Raum für Notizen

Bitte keine Blumen: Unsere Kolumnistin sieht keinen Grund für Glückwünsche zum Weltfrauentag

Marieke Eichner Veröffentlicht am 19.03.2023
Bitte keine Blumen: Unsere Kolumnistin sieht keinen Grund für Glückwünsche zum Weltfrauentag

Blumen zum Weltfrauentag? Hält KURT-Kolumnistin Marieke Eichner für keine gute Idee. Mehr noch: für eine Frechheit.

Foto: Adobe Stock

Ich liebe Blumen. Aber wenn ich noch ein einziges Sharepic zum Weltfrauentag sehe, das Glückwünsche mit Blumen ausrichtet, platzt mir endgültig der Kragen. Herzliche Glückwünsche – mit dem weiblich konnotierten Klischee-Mitbringsel schlechthin. Und: Glückwunsch zu was?

Glückwunsch zu immer noch ungleicher Bezahlung? Immer noch antiquiertem Abtreibungs- und Familienrecht? Zur Partnerschaftsgewalt, die mehrheitlich Frauen trifft? Zu fortwährendem
Sexismus, Übergriffen und Belästigungen in Öffentlichkeit, Alltag – überall?

Nebenberuflich arbeite ich nachts in einer Kneipe – anstrengend genug. Da reiche ich jüngst einem Gast jenseits der 40 ein Bier über die Theke und streiche mir die Haare aus dem Gesicht. In den folgenden zehn Minuten lamentiert er ausschweifend darüber, dass diese Geste ihn fertigmache. Ob ich denn nicht wisse, was ich damit anrichte? So ein hübsches junges Ding wie ich? Wenn er doch nur etwas jünger wäre. „Bist Du aber nicht“, sage ich und denke an meine Freundin, die zu Gelegenheiten wie diesen stets ein schlagfertiges „Klingt nach einem Du-Problem“ erwidert. Jetzt ist der Gast beleidigt.

Könnte auch über diese hilflose Art und das mindestens fragwürdige Konzept von Männlichkeit gelacht werden, ist dieses Verhalten doch symptomatisch. Es ist zum einen Ausdruck der Kontinuität der Benachteiligung und Unterdrückung sowie der Gewalt gegen Frauen. Zum anderen verweist es auf die viel weiter reichende Verunsicherung.

Das Leben ist schön – aber nicht einfach. Und es fühlt sich nicht nach Besserung an: Ständig ist irgendwo irgendwie Krise – Klima, Krieg – und diesmal sind die Folgen auch im beschaulichen reichen Gifhorn zu spüren. Früher war Krise an Orten, die man „Dritte Welt“ nannte, wenn man zu viel von ihnen hatte, konnte man einfach die Zeitung weglegen und den Fernseher ausschalten. Heute sind Klima, Krieg und Kostenexplosion mitten im so sicher geglaubten eigenen Leben.

Man(n) muss ja Verständnis haben: Wenn Menschen ihr Leben als radikal aus den Fugen geraten empfinden, dann denken, reden, handeln – wählen – sie radikal. Aber damit wären wir wieder bei meinem beleidigten Theken-Gast und dem Motto meiner Freundin: Klingt nach einem Du-Problem. Wenn Du von Feminismus genervt bist, dann sorge dafür, dass er nicht mehr gebraucht wird.

Denn Situationen wie die beschriebene sind nicht die Ausnahme, sie sind Alltag. Der schon so lange Kampf für Frauenrechte wird eben nicht die Jahrtausende der ausschließlich männlichen Herrschaft in kurzer Zeit wiedergutmachen können. Weltfrauentag klingt nett – nach Blumen und Glückwünschen. Der feministische Kampftag kommt dagegen eher zickig daher. Und doch, ehrlich gesagt, ist er genau das: Erinnerung an und Ermutigung für das anstrengende aber lohnenswerte Engagement.

KURT-Kolumnistin Marieke Eichner schreibt die monatliche Kolumne „Raum für Notizen“. Leserbriefe gern an redaktion@kurt-gifhorn.de.


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