Justiz

Windelfetischismus und sexueller Missbrauch - Landgericht verurteilt Gifhorner Wohngruppen-Ehepaar zu Haftstrafe und Bewährungsstrafe

Redaktion Veröffentlicht am 08.10.2020
Windelfetischismus und sexueller Missbrauch - Landgericht verurteilt Gifhorner Wohngruppen-Ehepaar zu Haftstrafe und Bewährungsstrafe

Der heute 57-jährige Leiter einer Gifhorner Wohngruppe wurde vom Landgericht Hildesheim zu einer Freiheitsstrafe von 3 Jahren und 2 Monaten verurteilt. Seine 57-jährige Ehefrau wurde zu 1 Jahr und 3 Monaten verurteilt, ihre Strafe wurde jedoch zur Bewährung ausgesetzt.

Foto: Pixabay (Symbolfoto)

In dem Strafverfahren gegen ein Ehepaar, dass mehr als 20 Jahre lang eine familienanaloge Wohngruppe in Gifhorn geleitet hat, ist in der seit Januar andauernden Hauptverhandlung am heutigen Donnerstag durch die Strafkammer 3 des Landgerichts Hildesheim das Urteil verkündet worden. Das teilte das Landgericht in einer Presseerklärung mit. Die Kammer hat demnach den 57-jährigen Angeklagten wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in zwei Fällen sowie wegen Misshandlung von Schutzbefohlenen in einem Fall zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 3 Jahren und 2 Monaten verurteilt. Im Übrigen wurde er freigesprochen. Die Angeklagte sei wegen Misshandlung von Schutzbefohlenen in einem Fall zu einer Freiheitsstrafe von 1 Jahr und 3 Monaten verurteilt worden, wobei ihre Strafe zur Bewährung ausgesetzt wurde.

Grundlage der Verurteilung wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern war laut der Mitteilung des Landgerichts, dass der Angeklagte ein Mädchen mit zu sich in die Badewanne beziehungsweise ein Bereitschaftszimmer nahm, wo es ihn unter anderem an seinem Geschlechtsteil anfassen musste. Die heutige Nebenklägerin war zur Tatzeit zwischen 5 und 8 Jahren beziehungsweise 11 Jahre alt. Hinsichtlich des ausgeurteilten Missbrauchs von Schutzbefohlenen sind die ursprünglich in mehreren Fällen angeklagten Taten zu einer Tat zusammengefasst worden, da es sich um einen – über einen längeren Zeitraum erstreckten – Gesamtkomplex handelte.

Hierbei hat die Kammer festgestellt, dass der Angeklagte einem zum Tatzeitpunkt zwischen 12 und 16 Jahre alten Mädchen, die im Verfahren ebenfalls als Nebenklägerin auftrat, Windelpakete (mehrere Windeln übereinandergelegt und verklebt) anlegte und sie auch in einem kleinen Käfig im Haus einsperrte. Das Tragen der Windeln ist nach den Ausführungen der Kammer zu keinem Zeitpunkt indiziert gewesen. Ein Hintergrund sei ein beim Angeklagten vorliegender Windelfetischismus.

Der Freispruch des Angeklagten im Übrigen erfolgte hinsichtlich weiterer vorgeworfener Taten zum Nachteil von zwei weiteren Nebenklägerinnen. Hier sprach nach der Auffassung der Kammer und der Beweisaufnahme einiges dafür, dass es auchdie zu ihrem Nachteil geschilderten Vorfälle gab. Allerdings sei laut der Gerichts-Mitteilung – so auch das Ergebnis der Glaubwürdigkeitsgutachterin – nicht belegbar gewesen, dass die Schilderungen tatsächlich vollständig erlebnisbasiert sind.

Eine der Frauen hatte berichtete demnach, dass sie etwaige Taten in Träumen erneut durchlebt hat und dies in einer therapeutischen Aufarbeitung thematisiert, die andere Frau zeigte sich nach der Auffassung der Kammer in ihrem Aussageverhalten zu inkonstant. Hier sei nach der Urteilsbegründung in Übereinstimmung mit dem Sachverständigengutachten nicht konkret greifbar gewesen, was erlebnisbasiert und somit mit der für einer Verurteilung erforderlichen Sicherheit feststellbar ist.

Die Mitangeklagte und Ehefrau des 57-Jährigen, die ebenfalls mit der Leitung der Wohngruppe betraut war, hat nach den Feststellungen das Handeln des Angeklagten in Bezug auf die Windelpakete und das Einsperren im Käfig gebilligt und ist nicht eingeschritten, obwohl sie dazu verpflichtet war und auch die Möglichkeit hatte. Auch habe die Angeklagte selbst der betroffenen Nebenklägerin ein Windelpaket angelegt.

Bei der Strafe hat die Kammer zugunsten der Angeklagten berücksichtigt, dass die Taten lange zurückliegen (Tatzeitraum 1998 bis 2003) und sie nicht vorbestraft sind. Zudem fand auch Berücksichtigung, dass die Angeklagten mit ihrer Aufgabe überfordert gewesen seien. Gegen sie sprachen dabei unter anderem der lange Tatzeitraum, der Vertrauensbruch und die hohe Intensität der Eingriffe.

Die Staatsanwaltschaft hatte für den Angeklagten die ausgeurteilte Gesamtfreiheitsstrafe von 3 Jahren und 2 Monaten beantragt. Für die Angeklagte hatte die Staatsanwaltschaft 1 Jahr und 6 Monate beantragt, ebenfalls ausgesetzt zur Bewährung.

Die Strafe der Angeklagten wurde für eine Dauer von 3 Jahren zur Bewährung ausgesetzt, zudem muss sie im Falle der Rechtskraft 6000 Euro an die Stiftung Opferhilfe Niedersachsen zahlen.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Die Verfahrensbeteiligten haben die Möglichkeit, das Urteil mit dem Rechtsmittel der Revision anzufechten. Über die Revision hätte der Bundesgerichtshof zu entscheiden.


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