Letzte Ruhe
Warum wurden Sie eigentlich Bestatter? Vier Menschen aus unserer Region erzählen, weshalb sie diesen Beruf wählten
Marieke Eichner Veröffentlicht am 13.03.2022
Für Andreas Günter stand schon als Kind fest: Wenn ich groß bin, gründe ich mein eigenes Beerdigungsinstitut.
Foto: Çağla Canıdar
Das Sterben ist kein beliebtes Smalltalk-Thema. Dabei ist das Leben ohne den Tod gar nicht zu denken. Vielleicht ist es aber diese Unberechenbarkeit in einer durchstrukturierten Welt, die uns den Zugang zum Thema Tod erschwert. Diese Verdrängung des Unvermeidbaren führt auch dazu, dass Bestatterinnen und Bestatter Ressentiments begegnen, wenn sie mit Begeisterung von ihrem Beruf erzählen. Dabei ist es doch ein Glück, dass uns jemand zur Seite steht, wenn wir unsere Liebsten verlieren. KURT fragte darum bei vier Bestatterinnen und Bestattern aus unserer Region nach dem Ursprung ihrer Faszination für diese – für viele – außergewöhnliche Arbeit.
„Ich wollte schon von Kindes-beinen an Bestatter werden“, erinnert sich Andreas Günter schmunzelnd. Heute ist er Betreiber des Ruhewalds in Kästorf und als Bestatter in Gifhorn und Braunschweig aktiv. Schon als kleiner Junge half er beim Bestatter in Groß Schwülper beim Ausstatten der Särge. Voller Stolz erzählte damals der Steppke dem Vater: „Papa, wenn ich groß bin, dann mache ich mein eigenes Beerdigungsinstitut auf!“
Also legte Andreas Günter seinen beruflichen Werdegang auf sein großes Berufsziel aus. „Seit 2003 ist Bestatter ein anerkannter Lehrberuf – aber damals war das noch anders.“ Seine Ausbildung zum Tischler und die Meisterprüfung absolvierte er in einem Betrieb, dessen zweites Standbein Beerdigungen waren. „Ich wusste: Da kann ich meinen Berufswunsch leben. 1998 habe ich dann mein Ziel umgesetzt und mein eigenes Bestattungshaus in Groß Schwülper gegründet.“ Er ist Tischler, Tischlermeister und Bestattermeister, resümiert Andreas Günter. „Aber ich war schon immer mehr Bestatter als Tischler.“
Andreas Günter erzählt, er sei schon immer bestrebt gewesen, anderen zu helfen. „Menschen zu begleiten – gerade in der Phase der Trauer – das ist wirklich etwas ganz Besonderes“, betont er. Mittlerweile hat er 32 Jahre lang Berufserfahrung in der Branche sammeln können und bildet nun selbst Bestattungsfachkräfte aus. „Dadurch sind wir im Berufsleben immer aktuell und ich freue mich, ein so junges, starkes Team hinter mir zu haben.“
An seine Kinder- und Jugendzeit, geprägt durch sein leidenschaftliches Streben nach seinem Traumberuf, erinnert Andreas Günter heute auch ein Schild in seinem Bestattungshaus. „Das hat mir meine Schwester zum Fünfzigsten geschenkt“, erklärt der Bestatter. „Ich habe schon in meiner Grundschulzeit Werbung selbstgebastelt für mein eigenes Beerdigungsinstitut. Und dieses Schild fand meine Schwester beim Ausräumen unseres Elternhauses.“
Patriz Brünsch begann seinen Berufsweg mit dem Musizieren bei Gottesdiensten und Trauerfeiern, ehe ein persönlicher Schicksalsschlag ihn dazu inspirierte Bestatter in Grassel zu werden.
Foto: Çağla Canıdar
Nach seinen beruflichen Anfängen gefragt, muss Patriz Brünsch, Bestatter aus Grassel, erst einmal kurz nachrechnen. „Das Ganze ist jetzt schon 15 Jahre her, das ich mich selbständig gemacht habe.“ Den ersten Kontakt mit dem Thema Tod und Beerdigung gab es für ihn jedoch schon viele Jahre zuvor, als er als Organist bei Bestattungen die Musik beisteuerte. „Schon als Kind habe ich Saxophon und Keyboard gespielt und mit leuchtenden Augen der Orgel in Grassel gelauscht.“ Als Konfirmand ermöglichte ihm der Pastor, das Orgelspielen zu lernen. „Erst habe ich bei Sonntagspredigten gespielt, dann auch bei Trauerfeiern.“ Es habe sich herumgesprochen, dass der junge Mann auch populäre Stücke spielen könne. „Das war mein Pluspunkt“, meint Patriz Brünsch. „Das Lied ‚Der Weg‘ von Herbert Grönemeyer habe ich oft gespielt.“
Nach einiger Zeit habe er schließlich den Schritt gewagt. „Mir war klar: Ich möchte für die Menschen da sein“, bekräftigt der Bestatter. Dahinter stehe ein persönliches Moment: eine Krankheit als junger Erwachsener. „Mit 23 Jahren habe ich mich mit der Endlichkeit des Lebens auseinandergesetzt.“ Vielleicht sei das der Grund, warum Menschen bei ihm sehr persönliche Gespräche erfahren. „Wenn man seine persönliche Erfahrung einbringt, dann taucht man in das Geschehen ein. Vor allem, wenn man als Trauerredner unterwegs ist.“
Bei seinem Einstieg in die Branche hatte Patriz Brünsch einen starken Helfer: „Damals hatte ich einen ganz tollen Kollegen mit viel Berufserfahrung, der stand mir immer wieder tatkräftig zur Seite. Ein toller Lehrmeister!“
Noch heute fasziniert ihn der Beruf des Bestatters. „Das liegt an den Begegnungen mit den Menschen. Es ist immer wieder eine neue Herausforderung, einen Abschied zu gestalten.“ Oft müsse man zwischen den Zeilen lesen. „Wenn ich am Ende erfahre, dass Menschen dankbar sind für meine Arbeit – daran habe ich eine große Freude.“ Mit Begeisterung besucht der Bestatter Beerdigungsmessen, lebt seine Kreativität in seinem Beruf. „Mit der Zeit ist sogar eine eigene Trauerfloristik dazugekommen.“
Nicht unterschlagen möchte Patriz Brünsch, dass die Arbeit als Bestatter „viel Zeit und Raum“ in Anspruch nehme. „Es braucht die Bereitschaft, die eigene Zeit zurückzustellen und für andere da zu sein – auch außerhalb der Kernarbeitszeit.“
Die Müdenerin Margret Schiesgeries absolvierte eine Ausbildung zur Zahntechnikerin, bevor sie sich der Familientradition verschrieb und Bestatterin in fünfter Generation wurde.
Foto: Çağla Canıdar
Margret Schiesgeries, Bestatterin aus Müden, kommt aus einer Bestatterfamilie. „Die Firma Heinrichs in Wilsche, die hat mein Vater geleitet“, erzählt sie stolz. „Wir arbeiten heute noch zusammen.“ Schon ihre Vorfahren in Ostpreußen waren in diesem Beruf tätig, „so gesehen, bin ich die fünfte Generation“.
Eigentlich ist Margret Schiesgeries gelernte Zahntechnikerin. „Aber als die Bestatterin im Nachbardorf aus Altersgründen aufgehört hat und die Kinder groß waren, hatte ich das Gefühl, dass ich mich dieser Herausforderung stellen möchte. Ich hatte schließlich von Kindesbeinen an den besten Lehrherren.“ Sie gründete ihre Firma in Müden, in den ersten Jahren greift der Vater ihr unter die Arme. „Anfangs sind wir zusammen losgefahren, er war mir eine große Hilfe.“
Das Vereinbaren von Familie und Beruf gestaltete sich für die Bestatterin nicht immer reibungslos. „Man muss immer erreichbar sein: Kommt ein Anruf, muss ich los. Es kam schon vor, dass ich im festlichen Kleid dastand und dann klingelte das Telefon“, erinnert sich Margret Schiesgeries lächelnd. „Und einfach zu sagen: Ich komme dann morgen – das geht natürlich nicht! Das gehört dazu.“
Was sie bis heute an ihrem Beruf anspricht, sind die Selbständigkeit und die Vielseitigkeit. „Man macht alles: vom ersten Kontakt über die Blumen und das Organisieren der Trauerfeier, das Bürokratische – eigentlich sind es mehrere Berufe in einem.“ Die „verantwortungsvolle und emotionale Arbeit“ sei für sie kein alltäglicher Beruf. „Die letzte große Feier möchte man den Angehörigen so schön wie möglich gestalten, ein schönes letztes Zusammensein.“
Gerhard Jahn half schon als Jugendlicher im Betrieb seines Vaters. Heute führt er das Bestattungsinstitut in Neubokel.
Foto: Çağla Canıdar
Für Gerhard Jahn, Bestatter in Neubokel, ist sein Beruf ebenfalls Familientradition. „Schon mein Vater war Bestatter, seinen Betrieb hat er 1963 in Kästorf gegründet.“ Der Tischler und Bestatter führte seine Trauergespräche damals in der heimischen Stube, ein Büro gab es nicht. „Mit 16 bin ich dann das erste Mal mitgefahren zur Überführung“, erinnert sich Gerhard Jahn. „Berührungsängste hatte ich nie. Meine Eltern haben damit ihr Brot verdient und ich habe unterstützt.“
Im Jahr 1988 – da war Gerhard Jahn 16 Jahre alt und der väterliche Betrieb feierte sein 25-Jähriges – begann er eine Tischlerlehre. Auch sein Lehrbetrieb war gleichzeitig ein Bestattungsunternehmen. „So war das damals auf dem Dorf“, erklärt Gerhard Jahn. „Schon in den 50ern und 60ern gab es in Gifhorn ein paar Tischler, die Särge gebaut haben. Das waren keine Bestatter, die auch Dienstleistungen übernommen haben, das haben die Angehörigen selbst gemacht.“ Aber vor allem in den vergangenen 20 Jahren habe sich die Bestatterbranche verändert: „Heute übernehmen Bestatter immer mehr Dienstleistungen – was gut ist.“
Bestatter sei man „mit Herz und Blut“, findet Gerhard Jahn. Schließlich müsse man zu jeder Tages- und Nachtzeit, rund um die Uhr, erreichbar sein. Nach dem Ende seiner Lehre kam für ihn die fundamentale Frage. „Der Betrieb war da, ich musste also nur die Entscheidung fällen: Mache ich weiter oder nicht?“ Durch seinen Vater sei er „schon immer im Geschehen“, hat Verbindungen geknüpft, kennt die Menschen. Die Selbständigkeit seines Vaters weiterzuführen, betrachtet er als gute Entscheidung. „Das persönliche Miteinander, der Kundenkontakt, das bedeutet mir sehr viel.“