Kopfüber

So wird Ronaldinholand mutwillig zerstört: Malte Schönfeld beklagt in seiner Kolumne die Gewalt im Gifhorner Amateurfußball

Malte Schönfeld Veröffentlicht am 15.09.2024
So wird Ronaldinholand mutwillig zerstört: Malte Schönfeld beklagt in seiner Kolumne die Gewalt im Gifhorner Amateurfußball

Polizisten wurden angefordert, um im Kreisklassen-Fußballspiel zwischen SV Welat Gifhorn und SSV Didderse für Sicherheit zu sorgen. Zuvor gab’s Fouls, Jagdszenen, Rassismusvorwürfe, einen Knochenbruch und sogar eine Morddrohung.

Foto: KURT Media via Dall-E

Tagelang und ausführlich berichteten die Gifhorner Tageszeitungen über ein einziges Fußball-Spiel – so was hat es schon lange nicht mehr gegeben. Von Jagdszenen konnte man lesen, von einer Morddrohung, einem Polizeieinsatz, einem Knochenbruch und Rassismus. Ein zitierter Spieler fasste es wohl unfreiwillig in einem Wort ganz gut zusammen: eine Schande.

Doch worum geht es eigentlich? Für diejenigen, die es noch nicht mitbekommen haben: Im Spiel der 1. Kreisklasse Staffel 2 trafen SV Welat Gifhorn und SSV Didderse aufeinander – kurz vor dem Abpfiff stand es 6:2 für die Gäste, Colin Koopmann hatte mit sechs Toren (!) quasi im Alleingang für den sichergeglaubten Sieg gesorgt. Doch dann ein Foulspiel eines Diddersers und ein vermeintlicher Kniestoß, Blut beim am Boden liegenden Gifhorner. Gleich mehrere Spieler gingen darauf, so liest man zumindest, mit Schlägen und Tritten dem Didderser an den Kragen. Für Ordnung sorgte erst die herbeigerufene Polizei, wobei dann angeblich noch die Morddrohung eines Welat-Akteurs im Raume steht. Ein starkes Stück, von vorn bis hinten. Irrenhaus, Bambule. Gefährlich, peinlich, erschreckend.

Infolgedessen gab‘s einen Trainerrücktritt, die Gründung einer WhatsApp-Gruppe, in der Verantwortliche aus allen Vereinen eingeladen sind, nur nicht von Welat. Nicht nur deswegen wittert Welat eine Isolation, denn dem Vorfall sollen im Spiel, aber auch die Jahre zuvor, Rassismus und ständige Provokationen vorausgehen. Es ist schwierig, alles sauber auf den Tisch zu bringen. Auch deswegen soll ein Konfliktlotse des Niedersächsischen Fußball-Verbandes unterstützen.

Was jetzt genau vorgefallen ist und wo aus dem Konjunktiv dann hoffentlich ein Fakt wird, muss das Sportgericht entscheiden. Ohne Urteilsspruch bleibt bis dahin alles vage. Doch Gewalt gleicht das nicht aus.

Wer in seinem Leben mehr als einmal auf oder neben dem Fußballplatz stand, der weiß, dass Provokationen stattfinden. Ein Tritt in die Wade, ein Bodycheck, so dass der Gegner in die Werbebande kracht. Doch auch Rassismus erlebt man regelmäßig. Wenn er versprachlicht wird, kann man das hören. Auch Gesten und Blicke können eindeutig wie scharfe Worte sein. Auf Aktion folgt Reaktion, Aggression folgt Provokation – das weiß jeder. Und am Ende brechen Knochen.

Doch die Sauerei liegt ja noch woanders. Das Spiel verroht, die Akteure resignieren, die Strukturen knacken durch. Angst und Sorge und Katastrophe – die hat man neben dem Platz, im ernsten Leben doch genug. Wenn es in die Kabine geht und man das Trikot überstreift, sollte es doch eigentlich Ausweg, Erholung und Ronaldinholand sein.

Einige Spieler, Trainer, Betreuer und Schiedsrichter haben auf die Gewalt, den Rassismus und die Anstandslosigkeit, kurz: auf die ganze Scheiße, keinen Bock mehr – die kehren dem Fußball den Rücken. Ob Annäherungsversuche, Podiumsdiskussionen und Konfliktlotsen da noch etwas ausrichten können, wage ich zu bezweifeln. Wenn Spieler ihre Ängste, Sorgen und Katastrophen aus der ernsten Welt ins Ronaldinholand mitbringen, dann ist das mutwillige Zerstörung.

Und sonst würde ich gerne wissen, wie sich Colin Koopmann fühlt, dem jetzt wohl sechs Tore aberkannt werden.


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