im Bau. Durch Zufall kommt der Fallersleber auf den Pommernring in Gifhorn. Denn unsere Mühlenstadt war mal das Mekka für alle Feierwütigen, lange bevor der Begriff der After-Work-Party in den Duden aufgenommen wurde. Da steppte der Bär, da boxte der Papst im Kettenhemd, wie man so sagt. „Natürlich kannte ich Gifhorn vorher, jeder kannte Gifhorn. Aus Braunschweig, Wolfsburg und Celle sind die Leute nach Gifhorn gefahren, weil man hier feiern konnte“, erzählt der Macher von den Ursprüngen.
„Reinkommen und Wohlfühlatmosphäre“, das war ihm wichtig. 230 Quadratmeter, ein Podest mit mehr als 60 Sitzplätzen, vorn am Tresen weitere 40. Weiter hinten drei große Billardtische, zwei E-Dart-Scheiben und Flipperautomaten. „Ich hatte schon immer den Schwerpunkt, nicht nur eine reine Kneipe zu betreiben, sondern auch aktive Freizeitgestaltung“, erklärt Thommy, der schon mit 17 Jahren in der Gastro jobbte. Action und Gezapftes – das ist die Kombi. Unter die Biertrinker mischen sich hier und da auch Gourmets, eine Gruppe Tischler bestellte immer donnerstags Cappuccino und Wasser. Das Malibu kann auch gediegen.
Bescherung im Malibu: An Weihnachten war das Lokal immer brechend voll. Thommys Papa gab dabei den Weihnachtsmann.
Foto: Privat
„Am Tresen ging‘s natürlich ein bisschen anders zur Sache“, zwinkert der Chef. „Damals durfte man da noch rauchen, schnell sind Knobelrunden entstanden.“ Er könne sich an Gäste erinnern, die montags nach der Frühschicht gekommen sind, um zu knobeln, das Auto hatten sie bis Freitag keinen Zentimeter bewegt. Schwierig am Straßenverkehr teilzunehmen, wenn die Würfel gefallen sind und die Thekenkräfte die nächste Runde reichen.
In den Anfangsjahren sorgt noch die Sperrstunde dafür, dass überhaupt jemand seinen Platz räumen muss. Unter der Woche um 2 Uhr, am Wochenende um 3 Uhr. „Am Mittwoch ging damals das Wochenende los, da bist Du abends bei uns reingekommen und die Leute standen in Dreierreihen vor dem Tresen. Das kann man sich heute nicht mehr vorstellen. Ich hatte jeden Abend 50 Gäste, denen ich sagen musste: ‚Sorry Leute, jetzt ist Feierabend!‘“, berichtet Thommy. Er kann froh sein, wenn er vor dem Morgengrauen die Augen zubekommt. Noch immer bezeichnet sich der Inhaber als Nachtmensch: „Das bekommt man nur schwer wieder raus.“
Das Freizeitzentrum Malibu ist heute nicht nur bekannt für seine hochmodernen Kegelbahnen, sondern vor allem auch für seine Aktion „Schnitzel satt“. Im Frühjahr, wenn die Spargelsaison ganz Gifhorn in Beschlag nimmt, verkauft Thomas Hepe bündelweise die norddeutsche Delikatesse. Seine Saucen rührt er selbst an, frische Paprika und Champignons sind selbstverständlich. Das sei mit den Jahren immer mehr und mehr geworden, das Kochen, meint Thommy: „Erst mit dem Umzug an den Sonnenweg habe ich die Küche für mich entdeckt.“
Mittlerweile sind Thommy (Mitte) und das Malibu an den Sonnenweg gewandert. Die Stammgäste kommen noch immer.
Foto: Michael Uhmeyer
Am Pommernring sieht das noch etwas anders aus. Es gibt geviertelte türkische Fladenbrote mit Thunfisch, Schinken und Schafskäse. Zwei Quadratmeter hat die Küche, schließlich gilt der Tresen als das Herzstück des Malibu. Und der wird gerade bei den großen Partys beansprucht: zum Geburtstag des Chefs, der Kneipe und an Silvester. Dicke Events mit Live-Musik, Bauchredner, Hypnose-Shows – Extravaganza im Malibu. An Silvester werden die Billardtische zur Seite geschoben, dann fasst das Malibu 120 Plätze. Schon Wochen vorher sind die Tickets vergriffen.
In einer Zeit vor Spotify stapeln sich im Malibu die CDs, die 90er sind geprägt vom Eurodance – Dr. Alban, Scatman John und Rednex fegen die Straßen leer, die Clubs und Kneipen sind proppevoll. Im Malibu gibt’s aber auch gute Musik von Meat Loaf und Guns n‘ Roses. Thommy schenkt dazu nicht nur den Turnschuh aus, sondern auch Kleine Feiglinge, die gehen weg wie nichts. „Zeitweise waren die überall ausverkauft, nur ich hatte sie noch. Mein ganzes Kühlhaus war voll mit diesen Dingern. An einem Weihnachtsabend habe ich 1800 Feiglinge verkauft. Die leeren Flaschen wurden an der Wand gestapelt. Unsere Putzfrau ist durchgedreht“, lacht Thommy.
Das Malibu ist aber nicht nur Wallfahrtsort für diejenigen, die dem Feigling frönen. Die Kneipe plus lockt auch Sportbegeisterte an. Denn auch Thomas Hepe fiebert mit, als Formel-1-Weltmeister Michael Schumacher eine Pole nach der anderen fährt. Oder als Henry Maske und Graciano Rocchigiani den Box-Boom in Deutschland neu entfachen. Gebannt hockt man im Malibu vor den Bildschirmen. Wie Kinder, die unter der Bettdecke noch lesen wollen, sitzen Thommy und die Gäste im stillen Dunkeln, denn es herrschte ja die Sperrstunde, immer mit dem Bammel, gleich könne die Polente reinkommen. „Irre war das“, schmunzelt der Kneipier.
Wieder Silvester 1993: Bei den Frauen ist unverkennbar die Dauerwelle der Dauerbrenner. Thommy (unten) rockt dagegen den Vokuhila.
Foto: Privat
Doch alles findet irgendwann ein Ende. Das Ende der großen Nachtlokal-Ära läuten laut Thommy das Handy, die Einführung des Euro und später – im Jahr 2008 – dann das Nichtraucherschutzgesetz ein. Die Kundschaft wird weniger. Die Vermieter am Pommernring, eine dänische Kapitalgesellschaft, halten an der hohen Miete fest, direkt nebenan eröffnet ein Getränkehandel. Für den Malibu-Wirt, der zeitweise noch weitere Lokale im Wolfsburger Raum betreibt, wird die Miete zur Last.
„Ich wusste ja, dass Tag X kommen wird, und hatte ein Jahr lang Zeit, etwas Neues zu suchen. Wenn ich abgeschlossen habe, bin ich immer noch einmal durch Gifhorn gefahren und habe überlegt, wo man was machen könnte. Für mich war klar: Im neuen Malibu muss auch wieder Billard rein. Und dann fahre ich eines Nachts den Sonnenweg entlang, am Kegelcenter, da hingen Schilder: ‚Laden zu vermieten‘ stand da drauf. Das ist mir im Kopf geblieben, auch als ich schon zu Hause war. Dann bin ich da noch mal hin, habe mit der Taschenlampe durchs Fenster geleuchtet und geguckt, ob da Billardtische reinpassen. Am nächsten Tag habe ich da angerufen“, erzählt Thommy.
So wanderte das Malibu vom Osten Gifhorns in den Süden, wo es bis heute steht. Das Publikum hat sich seitdem ein wenig verändert: Die biergetränkten Knobelrunden wichen Kindergeburtstagen so wie der Kleine Feigling dem Aperol Spritz für die Mamas. In die Kegelbahnen steckte Thommy kurz vor Corona ein kleines Vermögen, nun hofft er, dass dort endlich wieder ganzjährig Vollbetrieb herrschen darf. „Leider haben sich viele Kegelclubs aufgelöst. Es wird lange dauern, alles wieder hochzufahren“, bedauert er.
Dennoch ist für März die große Party zum 30-jährigen Bestehen des Freizeitzentrums geplant! Extra ließ sich Thommy von der Braunschweiger National Jürgens Brauerei sein eigenes Bier brauen – ein Unikat auf 300 Litern, das es ausschließlich bei der Party geben wird. Nicht zu viel Alkohol, ein fruchtiger Abgang – er möchte auch die Frauen mit diesem Getränk ansprechen. Jeder Gast bekommt eine Flasche überreicht, weitere kann man sich kaufen. Thommy: „Das ist mein Geschenk, denn ohne meine Gäste bin ich nichts. Da muss man auch mal Danke sagen.“
Party zum 30. Malibu-Geburtstag:
Samstag, 12. März
Freizeitzentrum Malibu
Sonnenweg 4-6, Gifhorn